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·14. September 2022
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·14. September 2022
Die Berichterstattung über den internationalen Fußball dreht sich hauptsächlich um die führenden fünf europäischen Ligen und ihre Topklubs. Doch auch dahinter wird attraktiver Fußball geboten, auf den wir regelmäßig im „Blick über den Tellerrand“ ein genaueres Auge werfen. Unser Blick richtet sich dabei auf die deutschen Nachbarländer Niederlande, Belgien, Österreich und die Schweiz sowie Portugal und Schottland, die in der UEFA-Fünfjahreswertung starke Positionen einnehmen.
Roger Schmidt übernahm bei Benfica zum 01. Juli das Kommando. Seitdem bestritt der portugiesische Rekordmeister elf Pflichtspiele, die er allesamt gewann. In der vergangenen Woche gewann er auch sein Champions-League-Auftaktspiel gegen Maccabi Haifa souverän mit 2:0. Zuvor besaßen die Lissabonner wesentlich mehr Mühe mit dem FC Vizela, der im Estádio da Luz sogar in Führung ging, diese bis zur 76. Minute hielt und erst in der zwölften Minute der Nachspielzeit (!) durch einen Handelfmeter das 2:1-Siegtor hinnehmen musste. Daher grüßt Benfica, das am vergangenen Samstag beim Debüt von Julian Draxler unspektakulär mit 1:0 bei Famalicao gewann, mit 18 Punkten bei einem Torverhältnis von 14:3 an der Tabellenspitze.
(Photo by MIGUEL RIOPA/AFP via Getty Images)
Sieben Treffer mehr als der Tabellenführer erzielte Sporting Braga (16 Punkte), das sich ebenfalls in prächtiger Verfassung befindet, mittlerweile sechs Pflichtspielsiege am Stück, darunter in der Europa League bei Malmö (2:0), landete. Auch das schwierige Auswärtsspiel bei Aufsteiger Rio Ave, dessen mutige Herangehensweise erst mit fünf Punkten belohnt wurde, hatten Os Arsenalistas in einem packenden Spiel mit satten 41 Torschüssen knapp mit 3:2 die Nase vorn. Dahinter liegt der FC Porto (15), der seine Pflichtaufgaben gegen Gil Vicente und Chaves standesgemäß ohne Gegentor meisterte.
Ebenso defensiv stabil präsentierte sich Sporting (10), das allmählich an Fahrt aufnimmt, was auch der 3:0-Erfolg in Frankfurt zum Champions-League-Start unterstrich. Im Ligaalltag folgte ein 4:0 über Portimonense, zu dem Neuzugang Trincao seine ersten beiden Ligatreffer beisteuerte. Dennoch belegt der zweite prominente Lissabonner Klub derzeit lediglich auf Platz sieben. Vor ihm rangieren unter anderem Boavista Porto und das zuletzt bei Sporting chancenlose Portimonense, denen sechs bzw. sieben geschossene Tore zu vier Siegen – und den damit aktuell verbundenen Sprung auf die Europapokalplätze ausreichen.
Auch in den Niederlanden gibt es einen verlustpunktfreien Tabellenführer. Wenig überraschend lautet sein Name Ajax (18), das sich nach dem durchaus größeren Umbruch im Sommer zunehmend zu finden scheint. Diese These bestätigen die Resultate sowie Leistungen. Beide Aspekte fallen überaus überzeugend aus, insbesondere bei Heimspielen, wovon der niederländische Rekordmeister zuletzt drei am Stück absolvierte. Auf das durchaus erwartbare 4:0 über Cambuur-Leeuwarden, dessen Kader nicht einmal ein Fünftzehntel an Wert besitzt, folgte ein beeindruckendes 4:0 über den Europa-League-Finalisten aus Glasgow. Abgerundet wurde die perfekte englische Woche mit einem 5:0 gegen Heerenveen. Mohammed Kudus, der eigentlich einen Wechsel zu Everton anstrebte, spielte sich dabei mit einem Doppelpack weiter in den Vordergrund.
Ajax strahlt zwar eine klare Überlegenheit aus, maß sich bislang aber noch nicht mit den Topmannschaften der Eredivisie. Diese lieferten ebenfalls zahlreiche gelungene Darbietungen. Feyenoord (16) etwa hatte zwar in der Europa League bei Lazio keine Chance, doch auf nationaler Ebene läuft es aktuell rund. Das komplizierte Auswärtsspiel bei den Go Ahead Egales bog der Conference-League-Finalist in ein 4:3 um. Das Stadtduell gegen Sparta gestaltete er einseitig, gewann letztlich glatt mit 3:0 – und geht somit positiv gestimmt in die Begegnung mit der PSV Eindhoven (15), die in Enschede die bislang einzige Saisonniederlage kassierte.
Jenes Twente (13) erweist sich erneut als Kandidat für die internationalen Ränge. Lediglich der Ausrutscher bei Aufsteiger Volendam, der ansonsten reichlich Lehrgeld zahlt, verhinderte eine noch bessere Platzierung als Rang fünf. Im direkten Duell mit dem Viertplatzierten Alkmaar sprang am Sonntag ein leistungsgerechtes 1:1 heraus. AZ komplettiert am kommenden Wochenende den sogenannten Super-Sonntag, denn er fordert um 16.45 Uhr Ajax heraus. Bereits um 14.30 Uhr ertönt der Anpfiff in Eindhoven, wo die PSV sich mit Feyenoord misst.
