FC Schalke 04
·22. März 2023
„Ennatz“ Dietz wird 75: Ein Leben für den Fußball

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·22. März 2023
75 Jahre – und kein Tag ohne Fußball. Bernard Dietz kann an diesem Mittwoch (22.3.) auf ein bewegtes Dreivierteljahrhundert zurückblicken: als Kapitän der deutschen Nationalmannschaft, die 1980 Europameister wurde, auf 495 Bundesliga-Spiele – und fast fünf Saisons, in denen er als Libero der Königsblauen die Strippen zog.
Seine Art Fußball zu spielen, hat Dietz einst treffend charakterisiert: „Wer vorschnell resigniert, kann nicht kämpfen, bis der Arzt kommt.“ Resignation war für den Abwehrspieler ein Fremdwort, er rackerte und kämpfte von der ersten bis zur 90. Minute – und wenn es sein musste, wie etwa 1984 beim 6:6 im legendären Pokal-Halbfinale zwischen Schalke 04 und Bayern München, auch über 120 Minuten.
„Das war ein Spiel für die Ewigkeit“, schwärmt das Geburtstagskind im Gespräch mit dem Schalker Kreisel. Dass Dietz dabei hauptsächlich vom dreifachen Schalker Torschützen Olaf Thon spricht und schwärmt, aber seinen Treffer zum zwischenzeitlichen 5:5 mit keiner Silbe erwähnt, ist typisch für den gelernten Schmied. Zeit seines Lebens hat er sich nie ins Rampenlicht gedrängt, sondern ist immer er selbst geblieben: bodenständig, trainingsfleißig, teamorientiert.
„Daran hat es leider zunächst gehapert, als ich 1982 zum FC Schalke 04 kam. Die Mannschaft war bunt zusammengewürfelt, es fehlte der Zusammenhalt“, erinnert sich Dietz an sein erstes Knappen-Jahr. Rudi Assauer, damals Manager, hatte ihn im Frühjahr das erste Mal kontaktiert. „Ich habe mir seinen Plan angehört und gesagt: ,Rudi, ich komme nur, wenn der MSV Duisburg absteigt. Das wird aber nicht passieren.‘“ Doch Dietz sollte sich täuschen, und als bei den Meiderichern kein klares Konzept für die sportliche Zukunft zu erkennen war, wechselte er im Alter von 34 Jahren zu den Königsblauen.
Doch sportlich gesehen kam der Abwehrrecke damit vom Regen in die Traufe, wie er augenzwinkernd formuliert. Obwohl der S04 mit Jochen Abel, Werner Lorant oder Hubert Clute-Simon erfahrene Spieler in ihren Reihen hatte, lief es überhaupt nicht. „Wir waren einfach keine richtige Mannschaft.“ Auch in der Rückrunde gelang es ihnen nicht, die Abstiegsregion zu verlassen. „Das lag vor allem an unserer katastrophalen Heimbilanz. Zwischen November 1982 und April 1983 haben wir im Parkstadion kein einziges Spiel gewonnen.“
Nachdem das Band zwischen Assauer und Chef-Trainer Siggi Held zerrissen war, kam mit Jürgen Sundermann ein neuer Coach. „Der hat unsere sportliche Situation damals leider völlig falsch eingeschätzt. Wir schafften zwar am vorletzten Spieltag völlig überraschend einen 1:0-Erfolg bei den Bayern, doch am Ende reichte es nur für Platz 16 und damit zur Relegation“, erzählt Dietz und verliert über den Ausgang der Spiele gegen Bayer 05 Uerdingen nur noch wenige Worte. „Sundermann hatte uns vorher gesagt, wir sollen uns keine Sorgen machen, der Klassenerhalt sei nur Formsache. Doch beim Hinspiel in Krefeld lagen wir schnell mit 0:3 zurück“, erinnert sich der 75-Jährige. Am Ende hieß es 1:3 aus Schalker Sicht, „doch Sundermann hat immer noch von einem fantastischen Ergebnis gesprochen“.
