FC St. Pauli vs. Hansa Rostock 1:0 – Geduld und Überzeugung | OneFootball

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·27. April 2024

FC St. Pauli vs. Hansa Rostock 1:0 – Geduld und Überzeugung

Artikelbild:FC St. Pauli vs. Hansa Rostock 1:0 – Geduld und Überzeugung

Beim 1:0-Erfolg gegen Hansa Rostock benötigte der FC St. Pauli eine taktische Anpassung und viel Geduld, um zu alter Stärke zu finden. Die Analyse.(Titelbild: Stefan Groenveld)

Nein, ein rauschendes Offensivfeuerwerk gab es nicht zu bestaunen bei der Partie zwischen dem FC St. Pauli und dem FC Hansa Rostock. Vielmehr war es ein hochintensives Spiel, auch auf den Rängen. Bei diesem sammelte der FCSP ganz sicher keinen Schönheitspreis ein, sehr wohl aber drei ganz wichtige Punkte. Wobei: Schönheit liegt ja bekanntlich im Auge der/des Betrachter*in. Denn wie man nach der 1:0-Führung defensiv wirklich gar nichts mehr anbrennen ließ, war mindestens beeindruckend.


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Die Aufstellung

Wie erwartet gab es beim FC St. Pauli keine Veränderung in der Startaufstellung. Eric Smith und Lars Ritzka schafften es nicht in den Kader. Immerhin kündigte Fabian Hürzeler an, dass beide zu Beginn der kommenden Woche wieder ins Teamtraining einsteigen sollen. Somit änderte sich auch nichts an der Formation: Connor Metcalfe begann links hinten, Marcel Hartel links vorne. Aljoscha Kemlein bildete mit Jackson Irvine die Doppelsechs.

Sechs Wechsel bei Hansa

Während es beim FCSP also keine personellen Wechsel gab, war die Situation bei Hansa Rostock eine ganz andere: Gleich auf sechs Positionen veränderte Mersad Selimbegovic die Startaufstellung der Gäste. Alexander Rossipal, Janik Bachmann, Nils Fröling, Juan Jose Perea, Sebastian Vasiliadis und HSV-Leihgabe Jonas David waren neu mit dabei. Nur die Hälfte dieser Wechsel war aufgrund von Sperren und Verletzungen notwendig.

Artikelbild:FC St. Pauli vs. Hansa Rostock 1:0 – Geduld und Überzeugung

Aufstellung beim Spiel FC St. Pauli gegen Hansa Rostock FCSP: Vasilj – Nemeth, Wahl, Mets – Saliakas, Irvine, Kemlein, Metcalfe – Afolayan, Eggestein, Hartel. FCH: Kolke – van der Werff, David, Rossipal – Strauß, Vasiliadis, Dressel, Ingelsson – Bachmann – Perea, Fröling

Nur Vasilj auf freiem Fuß

Die Gäste agierten in einer Art 3-4-1-2 und diese Formation sorgte auf ganz natürliche Weise für eine klare mannorientierte Spielweise von Hansa Rostock. So bildeten sich auf dem gesamten Platz insgesamt zehn Pärchen. Hansa wollte den FCSP in persönliche Duelle verwickeln. Das macht Hansa oft, das Team führt die meisten Zweikämpfe der Liga. Der einzige FCSP-Spieler, der keinen direkten Gegenspieler auf den Füßen hatte, war Nikola Vasilj. Der konnte aber, zumindest im ersten Drittel des Spiels, eher nicht so wirklich viel aus diesen Freiheiten machen, was zum einen an wenig Dynamik aufseiten des FC St. Pauli lag, aber sicher auch daran, dass ihm selbst in der einen oder anderen Situation der Mut zum Steilpass fehlte.

Hansa läuft mit viel Risiko

Mit dieser Formation und der dazugehörigen Intensität der Rostocker, konnte das Aufbauspiel des FC St. Pauli sehr gut in Schach gehalten werden. Hansa stand dabei insgesamt sehr hoch und versuchte auch nahezu durchgehend, Druck durch aggressives Anlaufen auf die Gegenspieler zu erzeugen. Dieser Dauerdruck, den Rostock im ersten Abschnitt erzeugte, war ungewohnt. Denn eigentlich alle Teams in dieser Saison ließen den FCSP im Ballbesitz zumindest teilweise gewähren. Hansa aber versuchte nicht nur, Dauerdruck auf alle FCSP-Feldspieler zu erzeugen, sondern lief dann teilweise auch Vasilj noch mit an.

