FC St. Pauli vs. Fortuna Düsseldorf 5:6 n.E. – Bittere Achterbahnfahrt | OneFootball

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·31. Januar 2024

FC St. Pauli vs. Fortuna Düsseldorf 5:6 n.E. – Bittere Achterbahnfahrt

Artikelbild:FC St. Pauli vs. Fortuna Düsseldorf 5:6 n.E. – Bittere Achterbahnfahrt

Im Elfmeterschießen verliert der FC St. Pauli das Viertelfinalspiel im DFB-Pokal gegen Fortuna Düsseldorf. Eine intensive, aber chancenarme Partie. Die Analyse.(Titelbild: Peter Boehmer)

Tragik, Liebe – ihr kennt es. Ich hatte ganz vergessen, wie sich Niederlagen anfühlen. So also. So scheiße also. Das Halbfinale im DFB-Pokal war ziemlich nah. Aber wenn man mal ehrlich ist, dann hätte dieses Spiel nicht mit einem Sieger namens FC St. Pauli enden dürfen. Mit einem namens Fortuna Düsseldorf allerdings auch nicht.


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Die Aufstellung

Drei Veränderungen gab es in der Startaufstellung des FC St. Pauli im Vergleich zum Spiel am Samstagabend: Im Tor spielte, wie schon in den drei Pokalrunden zuvor, Sascha Burchert. Für Manos Saliakas kam Lars Ritzka in die Startelf, wodurch Philipp Treu auf die rechte Schienenposition wechselte. Etwas überraschend gab es auch auf der offensiven Außenbahn einen Wechsel: Etienne Amenyido startete anstelle von Elias Saad. Neuzugang Erik Ahlstrand stand nicht im Kader.

Bei Fortuna Düsseldorf wurde einmal gewechselt: Jona Niemiec musste für Felix Klaus auf der rechten Offensivseite weichen. Im Kader stand erstmalig nach langer Verletzung wieder Matthias Zimmermann. Auch die erst am Montag verpflichteten Marlon Mustapha und Joshua Quarshie standen im Pokalspielkader. Nach knapp zehn Minuten war die Fortuna dann schon zu einem ersten Wechsel gezwungen, weil sich Emmanuel Iyoha bei einem Zweikampf verletzte. Takashi Ushino ersetzte ihn.

Artikelbild:FC St. Pauli vs. Fortuna Düsseldorf 5:6 n.E. – Bittere Achterbahnfahrt

Aufstellung beim Spiel FC St. Pauli gegen Fortuna Düsseldorf.

FCSP: Burchert – Treu, Wahl, Smith, Mets, Ritzka – Kemlein, Hartel – Afolayan, Eggestein, Amenyido

Düsseldorf: Kastenmeier – Ushino, Hoffmann, de Wijs, Gavory – Engelhardt, Tanaka, Johannesson – Klaus, Tzolis – Vermeij

Fortuna hat dazugelernt

Klar, wenn man wenige Tage zuvor gegeneinander gespielt hat, dann kann man eine Menge mitnehmen und versuchen die richtigen Schlüsse daraus zu ziehen. Das, muss man neidlos anerkennen, ist Fortuna Düsseldorf sehr gut gelungen. Nicht unbedingt im Offensivspiel, da produzierten sie sogar weniger als der FC St. Pauli. Wohl aber in der Arbeit gegen den Ball.

Ein großes Problem am vergangenen Samstag für das Team von Daniel Thioune waren die Pässe auf Johannes Eggestein und Marcel Hartel, die in der Folge die Bälle gut verteilten. So konnte sich der FCSP einige gute Situationen erspielen. Fortuna reagierte darauf, indem sie das Zentrum noch etwas kompakter zustellten. Bei Ballbesitz FCSP agierte das Team zwar weiterhin extrem mannorientiert im 4-4-2, aber zog sich gerade im Mittelfeld mehr im Zentrum zusammen. Das sorgte dafür, dass der FC St. Pauli nicht mehr so oft die Pässe in das Zentrum spielen konnte, vor allem von den Außenpositionen.

