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Moritz Oppermann·27. Januar 2024
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Moritz Oppermann·27. Januar 2024
Erst die perfekte Annahme eines Chipballs, den er sich in den Lauf legt, dann ein gekonnter Haken nach innen, etwas Balldusel und plötzlich steht Mitchell Weiser mit freier Schussbahn vor Manuel Neuer. Das allerdings mit einem vermeintlich großen Aber: Den Ball hat der Rechtsverteidiger auf seinem schwächeren linken Fuß liegen. Das kann doch nichts werden. Oder etwa doch?
Ohne mit der Wimper zu zucken, knallt der 29-Jährige den Ball anschließend mit seinem offenbar doch gar nicht so schwachen Fuß unter die Latte und damit rein ins Werderaner Glück, die in der Folge das erste Mal seit 2008 gegen Bayern München gewinnen sollten.
„Wat war denn dat?„, dachte sich in diesem Moment sicher nicht nur der fünfmalige Welttorhüter. Doch so überraschend Weisers Tor nach 59 gespielten Minuten in der Allianz Arena vielleicht anmutete, war es das im Prinzip gar nicht.
Denn sowas können wir von Bremens „Ronaldinho„ schon mal erwarten. Weiser ein Ronaldinho? Kein Scherz, Niclas Füllkrug hat den ehemaligen Bayern-Spieler im Dezember 2022 tatsächlich mit dem Weltmeister von 2002 verglichen. Die Fragen, die an dieser Stelle aufkommen: Hatte der DFB-Stürmer einen im Tee? Gingen ihm die Spitznamen für Weiser aus? Oder ist da tatsächlich was dran?
Hmm – da wir Füllkrug keinen Alkoholismus und schon gar keine fehlende Kreativität unterstellen wollen, schauen wir doch einfach mal nach Argumenten, die für die dritte Frage sprechen. Diese lieferte Weiser im Prinzip schon beim historischen Sieg gegen die Bayern. Insgesamt kam der Verteidiger nämlich auf 65 Ballbesitzphasen, drei Torschussversuche, gewann 13 Zweikämpfe und lieferte 29 Sprints ab. Lose Werte die erst von Relevanz werden, wenn wir bedenken, dass er in jenen Kategorien beim Auswärtserfolg der beste Werderaner war (Quelle: ‚Bundesliga.de‘).
Wie es sich für einen Außenverteidiger gehört, ist er in der aktuellen Saison auch Bremens zweitbester Scorer (zwei Tore, vier Vorlagen). Seine extrem gute Technik und der enorme Offensivdrang zeichneten sich übrigens schon in der Jugend ab. Weiser führte die B-Junioren des 1. FC Köln 2011 quasi im Alleingang zur Meisterschaft.
Der damalige Kapitän schoss elf Tore und legte mit 20 Vorlagen landesweit die meisten Buden auf. Rufen wir uns nun noch die Eingangsszene in den Kopf zurück und verbinden sie einfach mal mit dem Statistik-Geschwafel, wird hier langsam ein Schuh draus.
Weiser ist für Bremen aktuell zweifelsohne das, was Ronaldinho einst für den FC Barcelona war. Ein Unterschiedsspieler. Im Gegensatz zum Brasilianer kann der U21-Europameister von 2017 nicht nur sehr passabel verteidigen, sondern hat auch noch eine der größten Pferdelungen der Liga. In dieser Saison ist er die zehntmeisten Kilometer aller Bundesliga-Spieler gelaufen.
Vom nimmermüden Weiser können übrigens Alphonso Davies und Leroy Sané seit vergangenen Samstag ein Lied singen. Auf der von ihnen gesehen linken Außenbahnen wurden die Bayern-Stars sowohl vorne als auch hinten hops genommen. An der Stelle kann auf jeden Fall schonmal festgehalten werden: Füllkrug war bei seinem Ronaldinho-Vergleich scheinbar doch Herr seiner Sinne. Jetzt aber mal Butter bei die Fische – alle Bremen-Fans jetzt kurz die Augen zumachen – wieso spielt ein scheinbar technisch starker Alleskönner dann „nur“ bei Werder Bremen?
Auch auf diese Frage lässt sich leicht eine Antwort finden. Weiser, der in der Jugend sieben Jahre für den 1. FC Köln spielte, musste bei Werder das machen, was der HSV nach jeder Zweitliga-Saison probiert: Neu anfangen. Nachdem das einstige DFB-Talent bei Bayer Leverkusen in der Saison 2021/22 gar kein Faktor mehr war, entschied er sich für eine Leihe zum damaligen Zweitligisten.
Nach Startschwierigkeiten avancierte der Rechtsfuß recht schnell zum Leistungsträger der Hanseaten und stellte eindrucksvoll unter Beweis, weshalb ihm 2012 der FC Bayern München vom Rhein an die Isar lotste. Vor der Winter-WM kamen dann sogar Gerüchte um eine mögliche DFB-Nominierung auf, ehe Weiser das Kapitel Nationalmannschaft auf kuriose Art und Weise selbst schloss.
„Der DFB spielt keine Rolle mehr für mich„, stellte der Verteidiger im März 2023 in den deutschen Medien klar. Stattdessen wolle er dank seiner afrikanischen Wurzeln die Möglichkeit nutzen, um für Algerien zu spielen. Weisers Wunsch fand bis heute keine Beachtung. Vielleicht auch deshalb will er zumindest auf Klub-Ebene mal auf internationalem Boden Fußball spielen.
„Ich weiß noch nicht, wie es weitergeht. Ich fühle mich wohl. Ich bin ambitioniert und habe Lust, international zu spielen. Mit dem Verein ist viel möglich. Aber ich will auch sehen, dass der Verein und alle drumherum diese Ziele haben„, erklärte der 29-Jährige, dessen Vertrag im Sommer ausläuft, jüngst der ‚Bild‘.
Wer weiß, vielleicht kann Werder es ihm ja mit dem neuen Investoren-Geld ermöglichen, bald mal wieder in Europa zu spielen. Er selbst könnte als lauffreudiger „Ronaldinho„ jedenfalls einen großen Teil dazu beitragen.