Das ist eine mutige Herangehensweise des FC Hansa Rostock gewesen. Denn es war für sie ein Spiel gegen die Zeit. Die gesamten 90 Minuten so einen Dauerdruck zu erzeugen, ist nämlich nicht möglich. Die hohe Intensität hat ihren Preis. „Wir haben uns gesagt, dass wir geduldig sein müssen, haben gesagt, dass es schwer sein wird für den Gegner, uns 90 Minuten lang so hoch anzulaufen,“ sagte Fabian Hürzeler nach der Partie. Die Geduld zahlte sich aus, aber so weit sind wir mit diesem Text noch nicht. Zurück zur ersten Halbzeit.

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Jackson Irvine und Hauke Wahl hatten kurz nach dem Halbzeitpfiff eine ganze Menge zu diskutieren. Denn der FC St. Pauli tat sich schwer gegen intensiv und mutig agierende Gäste aus Rostock. // (c) Peter Boehmer

Dem FC St. Pauli fehlt der Mut

Die war nämlich nicht wirklich überzeugend vom FCSP. Und das lag nicht (nur) daran, dass der FC Hansa Rostock massiv viel investierte. Hürzeler zeigte sich nicht zufrieden mit seinem Team: „Wir waren nicht klar in unseren Abläufen, waren nicht mutig genug.“ Insgesamt wirkte es ein wenig so, als ließe sich der FCSP von der intensiven Gangart der Rostocker etwas beeindrucken. Obwohl man durchaus genau damit gerechnet habe, wie Hürzeler später erklärte.

Hürzeler passt taktisch an

So waren Torraumszenen des FC St. Pauli in der Anfangsphase Mangelware. Stattdessen blitzte ab und an die Umschaltgefahr der Rostocker auf. Der FCSP sah ein paar Mal nicht so richtig sattelfest aus, wenn Hansa versuchte, das eigene Tempo in der Offensive auszuspielen. Nikola Vasilj musste erneut, wie auch in den beiden Partien zuvor, in der ersten Halbzeit gleich mehrfach zupacken, tat dies aber erneut sehr zuverlässig. Was für ein toller Rückhalt er zuletzt gewesen ist!Und als man nach spätestens 25 Minuten spürte, dass das alles andere als ein Spaziergang für den FCSP werden würde und das Team einen etwas verunsicherten Eindruck machte, veränderte sich das Spiel zunehmend – Grund dafür: Eine kleine, aber ganz wichtige taktische Anpassung des FC St. Pauli.

Die Regel ist eigentlich nicht schwer, aber es ist wirklich alles andere als einfach sie auch umzusetzen: Wenn ein Gegner mannorientiert spielt, dann muss man ihn durch Rotationen zu Entscheidungen zwingen, bei denen er sich nicht wohlfühlt. Dieser Satz stand so oder so ähnlich bereits im Spielbericht zur Partie bei Hannover. Dort entzog sich Jackson Irvine seinem Bewacher, indem er tief in die eigene Verteidigung rückte. Gegen Hansa Rostock entschied sich der FC St. Pauli für eine andere Variante.

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How to create a Loch in the Zentrum?

Zu Spielbeginn bildete der FCSP im Ballbesitz eine Doppelsechs, bestehend aus Hauke Wahl und Jackson Irvine. Aljoscha Kemlein rückte vor in den linken offensiven Halbraum. Nach rund 25 Minuten veränderte sich diese Grundordnung des FC St. Pauli bei Ballbesitz. Nur auf einer Position, die dann aber eine große Wirkung entfachte. Irvine schob nun vor in den rechten offensiven Halbraum, Wahl agierte als alleiniger Sechser. Diese neue Positionierung musste sich einige Minuten einruckeln und nur die Positionierung allein stellte für Hansa noch kein Problem dar. Wichtig war aber, was Irvine, Eggestein und Kemlein für Laufwege bestritten.

Hansa-Defensive zu unangenehmen Entscheidungen gezwungen

Die Erkenntnis, dass Johannes Eggestein eine nicht ganz typische Mittelstürmer-Rolle beim FC St. Pauli spielt, ist nicht neu. Aber sie wurde gegen Hansa Rostock so deutlich, wie vielleicht noch nie. Denn wenn sich der FCSP bei eigenem Ballbesitz in Position gebracht hatte, dann zeigte Eggestein im Zusammenspiel mit entweder Kemlein oder Irvine eine gegenläufige Bewegung. Einer der beiden Achter attackierte die Tiefe, versuchte im Sprint hinter die letzte Kette zu kommen und dort anspielbar zu sein. Eggestein hingegen lief in die andere Richtung und versuchte sich so von seinem direkten Gegenspieler zu lösen.