Außenspieler stellen Passwege zu

Entscheidend, um das Aufbauspiel des FCSP zu stören, war unter anderem, dass die beiden offensiven Außen von Düsseldorf, Klaus und Tzolis, etwas zentraler standen. Sie hatten zwar immer noch Kontakt zu ihren zugeordneten Gegenspielern, standen aber nicht so eng zu ihnen, dass die Pässe verhindert wurden. So kamen die Schienenspieler des FCSP zwar häufiger an den Ball als vergangenen Samstag. Aber sie konnten weniger damit anfangen. Daniel Thioune erklärte nach der Partie, dass er mit dieser etwas anderen Positionierung der offensiven Außen die direkten Passwege von den FCSP-Schienenspielern ins offensiven Zentrum zu Eggestein und Hartel besser zustellen wollte, was gelang.

Noch etwas war anders im Defensivspiel der Fortuna: Sie liefen ihre Gegenspieler nicht mehr so direkt an. Sascha Buchert wurde in den Aufbausituationen quasi ignoriert. Der Fokus wurde mehr darauf gelegt ihm die Passoptionen zu nehmen. Und diese Variante gegen den Ball funktionierte, denn die initiale Spieleröffnung des FC St. Pauli gelang so selten wie nie in dieser Saison. Entsprechend zufrieden war auch Daniel Thioune nach dem Spiel: „Wir haben gemacht, was wir erwartet haben und der FC St. Pauli hat gemacht, was wir erwartet haben.“

Abnutzungskampf

So „glänzte“ diese Partie vor allem durch Chancenarmut. Im ersten Abschnitt gab es eigentlich nur zwei wirklich spannende Torraumszenen: Die zweite war eigentlich keine, weil Amenyido kurz vor der Pause noch vor dem Strafraum abzog, den Ball aber nicht richtig traf und dieser recht kläglich neben das Tor kullerte. Zu diesem Zeitpunkt stand es leider bereits 0:1 aus FCSP-Sicht. Burchert war mal wieder gezwungen einen langen Ball zu spielen, weil es sonst keine guten Optionen gab. Der Ball landete beim Gegenspieler, der schnell Vermeij auf die Reise schickte. Dieser war bedrängt von zwei Gegenspielern an der Strafraumkante, als sich Burchert dazugesellte. Vermeij fiel – die TV-Bilder lösen nicht ganz auf, ob es einen Kontakt gab (Burchert verneinte das später) – und es gab Elfmeter, den Vermeij sicher verwandelte.

Hinterher ist man immer schlauer

Muss Burchert in dieser Situation aus dem Tor? Diese Frage dürfte ihn selbst sicher noch eine Weile beschäftigen. Wenn man nach der alten Regel: „Wenn man rausgeht, muss man den Ball auch bekommen“ geht, dann war diese Entscheidung eher nicht richtig. Zumal Vermeij nicht den besten Winkel zum Tor hatte, etwas weiter links in den Strafraum kam. Das ist besonders deshalb kein guter Winkel, weil er Rechtsfuß ist. So lässt sich im Nachhinein recht einfach sagen: Burchert hätte besser im Tor bleiben sollen. Aber in der Situation? Als er die Entscheidung traf, war Vermeij noch nicht so weit links und es geht dann um Sekundenbruchteile. Hier einen krassen Torwartfehler draus zu machen, wäre falsch. Frei von Schuld ist Burchert aber sicher auch nicht.

Bitter auch, dass der FCSP in der Phase kurz vor dem 0:1 gerade etwas besser ins Spiel zu finden schien. So ging es dann aber mit dem Rückstand in die Pause. Mit im Gepäck: Einige Fragezeichen aufgrund der offensiven Harmlosigkeit des FC St. Pauli. Zum zweiten Abschnitt kamen dann Saad und Saliakas in die Partie. Und besonders Letztgenannter sorgte für Belebung im Spiel des FCSP. Aber auch eine taktische Umstellung brachte neuen Schwung.

