Der Gast-Kommentar von 1860-Mitglied Oliver Fein: "Schlimmer als jeder Abstieg" | OneFootball

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·23. Juni 2024

Der Gast-Kommentar von 1860-Mitglied Oliver Fein: "Schlimmer als jeder Abstieg"

Artikelbild:Der Gast-Kommentar von 1860-Mitglied Oliver Fein: "Schlimmer als jeder Abstieg"

Über die Mitgliederversammlung des TSV 1860 wird noch länger zu sprechen sein: Kondome mit dem durchgestrichenen Konterfei von Hasan Ismaik wurden von der aktiven Fanszene in der Zenith-Halle angeboten. Am Ende, als beispielsweise Gerhard Mayer kurz vor Mitternacht als Verwaltungsrat bestätigt worden war, wurde das sogenannte Scheichlied angestimmt. Dazu wurde die Anti-Ismaik-Fahne gewedelt - das Präsidium? Nahm das so hin. Viele 1860-Mitglieder sind vor den Kopf gestoßen. Der Münchner Oliver Fein schrieb uns unaufgefordert einen Gast-Kommentar, den wir gerne veröffentlichen.

Für jeden „Realo“, der diese Mitgliederversammlung mitgemacht hat, war dies ein quälender, aufwühlender und frustrierender Tag. Für mich persönlich sogar der schlimmste Tag in meinem jahrzehntelangen Fan-Leben. Es ist richtig, der Richtungsstreit ist vorerst zugunsten der „Fundis“ (ich benutze nicht den Ausdruck „Sekte“) entschieden. Wir „Realos“ können nicht mehr die schweigende Mehrheit für uns beanspruchen, auch wenn es sie vielleicht sogar geben mag. Die Würfel sind gefallen.


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Zwar befindet sich Sechzig in allen Belangen seit längerer Zeit in einem stetigen und klar erkennbaren Niedergang, aber das ficht das Lager um Präsidenten Robert Reisinger nicht im Geringsten an.

Vor ein paar Wochen noch schrammten wir haarscharf am Abstieg in die Regionalliga Bayern vorbei, der Jahresfehlbetrag erhöhte sich von 483 TEUR in 21/22 auf 1.750 TEUR in 22/23 – wie Geschäftsführer Oliver Mueller ganz nebenbei in seiner unverschämten, beleidigenden (Clown-Vergleich) und jedes Neutralitätsgebot verletzten Wahlkampfrede erwähnte, nach innen eine tief gespaltene Anhängerschaft, die sich feindlich und zuweilen hasserfüllt gegenübersteht, nach außen ein aufgrund des Bedeutungsverlustes immer weniger interessierendes Loser- und Chaoten-Image, eine völlige Wirkungslosigkeit in der Stadionfrage gepaart mit Kommunikationsmängeln im Umgang mit den Stakeholdern, allen voran mit der Landeshauptstadt und – m.E. die Quelle allen Übels – ein total zerrüttetes (noch gelinde gesagt) Verhältnis zwischen den beiden Gesellschaftern als Resultat eines beispiellosen Konfrontationskurses der aktuellen und leider in der MV bestärkten individuellen e.V.-Vertreter gegen Hasan Ismaik (HAM International).

Ismaik, der in der Vergangenheit sicherlich Fehler begangen hat, zum Teil wohl auch gravierende, hat sich zu einigen inzwischen bekannt und war explizit bereit, natürlich mit neuen Personen, die ihm ohne negative Gefühle (von Ablehnung bis hin zu purem Hass) entgegentreten, ein neues Kapitel aufzuschlagen und ein Arbeits- und Vertrauensverhältnis mit dem e.V. überhaupt erst herzustellen. Man stelle sich ein Unternehmen, noch dazu ein hoch defizitäres wie die KGaA mit ihrem enormen negativen Eigenkapital vor, das von zwei Eigentümern gehalten wird, die sich gegenseitig nicht das Schwarze unter den Fingernägeln gönnen. Niemals wird sich dieses Unternehmen befreien und wieder prosperieren können. Ein Ding der Unmöglichkeit!

