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·19. Juni 2023
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Für viele Teilnehmer am DFB-Pokal, gerade die Landespokal-Gewinner, ist der FC Bayern München das Traumlos. Einmal gegen den Rekordmeister antreten! Umso verwunderlicher war, wie der SC Preußen Münster auf die Auslosung am Sonntagabend reagierte. Auf manch anderen Vereinsvertreter mochte das sogar undankbar wirken. Doch was war passiert und warum blieben die Jubelstürme aus?
Kurz vor halb sechs am Sonntagabend wanderte die mit dem Drittliga-Aufsteiger bedruckte Loskugel aus den Händen von Stabhochspringerin Sarah Vogel in die von DFB-Präsident Bernd Neuendorf. Die Preußen waren recht früh gezogen worden, etliche Klubs aus erster und zweiter Liga waren noch im Topf. Und als Neuendorf die zweite Kugel mit zittrigen Händen öffnete, Moderator Sven Voss nur ein erstauntes "Oh" entwich, da passierten höchst unterschiedliche Dinge. Der Saal im Dortmunder Fußballmuseum applaudierte, ein mit Bayern-Trikot und SCP-Schal ausgestatteter Fan sprang jubelnd auf. Doch nicht jeder teilte unbändige Freude. Pressesprecher Marcel Weskamp, der mit Teammanager Harald Menzel der Auslosung beiwohnte, kommentierte es live im Fernsehen mit gewisser Regungslosigkeit: "Wir kennen es schon aus 2014. Die Mannschaft und der Trainer werden jubeln, die Mitarbeiter der Geschäftsstelle eher nicht so…"
Wie bitte? Da ziehen die Preußen gleich zweimal binnen neun Jahren, in denen sie dazu längst nicht immer im DFB-Pokal vertreten waren, den dicksten Fisch – und reagieren so? Doch Weskamp hatte, das stellte sich mit einem Blick in die sozialen Medien schnell heraus, durchaus einen Nerv getroffen. Lieber hätten die Preußen einen Gegner gezogen, der machbarer ist. Da sich das Preußenstadion in ersten Umbaumaßnahmen befindet, ist die Kapazität auf 12.800 Zuschauer reduziert, bei Risikospielen waren es zuletzt gar noch weniger. Dieser Umstand macht Karten bei begehrten Spielen künftig zum raren Gut, fast alle der möglichen Gegner hätten das Stadion problemlos gefüllt. Nun aber mischen etliche Gelegenheitsfans mit. Dazu kommen zigtausende Fans, die sich dem erfolgreichsten deutschen Klub quer durchs Land verschrieben haben und für jede Chance auf Karten exorbitante Summen bezahlen. Die Hoheit im eigenen Stadion zu behalten, wird zur logistischen Herausforderung.
Ein Umzug in eine größere Arena scheint dazu zunächst keine Option, denn Sportgeschäftsführer Peter Niemeyer kündigte bereits "ein Fußballfest an der Hammer Straße" an. Nur zur Erinnerung: Viktoria Köln zog im Vorjahr ins große Kölner Rhein-Energie-Stadion um – und verkaufte tatsächlich alle 50.000 Plätze. Die eigenen Fans nahmen dabei im Gästeblock Platz. Trotz der sicher nicht günstigen Anmietung der WM-Spielstätte machte Köln satten Gewinn, auch weil die Bayern die Hälfte der ihnen zustehenden Ticketerlöse an Preußens künftigen Ligarivalen abtraten. Die "Bild" berichtete abzüglich aller Kosten von rund 750.000 Euro, die als Plus in den Kassen der damals klar unterlegenen Viktoria (0:5) verblieben.
Etwas Neid war beim Blick auf die Rivalen Osnabrück (gegen den 1. FC Köln) und Bielefeld (gegen den VfL Bochum) aber wohl doch dabei. Denn auch wenn diese ebenfalls Erstligisten zogen, so dürfen sie sich realistische Chancen auf ein Weiterkommen machen. Dazu kommt: Sie spielen vom 11. bis zum 14. August, könnten bei einer Qualifikation für die 2. Runde Mehreinnahmen sogleich in letzte Transferziele stecken. Wenn Preußen Münster, bedingt durch den Supercup, erst Ende September auf den FC Bayern treffen wird, hat der Verein nicht nur illusorische Chancen auf die Sensation, sondern auch keine Möglichkeit mehr, Gewinne in Spielerverpflichtungen umzuwandeln. Ganz zu schweigen von einem durchbrochenen Rhythmus: Der SCP pausiert nach dem 1. Spieltag gleich wieder für zwei Wochen und bestreitet eine zusätzliche Englische Woche am 26. oder 27. September. Was durchaus als "Extrawurst" für die Bayern zu verstehen sein kann, bringt die Preußen also in Wettbewerbsnachteile.
Und dann war da ja noch die Saison 2014/15. Die Preußen verloren mit 1:4, feierten aber dennoch einen tollen Nachmittag gegen die damals von Pep Guardiola trainierten Bayern. 16.800 Fans durften dabei sein, Münster betrieb schon im Vorfeld großen Aufwand, legte Fanartikel für das Spiel auf, verknüpfte den Vorverkauf clever mit dem Dauerkartenerwerb, sodass nicht nur bei den Mitgliederzahlen, sondern auch den Saisonabos die Verkaufszahlen in die Höhe schnellten. Der Besucherschnitt von mehr als 9.100 war der beste dieses Jahrtausends. Eigentlich hatte der Klub alles richtig gemacht. Doch es geschah zu einer Zeit, in der er – wie sich im Nachhinein herausstellte – über die Verhältnisse lebte, als Mitfavorit auf die 2. Bundesliga gesehen werden wollte und seine Spieler auch entsprechend bezahlte. Letztlich wurde der Aufstieg deutlich verfehlt.
Dass am Ende jenes Geschäftsjahres ein Minus von einer halben Million Euro erwirtschaftet wurde, begründet die Klubführung auch mit Marketingaufwänden für jenes Bayern-Spiel. Und hinterließ bei den Mitgliedern nachhaltiges Misstrauen. Misstrauen, das auch an diesem Sonntag in einigen Köpfen wieder sprießte, als sich alle Welt für Preußen Münster freute. Und nur Preußen Münster selbst dieses Gefühl nur eingeschränkt teilen konnte.