Fortunas Innenverteidiger auf Abwegen

Eine Lösung gegen eine mannorientierte Spielweise des Gegners ist es, diesen in Verlegenheit zu bringen, in ungewohnte Situationen. In solche, bei denen sich die gegnerischen Spieler fragen, ob das noch richtig ist, was sie tun. Als Fortunas Innenverteidiger Andre Hoffmann zeitweise im Sechserraum des FCSP gegen Marcel Hartel verteidigte, dürfte er sich genau diese Frage gestellt haben. Ursächlich dafür war das deutlich veränderte Positionsspiel des FCSP.

Bei Ballbesitz schoben die beiden Schienenspieler, Treu und Saliakas, weit nach vorne. Ihre Gegenspieler folgten ihnen. Dort war Raum, weil Saad und Afolayan sich von ihren Außenpositionen nach innen ins Angriffszentrum bewegten. Ihre Gegenspieler folgten ihnen. Diesen Raum konnten sie besetzen, weil sich Hartel und Eggestein bis in den Achter-, teilweise sogar in den Sechserraum fallen ließen. Ihre Gegenspieler, ihr wisst schon.

So kam es, dass die Viererkette der Fortuna zu Beginn der zweiten Halbzeit aus den beiden Außenverteidigern und den beiden offensiven Außen bestand und ihre nominellen Innenverteidiger weit vor der Abwehr agierten. Das ist natürlich alles andere als optimal für Fortuna gewesen, weil Spieler auf Positionen spielten, die überhaupt nicht zu ihnen passen. Aber es war krass zu sehen, wie strikt das Team die mannorientierte Spielweise durchgezogen hat.

Artikelbild:FC St. Pauli vs. Fortuna Düsseldorf 5:6 n.E. – Bittere Achterbahnfahrt

Aufbauvarianten des FC St. Pauli in der ersten und der zweiten Halbzeit gegen Fortuna Düsseldorf.

links: Gegen das 2-4-4 des FCSP stellte sich Fortuna mit einer starken Mannorientierung und entsprechend mit einem 4-4-2 auf. Dieses wurde von Düsseldorf sehr zentrumsfokussiert interpretiert.

rechts: In der zweiten Halbzeit rotierten einige Spieler beim FC St. Pauli, sodass die Innenverteidiger der Fortuna ihre Positionen in der Viererkette verließen.

Beste Phase des FCSP wird belohnt

Klar, Taktik ist nicht alles. Aber diese Umstellung, übrigens ein neueres Element im Aufbauspiel des FC St. Pauli, war schon mindestens mitentscheidend dafür, dass man nun viel öfter im letzten Drittel der Fortuna an den Ball kam. Doch leider fehlte es an Präzision. Fabian Hürzeler bemängelte nach der Partie, dass in dieser Phase einzig „der letzte Pass“ gefehlt habe, gleich eine Reihe von Querpässen in den Strafraum nicht genau genug gespielt wurden. Trotzdem fiel in dieser Phase das 1:1. Weil man eben öfter im gegnerischen Strafraum zugegen war. Und weil Tanaka dort tölpelhaft gegen Treu verteidigte. Hartel versenkte den Elfmeter sicher, leider zum letzten Mal in dieser Partie.

Die Kraft geht aus

Während es in der Phase zwischen der 46. und 74. Minute vor allem an Präzision fehlte, wurde es mit zunehmender Spieldauer auch immer mehr eine Frage der Kraft. Mit der Einwechslung von Maurides eine Viertelstunde vor Ende der regulären Spielzeit, veränderte sich das Gefüge im Spielaufbau des FCSP erneut. Nun wurden nicht mehr beide Innenverteidiger der Fortuna herausgezogen. Und es wurde leider auch viel mehr mit langen Bällen gearbeitet.

Weit nach Abpfiff erklärte Fabian Hürzeler, dass er das Spiel mit dem langen Ball überhaupt nicht gerne mag, sein Team aber darauf zurückgreifen musste, weil am Ende einfach die Kraft fehlte. Und auch, weil es eine ganze Menge personelle Wechsel gab. Das Spielniveau litt darunter enorm. Von der Fortuna kam offensiv gar nix mehr und auch der FCSP hatte seine Druckphase nicht aufrechterhalten können. Thioune sprach später davon, dass es „über weite Strecken Abnutzung“ gewesen sei. Ab Minute 75 sah man zunehmend nur noch Spuren der Verwüstung dieses Abnutzungskampfes.

