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·6. Juli 2024
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Das letzte Viertelfinale der EM 2024 lautet Niederlande gegen Türkei. Somit treffen zwei gegensätzliche Spielstile aufeinander, deren Herausforderungen sich beide Teams im Turnier schon erfolgreich gestellt haben – wer hat diesmal das bessere Ende für sich?
Die Niederlande haben bei der EM bis dato einige höhen und Tiefen durchlebt. Allein in der Vorrunde wusste das Team von Bondscoach Ronald Koeman oft nicht zu überzeugen, mit vier Punkten und nur dem knappen 2:1-Sieg gegen Polen zog die Elftal als Dritter ins Achtelfinale ein. Die weiteren Gegner hießen zwar Frankreich (0:0) und Österreich (2:3), doch im deutschen Nachbarland herrschte Frust. Zu häufig ergaben sich in den Spielen Phasen der Passivität und die nicht gerade seltenen Chancen wurden oft vergeben.
An letzterem Fakt änderte sich im Achtelfinale gegen Rumänien erst einmal wenig, wie ein Blick auf die Statistik verrät: 23 Torschüsse gaben die Niederlande ab, am Ende hieß es „nur“ 3:0, das Ergebnis hätte höher ausfallen können. Und doch herrscht beim Koeman-Team neues Selbstbewusstsein. Der Trainer selbst hat daran seinen Anteil.
Im seit der zweiten Partie ausgeübten 4-2-3-1 blühte der bei RB Leipzig so starke Xavi Simons samt zweier Vorlagen und reichlich herausgespielter Chancen auf der Zehn im Achtelfinale endlich auf. Hinter ihm sorgte Tijjani Reijnders mit seinem starken Spielaufbau ebenso für Kreativität und dirigierte das Spiel, Jerdy Schouters überzeugte hinzu defensiv. Kurzum: Das Zentrum avancierte wie in den guten alten Zeiten endlich wieder zum niederländischen Herzstück, was auch an der neuen Rollenverteilung lag. Der auf dem linken Flügel wieder einmal starke Cody Gakpo (ein Tor, eine Vorlage) und der in der Pause eingewechselte Donyell Malen auf rechts mit gar zwei Treffern komplettierten das Bild des nahezu perfekten Mittelfelds. Diese Leistung war fast schon ebenbürtig mit dem berühmten “Voetbal total“.
Ein Bild, das Außenseiter Türkei vor Probleme stellen könnte? Vielleicht, vielleicht aber auch nicht. Das Team von Trainer Vincenzo Montella hat dessen Spielstil mittlerweile offenbar stark verinnerlicht. Gepaart mit einer gehörigen Menge Wille und Leidenschaft verteidigte die Türkei nach ihren immer mal wieder limitiert wirkenden Darbietungen in der Vorrunde beim knappen 2:1 gegen Österreich im Achtelfinale stark und brachte das Ergebnis über die Zeit – italienischer Fußball wie er leibt und lebt.
Hinzu kommt, dass im Herz des Spiels mit Kapitän Hakan Calhanoglu, der zuletzt gelbgesperrt fehlte, ein sehr wichtiger Faktor bei der Türkei zurückkehrt. Die Sperren von Orkun Kökcü und Ismail Yüksek im zentralen Mittelfeld fallen aufgrund deren Leistungen gegen Österreich nicht wirklich ins Gewicht – dafür aber die von Merih Demiral, dem Doppelpacker wurde sein politischer Wolfsjubel zum Verhängnis.
Ein herber Schlag für die Türkei? Nicht zwingend, denn die Abwehr um den stark aufgelegten Torhüter Mert Günok präsentierte sich zuletzt ohnehin deutlich stabilisiert und Demiral war nicht immer erste Wahl. Da er jedoch sogar zum Man oft the Match ernannt wurde, als im Achtelfinale nur einer von 21 Torschüssen des Gegners die türkische Torlinie passierte, könnte die Sperre zu einem Faktor werden. Wobei: Neben (Un-)Glück gehören auch Können und leidenschaftlicher Einsatz zur Wahrheit der Türkei.
Im Gegensatz zu Oranje zeigte die Türkei zuletzt auch vor dem Tor eiskalt. Für ihre beiden Treffer im Achtelfinale benötigte die Montella-Mannschaft lediglich sechs Versuche auf den Kasten des Teams von Ralf Rangnick. Allen voran die Standards des so wichtigen Kreativgeists Arda Güler sorgten für Gefahr, der 19-Jährige von Real Madrid stellte einmal mehr unter Beweis, wieso er so hoch angesehen wird. Nach zwei seiner vier Ecken (so viele ließ übrigens auch die Elftal gegen Rumänien zu) zappelte der Ball im Netz, nicht einmal eine Minute nach Anpfiff stand es 1:0 für die Türkei – viele spielerische Aspekte also, die kaum besser zu erfolgreichen italienischen Nationalmannschaften passen könnten. Und gegen Oranje erneut abgerufen werden müssen.
Wenngleich die Niederländer, die in hinterster und vorderster Front ähnlich anzusiedeln sind wie die Türken, als leichter Favorit ins Rennen gehen, dürfte dem neutralen Zuschauer im letzten Viertelfinale der EM 2024 wohl ein spannender und knapper Fight erwarten. Nimmt Oranje diesen nicht an, könnte es das für die Elftal bereits gewesen sein.
Es wird aller Voraussicht nach darauf ankommen, ob die Türkei einerseits ihr Spiel mindestens genauso gut wie gegen Österreich umsetzen werden kann und ob die Niederländer mit ihren Vorteilen – sogar klaren auf den Außenbahnen – endlich ihre Torgefahr in mehr Treffer ummünzen können. Sollte die Türkei hingegen erneut früh in Führung gehen, droht Oranje ein Anrennen gegen eine gut sortierte Abwehr. Die ähnlich agierenden Österreicher bissen sich dabei bekanntlich die Zähne aus.
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