Miasanrot
·9. Oktober 2024
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Dayot Upamecano bestritt für den FC Bayern München am Sonntag gegen Eintracht Frankfurt sein 200. Bundesligaspiel. Zeit für ein Zwischenfazit – wie hat er sich bisher geschlagen und wie sieht seine Perspektive aus?
Wir schreiben das Jahr 2021, und der FC Bayern muss – nach den prominenten Abgängen von unter anderem David Alaba, Javi Martínez und Jérôme Boateng sowie Trainer Hansi Flick – auf dem Transfermarkt aktiv werden. Gleich drei Neuverpflichtungen kommen vom RB Leipzig: Abwehrchef Dayot Upamecano, Kapitän Marcel Sabitzer und Trainer Julian Nagelsmann.
Drei Jahre später steht nur noch Upamecano in Diensten des Rekordmeisters. Sabitzer kickt inzwischen bekanntlich für den BVB, und Nagelsmann hat, nachdem der FC Bayern die Saisonziele unter ihm stark gefährdet sah, die Führung der deutschen Nationalmannschaft übernommen.
Auch bei Upamecano sah es in diesem Sommer zunächst danach aus, als würden die Zeichen auf Abschied stehen. Als die Münchner ihn vor mehr als drei Jahren verpflichteten, brachte der Franzose vor allem eins mit: unglaubliches Potenzial und das Versprechen auf mehr.
Bei RB Leipzig hatte sich der Franzose mit seiner aggressiven Spielweise und einem guten Stellungsspiel schnell zu einem der vielversprechendsten Innenverteidiger der Liga entwickelt. Er spielte eine Schlüsselrolle in der Defensive und hatte einen erheblichen Anteil daran, dass sich Leipzig als feste Größe in der Bundesliga und auch in der Champions League etablieren konnte.
Upamecano bringt eine beeindruckende physische Präsenz mit, die ihm hilft, sich gegen schnelle und technisch versierte Stürmer zu behaupten. Mit einer Größe von 1,86 Metern und einem Gewicht von 90 kg ist er ein dominanter Verteidiger, der in der Lage ist, sowohl in der Luft als auch am Boden seine Zweikampfstärke unter Beweis zu stellen.
Seine Schnelligkeit ist eine seiner größten Stärken – sie ermöglicht es dem 25-Jährigen, nicht nur in der Defensive, sondern auch im Umschaltspiel effektiv zu agieren. Bei den Bayern spielt er oft in einer hochstehenden Verteidigungslinie und trägt eine größere Verantwortung im Spielaufbau. Trotzdem unterlaufen ihm gelegentlich – genauer gesagt zu oft – noch individuelle Fehler, gerade in Situationen, in denen er unter Druck steht.
Und der Druck beim FCB ist sicherlich um einiges stärker als bei RB Leipzig, sowohl auf als auch neben dem Platz. In der Vergangenheit resultierten seine Fehler oft in Gegentoren oder zumindest gefährlichen Situationen. Darüber hinaus scheinen sie auch eine gewisse Unsicherheit und mangelndes Selbstvertrauen verursacht zu haben. Was wiederum dazu führte, dass Upamecano sich starker Kritik ausgesetzt sah, die zwar oft gerechtfertigt, aber teilweise auch extrem harsch war.
Nach einigen schwerwiegenden Patzern verlor der Innenverteidiger in der vergangenen Saison unter Thomas Tuchel zum Ende hin seinen Stammplatz an Eric Dier; an der Säbener Straße fragte man sich offensichtlich immer häufiger, ob der Verteidiger den hohen Anforderungen beim Rekordmeister langfristig gewachsen sei.
Interessanterweise ist er in der französischen Nationalmannschaft unter Trainer Didier Deschamps als Verteidiger gesetzt – trotz großer und namhafter Konkurrenz. Bei der Weltmeisterschaft 2022 beispielsweise war Upamecano einer der besten Verteidiger des Turniers und trug maßgeblich dazu bei, dass Les Bleus ins Finale einzogen, wo sie sich schließlich gegen Argentinien geschlagen geben mussten. Auch bei der Europameisterschaft im Sommer zeigte der Rechtsfuß gute Leistungen.