Hier forcierte der FC St. Pauli genau so eine Entscheidung für den Gegner, wie man sie gegen Teams mit starker Mannorientierung braucht: Sollte Jonas David, der direkte Gegenspieler Eggesteins, seine zentrale Innenverteidiger-Position verlassen und Eggestein ins Mittelfeldzentrum folgen? Eigentlich ja, aber auch dann noch, wenn gerade Irvine oder Kemlein die Tiefe belaufen, also in sein Hoheitsgebiet eindringen?

Eggestein? Zentraler Mittelfeldspieler!

David entschied sich oft dafür, Eggestein nicht zu folgen. Die direkten Gegenspieler der beiden FCSP-Achter aber folgten ihrem Gegenspieler zumindest ein bisschen. Es war auf jeden Fall genug, damit Johannes Eggestein im Zentrum des Spielfelds öfter mal komplett blank auftauchte. 20 seiner 34 Pässe spielte Eggestein im zentralen Mittelfeld. Das sind keine Werte eines Mittelstürmers. In dieses Korsett passt er bekanntlich schon länger nicht mehr. Enorm wichtig ist er für den FC St. Pauli aber trotzdem.

Artikelbild:FC St. Pauli vs. Hansa Rostock 1:0 – Geduld und Überzeugung

Aufbauvarianten des FC St. Pauli gegen Hansa Rostock

Links: In den ersten 25 Minuten der Partie bildete sich beim FC St. Pauli eine Doppelsechs im Spielaufbau. Insgesamt war das Spiel wenig dynamisch und mutlos.

Rechts: Nach einer Umstellung gelang es dem FCSP oft, durch gegenläufige Bewegungen entweder Johannes Eggestein im Zentrum frei zu positionieren oder das Duo Kemlein/Irvine in der Tiefe anspielbar zu haben.

Anpassung in erster Halbzeit – zündet in zweiter

Es gab auch durchaus Momente, in denen Hansa Rostock versuchte, die Bewegung von Eggestein besser aufzunehmen. Allerdings geschah dies unter der ständigen Angst, dass die eigene Tiefe vernachlässigt wird. Die fette Torchance von Kemlein zu Beginn der zweiten Halbzeit ist ein gutes Beispiel dafür, wie so etwas aussehen kann und wie groß die Gefahr für den Gegner ist, wenn er die Tiefe in solchen Momenten nicht richtig sichert. Entsprechend war Eggestein relativ oft blank im Zentrum.

Diese Anpassung in der Positionierung hatte der FC St. Pauli bereits nach 25 Minuten vorgenommen. So richtig ausgezahlt hatte sie sich erst in der zweiten Halbzeit. Weil im ersten Abschnitt die Bewegungen zwar da waren, die Räume aber selten bespielt wurden. Mal wurde der Moment verpasst, in dem Eggestein frei im Zentrum herumturnte, mal war der Pass an sich zu ungenau. Insgesamt hatte sich der FCSP im Verlauf der ersten Halbzeit zwar etwas steigern können, spielte sich auch ein paar Mal gut ins letzte Drittel vor, doch im Vergleich zu den sonst so ballsicheren Pass-Stafetten war das nicht wirklich überzeugend, was da in der Offensive des FC St. Pauli passierte.

Hansa lässt nach, der FCSP legt zu

Mit Anpfiff des zweiten Abschnitts änderte sich aber noch etwas mehr beim FCSP: Beide Schienenspieler standen bei Ballbesitz nun etwas dichter an den Innenverteidigern. Dadurch sind generell die Passwege etwas kürzer, was zu einer höheren Passfrequenz führt. Und diese Positionierung hatte auch den Vorteil, dass der Druck auf die Schienenspieler von Hansa Rostock größer wurde. FCH-Trainer Selimbegovic erklärte jedenfalls, dass seine Schienenspieler die Pässe von Metcalfe und Saliakas ins Zentrum nicht mehr so gut verteidigt bekommen haben. Es fehlte vermutlich einfach zunehmend an Power im Anlaufen.

