Miasanrot
·13. Januar 2024
In partnership with
Yahoo sportsMiasanrot
·13. Januar 2024
Lina Magull verlässt den FC Bayern München im Winter und schließt sich Inter Mailand an. Ein logischer Schritt für alle Beteiligten? Der Transfer aus vier Perspektiven.
Überraschend kommt es nicht, dass Lina Magull den FC Bayern München verlassen möchte. Ihr Vertrag wäre im Sommer dieses Jahres ausgelaufen. Eine Verlängerung schien zuletzt unwahrscheinlich. Unter Trainer Alexander Straus spielte sie keine große Rolle mehr, im vergangenen Sommer gab sie ihr Amt als Kapitänin ab.
Doch wie sinnvoll ist es für alle Beteiligten, dass die einstige Führungsspielerin bereits im Winter das Schiff verlässt? Eine Beurteilung aus drei Perspektiven – und einer weiteren, die eher eine Folge aus dem Transfer darstellt.
Magull ist eine Weltklassespielerin, sagen die einen. Sie sei für die Weltklasse nicht widerstandsfähig genug, sagen die anderen. Beide Seiten haben ihre Argumente. Schaut man sich an, wie die 29-Jährige mit dem Ball umgeht, dann gibt es kaum Fußballerinnen in diesem Land, die besser sind. Ballkontrolle, Übersicht, Passspiel – Magull bringt alles mit, um in jedem Team auf der Zehner- oder Achterposition Stamm zu spielen.
Beim FC Bayern stellte sie das in den vergangenen Jahren unter Beweis. Sie war vor allem beim ersten ihrer beiden Meistertitel mit dem FCB eine absolute Schlüsselspielerin. Ihre Fähigkeiten stehen außer Frage, stehen nicht mal zur Debatte. Bei der Europameisterschaft 2022 trug sie entscheidend dazu bei, dass Deutschland trotz vieler Probleme im Vorfeld des Turniers bis ins Finale kam. Dort erzielte sie sogar den zwischenzeitlichen Ausgleichstreffer gegen England.
Und doch ist die Widerstandsfähigkeit etwas, das immer wieder thematisiert wurde. Nicht nur von außen. Ihre Trainerinnen und Trainer machten es häufig in Gesprächen mit ihr zum Mittelpunkt, dass sie sich zu schnell aus ihrem Rhythmus bringen lasse. Läuft es nicht von Beginn an, blieb es häufig dabei. Im Jahr 2023 war das immer wieder zu sehen. Die berühmten hängenden Schultern, die in Deutschland gern bis zur allgemeinen Müdigkeit rauf und runter analysiert werden, sie waren bei Magull häufig zu sehen.
Dass sie ihre Kapitänsbinde im Sommer abgab, erklärte sie mit der Belastung, die dieses Amt auf sie ausgeübt hatte. Magull bewies damit Größe, aber auch Selbstreflexion. Es schien tatsächlich zunehmend eine Bremse in ihrer Entwicklung darzustellen, dass die Erwartungen an sie intern und von außen derart gewachsen sind. Druck, dem sie offenbar nicht standhalten konnte – und auch nicht wollte.
Denn bei aller sportlicher Kritik ist es bemerkenswert, welchen Weg Magull zuletzt eingeschlagen hat. Es schien, als habe sie sich immer mehr zurückgezogen. Konzentration auf sich selbst auf allen Ebenen. Insofern passt es jetzt umso mehr, dass sie den Weg nach Italien geht. Raus aus dem Rampenlicht der deutschen Berichterstattung. Rein in ein neues sportliches Abenteuer, das sie nicht allzu weit von ihrer jahrelangen Heimat in München trennt. Zurück zur Leichtigkeit, die sie einst ausgezeichnet hat. Denn auch ihr ansteckendes Lächeln, wenngleich das eine Beobachtung aus der Ferne ist, blieb zuletzt häufiger mal aus.
Der Wechsel zu Inter Mailand ist keiner, der hauptsächlich auf sportlichen Perspektiven beruht. Inter hat im Fußball der Frauen aktuell nicht mal Champions-League-Ambitionen – und einen weiten Weg vor sich, um eine große Adresse zu werden. Magulls Schritt dürfte eine Entscheidung für ein ruhigeres Leben in einer attraktiven Stadt sein. Auch finanziell ist Inter eine lohnenswerte Adresse.