Diese Diskrepanz könnte zum einen auf die unterschiedlichen Spielsysteme zurückzuführen sein. In der Nationalmannschaft bekleidet Upamecano oft eine defensivere Rolle, die ihn weniger oft in lange Laufduelle zwingt und ihn so vielleicht entlastet. Allerdings funktionierte dieser Ansatz unter Tuchel ebenfalls nicht. Zum anderen mag es sein, dass er sich bei der Équipe Tricolore generell gut aufgehoben fühlt und das Vertrauen des Trainers sein Selbstbewusstsein stärkt.
Diesen Fällen von „Wohlfühloase Nationalmannschaft“ begegnet man immer wieder – bei Lukas Podolski und Miroslav Klose beispielsweise war es in der Vergangenheit oft so, dass sie in ihren Vereinen durchwachsene Leistungen zeigten, aber regelmäßig ihre Tore lieferten, sobald sie im Trikot der Nationalmannschaft aufliefen.
Trotz hartnäckiger Gerüchte, dass man Upamecano im Sommer abgeben wolle, stellte der neue Trainer Vincent Kompany schnell klar, dass er mit dem Franzosen in der Innenverteidigung plane. Unter Kompany zeigte seine Formkurve nach einem leicht wackeligen Einstieg in die Saison (vor allem das hohe Pressing stellte ihn oft vor Probleme) definitiv nach oben.
Kompany spricht seinem Innenverteidiger, den viele schon auf dem Abstellgleis sahen, großes Vertrauen aus und stärkt ihm den Rücken. Der dankt es ihm auf dem Platz mit guten Leistungen. Bislang stand der Franzose in dieser Saison in allen neun Pflichtspielen des FC Bayern in der Startelf. Auch das Zusammenspiel mit Minjae Kim – der zweite Innenverteidiger, dessen Zukunft beim FC Bayern noch vor einigen Monaten fraglich schien – wird immer besser.
Kompanys System ist allerdings geprägt durch hohes Pressing, viel Ballbesitz sowie Dominanz und erfordert außerdem ein schnelles Umschaltspiel. Dadurch, dass die Verteidiger so hoch stehen, ist die Defensive aber auch hin und wieder verwundbar und anfällig. Ein Problem in der Warhnehmung ist, dass oft nur auf diese wenigen Situationen, seltener aber auf die vielen starken Ballgewinne der beiden geschaut wird.
Solange die vermeintlichen Fehler aber erstmal als Teil des Systems hingenommen werden und man den Spielern – allen Spielern – Zeit gibt, sich darin zurechtzufinden und anzupassen, sind das auf jeden Fall gute Vorzeichen für eine erfolgreiche Saison.
Kompany-Ball ermöglicht auch Szenen wie diese: Im Spiel gegen Frankfurt eroberte Upamecano in der 53. Minute den Ball – und stand dabei fast am gegnerischen Strafraum. Mit diesem Ballgewinn leitete er spektakulär das 3:2 ein.
Die Entscheidung, Upamecano im Sommer nicht zu verkaufen, war aus sportlicher Sicht richtig. Ein Verkauf hätte vielleicht kurzfristig Geld in die Kassen gebracht, aber trotz allem hat Upamecano noch immer das Potenzial, ein exzellenter Verteidiger zu werden.
Auch ein Boateng, der am Anfang seiner Karriere bekannt war für seine Aussetzer und oft angezweifelt wurde, konnte sich unter den richtigen Trainern (Jupp Heynckes und Pep Guardiola) so stark weiterentwickeln, dass man ihm zu seinen besten Zeiten als Innenverteidiger das Prädikat „Weltklasse“ zusprach. Soll heißen: Gibt man Upamecano noch Zeit, macht er vielleicht noch weitere Schritte nach vorne.
Für die laufende Saison wird entscheidend sein, dass Upamecano seine Konstanz findet und vor allem versucht, seine Fehlerquote zu reduzieren. Kommt dann noch das Vertrauen des Trainers und die Unterstützung der Fans hinzu, könnte er eine Schlüsselrolle in Bayerns Defensive spielen. Der Titel Abwehrchef ist jedenfalls bislang noch nicht fest vergeben. Vielleicht ist es seine letzte Chance.
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