Der Rest ist bekannt. Schalke kam im Rückspiel nicht über ein 1:1 hinaus. Der zweite Abstieg der Vereinsgeschichte war am 19. Juni 1983 besiegelt. Doch danach ging es für Königsblau wieder aufwärts – auch dank Dietz, von dessen Führungsqualitäten vor allem die jüngeren Spieler profitierten. 1984 feierte er mit Schalke den direkten Wiederaufstieg. Der Malocher spielte noch drei Jahre für die Knappen und beendete 1987 nach zwei Verletzungen (Jochbeinbruch und Innenband) sowie Differenzen mit Chef-Trainer Rolf Schafstall seine aktive Karriere. „Es waren trotz des Abstiegs fünf super Jahre, die ich nicht missen möchte“, betont Dietz. Man glaubt es ihm aufs Wort.
„Ennatz“, wie der westfälische Straßenfußballer seit frühester Jugend gerufen wird, hat noch unzählige Anekdoten aus seiner S04-Zeit parat. So zum Beispiel das erste Trainingslager mit unter Leitung von Diethelm Ferner. „Der hat uns vier Trainingseinheiten pro Tag verordnet. Nach zwei Tagen konnte keiner unserer Spieler mehr richtig laufen. Das war bei dieser Intensität natürlich kein Wunder, zumal wir damals noch nicht einmal einen Masseur dabei hatten. So etwas wäre heutzutage unvorstellbar“, meint Dietz schmunzelnd. Noch während seines letzten Bundesliga-Jahrs übernahm er die königsblaue A-Jugend als Trainer. In diesem Übergangsjahr, als er noch zwischen den beiden Aufgaben pendelte, verpflichtete er bereits ein Torhütertalent namens Jens Lehmann für die B-Junioren, band ihn aber bereits in das Training der Älteren ein und sorgte durch zahlreiche Extraschichten mit dafür, dass der spätere Nationalkeeper früh zum Profi erklärt wurde.
Nach dem Ende seiner aktiven Karriere war Dietz dann für verschiedene Vereine im Amateur- und Profibereich als Trainer verantwortlich. Dort lebte er weiter das vor, was ihn immer auf dem Platz ausgezeichnet hat: große Fairness und Respekt vor jedem Gegenspieler. Nur elf Gelbe Karten sah er in 495 Bundesliga-Spielen für den MSV Duisburg und Schalke 04, nie flog er vom Platz. „Manchmal hatte ich auch Glück. Es hätten schon ein paar Gelbe Karten mehr sein können“, räumt Dietz ein, wie immer bescheiden. Mit 77 Bundesliga-Toren bewies er zudem außergewöhnliche Offensivqualitäten als Abwehrspieler.
Der Fußball packt den Privatier auch heute noch in seiner Heimat Drensteinfurt im Kreis Warendorf. „Täglich volles Fußballprogramm“ füllt den Alltag. „Dann sitzt meine Frau im Wohnzimmer und schaut ihre Filme, und ich verfolge im Büro das Geschehen in allen Ligen und Wettbewerben.“ Sohn und Tochter des Ehepaars sind mittlerweile erwachsen und verheiratet, haben ihnen fünf Enkelkinder beschert. „Da muss man sich manchmal aufteilen, um bei allen Aktivitäten hinterherzukommen“, sagt der einstige Knappe und lacht.
Ein königsblaues Event ist ebenfalls dick im Kalender vermerkt: das Ehemaligentreffen auf Schalke, das zum Saisonende im Rahmen eines Heimspiels stattfindet: „Darauf freue ich mich jedes Jahr. Es ist toll, viele bekannte Gesichter aus meiner Generation zu treffen.“ Speziell während der Pandemie hat Bernard Dietz dieses Highlight schmerzlich vermisst. „Bis dahin hoffe ich, dass Schalke noch viele Punkte sammelt. Der Verein gehört einfach in die Bundesliga.“