Es passt zu Magull, dass sie nicht das macht, was von ihr erwartet wird. Es ist nicht der Schritt zum nächsten Top-Klub, sondern es sind eher zwei zurück. Damit mag sie ihre Rolle beim DFB-Team und ihr Ansehen insgesamt ins Wanken bringen. Andererseits ist es ein Neuanfang für sie. Und vielleicht auch der Versuch, sich wieder eine Komfortzone zu errichten. Eine allzu verständliche Entscheidung in einem Umfeld, in dem der Druck auf die Spielerinnen enorm sein kann.
Lina Magull beim FC Bayern München: Zuletzt hat sie häufig das Lächeln verloren.
(Foto: Alexander Hassenstein/Getty Images)
Beim FC Bayern München hat sich in den vergangenen anderthalb Jahren eine neue Achse gebildet. Glódís Viggósdóttir ist seit Sommer die neue Kapitänin und Anführerin des Teams. Sarah Zadrazil und Georgia Stanway bilden ein kongeniales Duo auf der Doppelsechs. Davor hatten die Bayern schon immer viele talentierte Offensivspielerinnen.
Magull hatte sportlich keinen Platz mehr in der ersten Elf. Aus Sicht der Bayern ist es eine Art Meilenstein, der zeigt, wie sehr sich der Kader qualitativ in den vergangenen Jahren weiterentwickelt hat. Für die Münchnerinnen ist der Abgang von Magull durchaus eine Chance: Spätestens im Sommer ist eine Neustrukturierung einer mindestens kleinen Problemzone möglich.
Im Spiel zwischen den Linien hakt es hin und wieder beim FCB. Es fehlt die Spielerin, die Magull einst war, aber offenbar nicht mehr sein kann: Beweglich, immer anspielbar, oft mit der guten letzten Idee im Spielzug. Karólína Lea Vilhjálmsdóttir spielt in Leverkusen eine starke Saison, wird in einem halben Jahr nach München zurückkehren. Die Isländerin bringt alle Fähigkeiten mit, um im System von Straus eine wichtige Rolle zu spielen. Auch Alara Sehitler soll in Zukunft mehr Spielzeit erhalten. Die 17-Jährige gilt als eines der größten Talente überhaupt.
Das Risiko eines Magull-Wechsels liegt auf der Hand: Magull wäre nicht die erste Spielerin, die nach einem schwachen Jahr nochmal angreift. Der Kader verliert damit etwas an Breite. Sydney Lohmann und Pernille Harder waren und sind verletzungsanfällig. Immerhin Linda Dallmann scheint sich zu stabilisieren. Das Experiment mit Jovana Damnjanovic auf der Zehn verlief eher mäßig.
Und doch zeigt allein die Liste von vier Spielerinnen, die auf dieser Position in Frage kämen, dass der Abgang von Magull mehr Chance als Risiko für den FCB darstellt. Zumal hier auch der persönliche Wunsch Magulls im Fokus zu stehen scheint – und weniger der des Klubs.
Für Inter hingegen gibt es kaum Ambivalenzen. In der Serie A stehen sie abgeschlagen auf dem vierten Tabellenplatz. Die Top-Teams in Italien sind die AS Rom, Juventus und die AC Florenz. Ein Transfer wie der von Magull zeigt aber, wohin die Reise mittelfristig gehen soll. Sie wird das Team auf Anhieb verstärken – Formkrise hin oder her.
Es ist ein kleines Zeichen, dass Inter damit setzt. Vor allem aber eines an das Team und die Fans: Man ist offenbar bereit, zu investieren. Greift man sich die Pro-Argumente der Bayern und von Magull heraus, könnte also das Fazit recht eindeutig ausfallen: Alle drei Seiten gewinnen.
Wobei man bei Magull dafür definieren muss, auf welcher Ebene sie gewinnt. Mit einem Wechsel zu Inter wird es für sie womöglich schwerer, sich in der Nationalelf zu behaupten. Ihr Stellenwert wird im deutschen Fußball fast schon automatisch sinken. Keine Champions League, kaum Spiele auf hohem Niveau, dazu die große Konkurrenz im DFB-Team – tendenziell wird es noch weniger Argumente geben, sie in wichtiger Position einzusetzen.
Und auch wenn die Konkurrenz groß ist, könnten die DFB-Frauen damit endgültig eine Spielerin verlieren, die ein einzigartiges Fähigkeitenprofil in sich vereint. Denn selbst wenn die zwei Schritte zurück sich für Magull bezahlt machen und sie wieder in bessere Verfassung kommt, bleibt abzuwarten, ob ihr das auch auf dem für den internationalen Fußball nötigen Niveau gelingt.
12.01.2024
12.01.2024
10.01.2024