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·1. Juli 2025
Darvich weg von Barça: Das deutsch-katalanische Verhältnis ist kompliziert

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·1. Juli 2025
Mit dem Wechsel von Noah Darvich zum VfB Stuttgart endet eines der jüngsten Kapitel deutscher Hoffnungsträger beim FC Barcelona – und reiht sich nahtlos ein in eine lange Liste gescheiterter deutsch-katalanischer Beziehungen. Ein Blick in die Geschichtsbücher zeigt, dass es zwischen der Blaugrana und DFB-Kickern schon immer kompliziert war.
Otto Maier war einer der zwölf Gründungsmitglieder des FC Barcelona im Jahr 1899 und spielte von 1899 bis 1902 als Mittelfeldspieler oder Stürmer für den Klub . In seinen 18 Einsätzen erzielte der gebürtige Heidenheimer sieben Tore und gewann mit Barcelona den ersten Titel der Vereinsgeschichte, die Copa Macaya 1901/02.
Er war darüber hinaus als Manager und Vize-Vorstand tätig und förderte den Sportclub, indem er Material spendete und das Amt des Kapitäns übernahm . Nach seiner aktiven Zeit gestaltete er das Vereinsleben und trug zudem maßgeblich zur deutschen Gemeinschaft im Club bei. Maier starb 1965 in Barcelona im Alter von 88 Jahren an Herzversagen. Aus historischer Sicht ist der erste Blaugrana-deutsche bis heute der Wichtigste.
Udo Steinberg, Elektroingenieur aus Berlin, spielte von 1901 bis 1910 für Barça, wurde zum ersten Torschützen im Klassiker gegen Real Madrid und erzielte dabei zwei Tore. Zwischen 1902 und 1907 fungierte er als Vorstandsmitglied und gründete zudem die erste Fußballschule des Klubs – ein Vorläufer der heutigen La Masia.
In 75 Pflichtspielen schoss er beeindruckende 57 Tore und feierte mehrere katalanische sowie nationale Pokaltitel. Zusätzlich war er als Sportjournalist aktiv und engagierte sich im öffentlichen Leben Barcelonas. Steinberg starb 1919 an der Spanischen Grippe.
Walter Rositzky war ein Deutsch-Pole der bei Barcelona debütierte und nach zwei Jahren zu Real Madrid wechselte – ein weiterer Beleg für die oft komplizierten Geschichten deutscher Akteure in Blaugrana. Der erste Weltkrieg beendete jedoch die Profikarriere des gebürtigen Hamburgers, der auch den Zweiten Weltkrieg überlebte und erst 1953 starb.
Noah Darvich zum VfB Stuttgart: Deutscher Youngster verlässt FC Barcelona
Der Pforzheimer Emil Walter wechselte 1924 zu Barcelona und spielte bis 1931 als rechter Verteidiger – insgesamt absolvierte er 247 Spiele. In dieser Zeit gewann er dreimal die Copa del Rey (1925, 1926, 1928) und krönte seine Karriere mit dem Gewinn der ersten spanischen Meisterschaft 1929. Walter war Mannschaftskapitän und galt als integraler Bestandteil Barcelonas goldener Ära in den 1920er Jahren.
Nach Ende seiner aktiven Fußballkarriere kehrte er nach Deutschland zurück, wo ihn Barcelona-Fans noch eingeladen hatten für ein Ehrenspiel 1950, bevor er 1952 in Pforzheim starb. Sein Tod wurde sowohl in Spanien als auch in Deutschland mit Würde gewürdigt – Barça spielte mit Trauerflor, und in Deutschland ehrte man sein Andenken mit Gedenkminuten.
Einer der prominentesten Fälle ist Bernd Schuster. Der Spielmacher prägte die Achtziger-Jahre bei Barça, gewann unter anderem den Europapokal der Pokalsieger, dreimal die Copa del Rey und eine Meisterschaft, bis er öffentlich mit Klubführung und Trainer brach. Sein Wechsel zum Erzrivale Real Madrid machte ihn dann in Katalonien zur Persona non grata. Der Vorwurf: Verrat.
Eine Tat, die der „Goldene Engel” noch öfter begehen sollte. Nachdem er auch mit Real die Liga und Copa del Rey einfahren konnte, wechselte er stadtintern zu Atletico, wo er ebenfalls Pokalsieger und immerhin Vizemeister wurde. Der Europameister von 1980 legte sich später dann noch mit den Kölnern an, als er nach seiner Zeit in Spanien beim rheiner Rivalen Bayer Leverkusen unterschrieb – nicht zu vergessen das Schuster vor seinem Wechsel zu Köln eigentlich einen Vertrag mit Borussia Mönchengladbach ausgehandelt hatte.