Anstatt vor diesem Hintergrund einen Rücktritt in Erwägung zu ziehen und den Stab an andere Personen zu überreichen, konnte man eine fast schon ekelerregende Selbstbeweihräucherung erleben und musste sich unanständiges Eigenlob anhören. Unwahre Behauptungen und Unterstellungen wurden in den Raum gestellt, ohne dass die Oppositionsseite ausreichend die Möglichkeit erhielt, diesen entgegenzutreten bzw. diese zu entkräften. Robert Reisinger hat sich wieder einmal etwas darauf eingebildet, dass er 2017 die Scherben aufgehoben habe – Scherben, die er persönlich mit vielen anderen – sicherlich auch mit Hasan Ismaik – mit verursacht hatte. Der Präsident hat sich am Ende der Versammlung u.a. ironisch beim „Abschaum“ bedankt und damit auf die missglückte Aussage von Prof. Lutz (für die er sich aufrichtig entschuldigt hat) angespielt. Anstatt in der Stunde seines Erfolgs dem „Bündnis Zukunft 1860“ und allen anderen anwesenden und nicht anwesenden Realos, die mindestens eine große Minderheit im Verein stellen, entgegenzukommen und ihnen die Hände zu reichen, zog er es vor, weiter Gift zu sprühen und Feuer ins Öl zu gießen. Jeder soll selbst beurteilen, was dies über den Charakter dieses Mannes und dessen Integrationsvermögen, das für das Präsidentenamt unbedingt notwendig wäre, aussagt.

Man konnte am vergangenen Sonntag sehr gut begreifen, warum Sechzig da steht, wo es steht und eben nicht auf die Füße kommt oder gar wie andere „kleinere“ Vereine – Heidenheim, Elversberg oder Ulm – einen nachhaltigen Erfolgskurs einschlägt. Blinde Ideologie und Jakobinertum gegen Andersdenkende – seien es alte Weggefährten wie Hans Sitzberger oder fähige Geschäftsführer wie Marc-Nicolai Pfeifer, die schon dafür kaltgestellt werden, weil sie es wagen, Brücken zu bauen oder seien es Vereinshelden wie dieses Mal Fredi Heiß, den ich wie einen begossenen Pudel von dannen habe ziehen sehen oder zuvor Bernhard Winkler. Sechzig kann und will schon deshalb nicht alte Weggefährten und Identifikationsfiguren wie in anderen Vereinen an sich ziehen und einbinden, weil all diese nahezu ausschließlich anderer Meinung als die aktuelle e.V.-Führung sind.

Es ist in Ordnung, wenn manche Fans ihr soziokulturelles Biotop 1860 mit Klauen verteidigen, denn sie geben auch sehr viel für den Verein, aber sie stellen dies zuweilen kompromisslos über den Gesamterfolg des Vereins. Sie stehen vermeintlich für das „wahre“ Sechzig, das gegen Kommerz oder gar Investoren steht, und daher ist es aus ihrer Sicht vorzugswürdig, in Konkurs zu gehen oder in die Regionalliga abzusteigen, als aus ihrer Sicht scheele Kompromisse einzugehen. Fatal wird es aber, wenn diese Fraktion den Verein unterwandert und die Geschicke des Vereins über mehr oder weniger willfährige e.V.-Vertreter steuert. Stellvertretend dafür steht der an intellektueller Beschränktheit (Entschuldigung, aber es ist so!) kaum zu überbietende Schlachtruf „Freiheit für Sechzig“ oder gar das unsägliche Absingen des „Scheichlieds“ (ohne Eingreifen der Versammlungsleitung). Ismaik hat gut 65 Mio EUR Geldmittel in die KGaA aus seinem Privatvermögen gepumpt und verhindert die Insolvenz Jahr für Jahr durch Umwandlung von Fremd- in Eigenkapital, während gleichzeitig die e.V.-Führung über „50+1“ das Sagen hat. Es ist richtig, dass sein aktuelles Engagement zu wenig zum Leben und zu viel zum Sterben ist.

Aus dieser brutalen Sackgasse hätte nur ein Neuanfang auf Augenhöhe („Geben und Nehmen“) mit anderen Individuen auf e.V.-Seite geführt. Denn nur an dieser Schraube hätte auf dem Boden der Realität gedreht werden können.Was bleibt nun nach diesem Schwarzen Sonntag? Bei mir persönlich: Ernüchterung, zugegebenermaßen Wut, die bange Frage, welche oppositionelle Protagonisten mit Format oder auch Sponsoren sich Sechzig überhaupt noch antun wollen, und die Überzeugung, dass sich der Niedergang fortsetzen wird. Vor diesen düsteren Aussichten möchte ich mich persönlich zukünftig durch eine gewisse emotionale Distanzierung schützen. Mal sehen, ob das klappt…Es klingt wie eine Durchhalteparole, aber es stimmt, Sechzig wird trotz weiterer Talfahrt niemals untergehen. Ich bleibe natürlich ein Dunkelblauer und ein Mitglied, das das NLZ unterstützt und auch weiterhin die Stimme gegen realitätsferne Ideologen erhebt. Vielleicht sogar irgendwann einmal auch mit Erfolg. Wahrscheinlich leider erst dann, wenn der Karren so richtig in der Sch… steckt.

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