Und so verlässt auch dieser Spielbericht die Beschreibung der taktischen Elemente dieser Partie. Weil es sie kaum noch gab im Offensivspiel beider Teams. Oder besser gesagt, weil diese Elemente mit „auf Konter lauern“ auf der einen und „lang auf Mauri“ auf der anderen Seite fast schon ausreichend beschrieben sind.

Schöne Geschichten, kein Happy End

Es hätte so schön werden können. Dieses Spiel hätte so tolle Geschichten für den FC St. Pauli schreiben können. Von Carlo Boukhalfa, der, als alles schon vorbei zu sein schien, in der 120. Minute den Ball doch noch im Tor unterbrachte. Von Fabian Hürzeler, wie er dieses Tor zwischen den Fans auf der Gegengerade erlebte (wobei der Anfang dieser Geschichte eher nicht so toll ist). Und nicht zuletzt von Sascha Burchert, der seinen Fehler zum 1:2 durch einen gehaltenen Elfmeter wieder gutmachte.

Artikelbild:FC St. Pauli vs. Fortuna Düsseldorf 5:6 n.E. – Bittere Achterbahnfahrt

Was für ein Moment. Was für eine völlige Ekstase bei den Spielern des FC St. Pauli, nachdem Carlo Boukhalfa in der 120. Minute noch den Ausgleichstreffer erzielte.

(c) Peter Boehmer

Achterbahnfahrt endet mit Enttäuschung

Aber all diese schönen Geschichten, all diese Happy Ends, konnten leider nicht geschrieben werden. Der Fehler von Burchert vor dem Gegentor und die verschossenen Elfmeter von Hartel und Maurides sind das, was haften bleibt. Eine aufopferungsvoll kämpfende Mannschaft aber auch. Eine, die sich trotz zweimaligem Rückstand und größter Probleme gegen defensiv hervorragend eingestellte Gegner, doch noch zum Ausgleich kämpfte. Da ist Enttäuschung und Stolz. Beides zusammen.

Klar muss Sascha Burchert den Fernschuss in der 99. Minute festhalten, keine Frage. Ihm aber alleinig das Ausscheiden im Pokal anzulasten, halte ich für völlig überzogen. Auch dann noch, wenn man seine vielen Pässe nach vorne kritisiert. Er war oft gezwungen diese zu spielen, weil es keine anderen Optionen gab, vermutlich wohlwissend, dass die Erfolgschancen eher gering sind. Muss man das besser machen? Sicher, aber das gilt für das gesamte Team. Zu Fehlpässen gehören oft auch nicht gelungene Aktionen der beabsichtigten Passempfänger. Verloren hat der FC St. Pauli dieses Spiel, weil es dem gesamten Team zu selten gelang offensiv Lösungen gegen die Fortuna zu finden. Und als es diese in der Phase nach der Halbzeit gab, war es in entscheidenden Momenten zu unpräzise. Und sowieso: Der FC St. Pauli gewinnt zusammen und er verliert zusammen.

So endet also die lange Serie von Spielen, in denen der FC St. Pauli nicht bezwungen werden konnte. Die Enttäuschung darüber war nach Abpfiff sicht- und spürbar. Es wurde geweint, es wurde geflucht. Nach so einer langen und intensiven Achterbahnfahrt auszuscheiden, dürfte nicht so einfach aus den Kleidern zu schütteln sein. Muss es aber, weil am Samstag bereits das nächste ganz wichtige Spiel für den FCSP ansteht. Fabian Hürzeler ist davon überzeugt, dass das gelingt: „Gute Mannschaften stehen nach genau solchen Niederlagen wieder auf. Ich glaube meine Mannschaft ist eine gute Mannschaft.“

Immer weiter vor!// Tim

p.s. Ich hoffe, dass ich noch am Mittwoch all die Stimmen abtippen kann, die in der Mixed Zone eingefangen wurden. Das war teilweise nicht viel weniger als herzzerreissend, was da gesagt wurde.

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