Robert Enke wechselte 2002 von Benfica Lissabon zum FC Barcelona, konnte sich dort aber nicht durchsetzen und kam nur auf vier Pflichtspieleinsätze.Sein Debüt ging jedoch komplett in die Hose: Barcelona schied in der ersten Pokalrunde gegen den Drittligisten Novelda CF aus – Enke patzte dabei schwer und wurde im Nachgang von seinem Kapitän Frank de Boer öffentlich kritisiert.
Nach erfolglosen Leihen verließ er 2004 Spanien, um nach Deutschland zurückzukehren, wo er bei Hannover 96 zur Vereinslegende wurde. Trotz sportlichem Erfolg litt Enke über Jahre hinweg an schweren Depressionen, die er weitgehend geheim hielt. Am 10. November 2009 nahm er sich im Alter von 32 Jahren durch Schienensuizid das Leben. Sein Tod löste bundesweit Trauer und eine Debatte über psychische Gesundheit im Profifußball aus – Ruhe in Frieden, Robert.
Ein anderer Fall ist İlkay Gündoğan. Der Mittelfeldspieler wechselte 2023 nach dem Triple-Gewinn mit Manchester City nach Barcelona. Sportlich wurde er sofort Teil des Stammteams und absolvierte 51 Pflichtspiele, in denen er fünf Tore und 14 Assists beisteuerte. Dennoch blieb seine Zeit in Katalonien auf eine Saison begrenzt – auch hier sollen sportliche wie strukturelle Gründe den Ausschlag gegeben haben.
Mit Barcelona schied er im Viertelfinale der Champions League gegen Paris Saint-Germain aus. Nach der Rückspielpleite kritisierte Gündoğan Barças Abwehrchef Ronald Araújo für eine frühe und unnötige rote Karte, was mannschaftsintern überhaupt nicht gut ankam und den Wunsch nach einer City-Rückkehr des Deutsch-Türken nur bestärkte.
Marc-André ter Stegen wechselte 2014 von Borussia Mönchengladbach für 12 Millionen Euro zum FC Barcelona und etablierte sich nach dem Abgang von Claudio Bravo ab 2016 als Stammtorwart, gewann das historische Triple 2015 und wurde 2023 mit dem Zamora-Trophäe für die Liga‑Bestquote ausgezeichnet und sogar als bester Spieler der Liga-Saison ausgezeichnet.
In der Saison 2023/24 übernahm er zudem das Kapitänsamt, absolvierte im März 2024 sein 400. Pflichtspiel für die Blaugrana – und avancierte damit zum Ausländer mit den meisten Einsätzen in der Vereinsgeschichte nach Lionel Messi. Trotzdem war das Verhältnis nie ganz unumstritten. Es dürfte zwar zwischen 2018 und 2019 keinen besseren Torhüter als ihn gegeben haben, aber der gebürtige Gladbacher war immer mal wieder für einen Patzer gut und wurde trotz mehrfach überwältigender Leistung von manchen Fans als „Ter Statue“ bezeichnet.
Im September 2024 riss sich ter Stegen in einem La Liga-Spiel dann auch noch die Patellasehne und musste sich operieren lassen – die Heilung dauerte bis Frühjahr 2025, teilweise übernahm Wojciech Szczesny im Tor. Nach der Verpflichtung von Joan García und der Vertragsverlängerung von Szczesny scheint ter Stegens WM-Platz im DFB-Kader gefährdet, sollte er weiterhin in Katalonien bleiben.
Noah Darvich wechselte im August 2023 für rund 2,5 Mio. € vom SC Freiburg zur Zweitmannschaft des FC Barcelona und unterzeichnete einen Vertrag bis Juni 2026 mit einer kolportierten Ausstiegsklausel von einer Milliarde. In zwei Jahren sammelte er für Barça Atlètic insgesamt 42 Einsätze und steuerte ein Tor und vier Vorlagen bei.
Als Kapitän der deutschen U17 wurde er 2023 im EM- und WM-Siegerteam eingesetzt und als eines der vielversprechendsten Talente seines Jahrgangs gewürdigt . Trotzdem schaffte er den Sprung in das Profiteam nicht, blieb auf Bankplätzen und im Kader ohne Einsatz in La Liga oder Champions League . Nun wurde Darvich nach Stuttgart transferiert – langfristig bis 2029, ohne Rückkaufoption für Barça, in der Hoffnung auf den Durchbruch im Profibereich.
Insgesamt gab es in der über hundertjährigen Klubgeschichte nur eine Handvoll deutscher Spieler, die in Barcelona eine nennenswerte Rolle spielten. Der Fall Darvich steht somit exemplarisch für ein größeres Muster: Der FC Barcelona und deutsche Spieler – das scheint einfach nicht zusammenzupassen. Ob sich das in Zukunft ändert, bleibt abzuwarten. Bis dahin aber bleibt die Beziehung von Distanz und Missverständnissen geprägt.
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