Diese Power hat aber sicher noch nicht direkt mit Wiederanpfiff gefehlt. Trotzdem war der FC St. Pauli sofort mit Beginn der zweiten 45 Minuten deutlich stärker und dominanter, als vor der Pause. Nach der bereits erwähnten fetten Kemlein-Chance in der 52. Minute gab es einen Eckball… kurz danach folgte der 14. Saisontreffer des FCSP nach einem Standard. Und beim dritten Spiel von Irvine am Millerntor gegen Rostock traf er zum dritten Mal, erneut per Kopf. Sowieso war Irvine einer der entscheidenden Faktoren auf dem Platz, ging erneut nicht nur läuferisch, sondern auch kommunikativ voran.

(K)Ein Hansa-Abschluss

Ein wichtiges Ereignis gab es dann sechs Minuten nach dem Führungstreffer. Der Abschluss von Hansas Sebastian Vasiliadis wurde zur Ecke geblockt. Erinnert ihr euch nicht dran? Ich auch nicht, musste ich extra noch einmal nachschauen. Was daran wichtig ist? Es war der einzige Torschuss von Hansa Rostock in der gesamten zweiten Halbzeit (und so ein richtiger Abschluss war das ja nicht mal). Da sind wir dann wieder zurück bei der Schönheit des Spiels: Zwar hatte der FCSP nach dem Führungstreffer in der 52. Minute erst einmal Leerlauf in Sachen eigener Torschüsse (erst in der 79. Minute gab es wieder einen Abschluss), aber Hansa Rostock fand offensiv wirklich überhaupt nicht mehr statt. Hürzeler war damit hochzufrieden, machte seinen Spielern nach Abpfiff ein Kompliment zur Defensivleistung in der zweiten Halbzeit und betonte: „Wenn wir so verteidigen, dann ist es schwer, ein Tor gegen uns zu schießen.“

Der FC St. Pauli musste also lange geduldig sein und stets konzentriert bleiben, um das Spiel gegen Hansa Rostock zu gewinnen. In der ersten Hälfte fehlte es an Mut im Offensivspiel und auch etwas an sicheren Abläufen bei der Arbeit gegen den Ball. Eine taktische Umstellung, das zurückgewonnene Vertrauen in die eigene Stärke und schwächer werdende Rostocker sorgten dann im zweiten Abschnitt für die Wende. Für Hansa Rostock muss das eine brutale zweite Halbzeit gewesen sein. Das Team geriet in dieser früh in Rückstand und versuchte sehr viel, um mindestens noch zum Ausgleich zu kommen. Aber alle Versuche prallten von einer stets laufbereiten und stark organisierten FCSP-Defensive ab, während bei Hansa selbst die Laufbereitschaft mehr und mehr abnahm – aufgrund der intensiven ersten Halbzeit. So konnte der FC St. Pauli das erste Mal seit vier Spielen wieder die Null halten.

Artikelbild:FC St. Pauli vs. Hansa Rostock 1:0 – Geduld und Überzeugung

Lauter glückliche Gesichter beim FC St. Pauli nach Abpfiff. // (c) Peter Boehmer

Platz drei sicher

Durch diesen nicht unverdienten Erfolg gegen Hansa Rostock, dem ein hartes Stück Arbeit vorausging, gelingt dem FC St. Pauli Historisches: Zum ersten Mal seit 70 Jahren beendet man eine Saison vor dem HSV. Da dieser aktuell auf Platz vier liegt, bedeutet das auch, dass der FCSP nun mindestens die Aufstiegsrelegation erreicht. Dass man aber nun mehr als die Relegation erreichen möchte, ist sicher allen klar.

Der Blick richtet sich jedenfalls erst einmal am Samstagmittag nach Kiel, wo die KSV den FCK empfängt und sich die Tabellenführung vom FCSP zurückholen will. Der HSV wird gleichzeitig in Braunschweig gefordert sein, um zumindest Kontakt zu Platz drei halten zu können. Am Abend werden dann alle Augen gen Gelsenkirchen umschwenken. Dort tritt nämlich Fortuna Düsseldorf bei heimstarken Schalkern an. Sollte die Fortuna diese Partie nicht gewinnen, dann kann der FC St. Pauli tatsächlich durch einen Sieg im Volkspark der sichere Aufstieg in die Bundesliga gelingen.

Sicher ist ebenso, unabhängig vom Ergebnis anderer Teams: Auch wenn der FC St. Pauli aktuell vielleicht keine Schönheitswettbewerbe gewinnt, wird er mit der Geduld und Überzeugung, die er zuletzt sowohl in Hannover als auch jetzt gegen Rostock in der zweiten Halbzeit gezeigt hat, so viele Punkte holen, wie für den Aufstieg eben nötig sind.Immer weiter vor!// Tim

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