Im Oktober 2021 musste Mark van Bommel nach nicht einmal vier Monaten den Trainerposten beim VfL Wolfsburg räumen. Sein Glück hat er dafür wohl bei Royal Antwerpen gefunden, denn seit Amtsantritt setzte es im Ligabetrieb ausschließlich Siege – mittlerweile acht am Stück. Dabei gelang es dem Niederländer seine Vorstellungen von Ballbesitzfußball zu implementieren. Das Sturmduo um Vincent Janssen, der sowohl gegen Westerlo als auch bei Cercle Brügge das wegweisende 1:0 beisteuerte, und Michael Frey erzielte rund die Hälfte der Tore, profitierte dabei auch von den Zuspielen des Ex-Herthaners Jurgen Ekkelenkamp.
Dass die belgische Liga alles andere als Laufkundschaft ist – und somit den Wert der Leistungen von Royal Antwerpen -, unterstreicht der jüngste 1:0-Erfolg des FC Brügge (19) in der Champions League über Bayer Leverkusen. Der amtierende Meister befindet sich mittlerweile voll auf Kurs, gewann das Stadtduell gegen Cercle glatt mit 4:0 und meisterte den Auftrag bei Seraing (2:0). Der Trend zeigt beim FCB, das im Sommer für nationale Verhältnisse außergewöhnlich viel Geld in die Hand nahm, ist also eindeutig positiv. An seinen tollen Start knüpfte derweil der KRC Genk (19) an. Beim Vizemeister Royal Union Saint Gilloise gelang Mbwana Samatta das umjubelte 2:1-Siegtor, sodass Genk aufgrund des besseren Torverhältnisses weiter vor Brügge auf Platz zwei steht.
Wesentlich schwerer tut sich dagegen der RSC Anderlecht. Magere zehn Punkte aus acht Partien sprangen bisher heraus. In Westerlo setzte es den nächsten Rückschlag. In einer zähen Begegnung musste der RSCA anach einem späten Treffer eine 2:1-Niederlage hinnehmen – die bereits vierte in der laufenden Spielzeit. Die Kritik am erst im Sommer von Saint Gilloise gekommenen Felice Mazzú (56) nimmt daher zu. Im Gegensatz zu Anderlecht verformt VV St. Truiden weit über seinen eigenen Ansprüchen. Vor Saisonbeginn als Abstiegskandidat gehandelt liegt der für seine Effektivität geschätzte Tabellenelfte punktmäßig gleich auf mit dem RSC.
In Österreich nimmt das Tabellenbild inzwischen gewohnte Form an. Das sich nur in Graz einen Ausrutscher leistende RB Salzburg (21) gewann seit dem 06. August sämtliche Ligaspiele, zumeist mit klarem Vorsprung, wie am Samstag beim 3:0 in Ried, wo die Begegnung bereits nach einer Viertelstunde entschieden war. Seine Qualitäten wies der Abonnementmeister auch in der Champions League nach, wo er der AC Milan ein 1:1 abknüpfte. Die zwischenzeitliche 1:0-Führung besorgte Noah Okafor, dessen Name wohl schon bei mehreren europäischen Topklubs diskutiert wird.
Drei Punkte hinter Salzburg lauert der LASK (18), der sich um eine bessere Postion brachte, da er sowohl gehen Ried als auch gegen Lustenau eine 1:0-Führung aus der Hand gab und sich jeweils mit einem Remis abfinden musste. Austria Lustenau gibt gegen starke Gegner weiter ein gutes Bild ab, steht schon bei zwölf Punkten und dürfte wohl nicht in Abstiegsgefahr geraten. Große Probleme hat dagegen der SCR Altach (5). Der mit viel Schwung gestartete Trainer Miroslav Klose schafft es nicht, seine offensive Herangehensweise zu etablieren, da es dem Kader an individuellen Fähigkeiten mangelt. Oftmals erlangte Altach zwar mehr Spielanteile, doch zu selten ergeben sich klare Torchancen, wobei dem Gegner auf der anderen Seite des Spielfelds reichlich Freiraum geboten wird.
(Photo by Carsten Harz/Getty Images)
Zumindest im Spiel gegen den Ball ist allerdings eine Steigerung erkennbar. Lediglich ein Gegentor kassierte der inzwischen auf eine Fünferkette zurückgreifende SCR in den vergangenen zwei Ligaspielen, blieb dabei aber ohne eigenen Treffer – und somit ohne Sieg, sodass er weiter Inhaber der Roten Laterne ist. Platz sieben liegt allerdings lediglich drei Punkte entfernt. Eine Miniserie würde also ausreichen, um die bedrohliche Zone vorerst zu verlassen. Dies gelang dem Wolfsburger AC (8) um den deutschen Cheftrainer Robin Dutt mit zwei Auswärtssiegen am Stück, darunter einem 3:1 bei Rapid Wien, wo Ferdinand Feldhofer nur noch ein Trainer auf Abruf zu sein scheint.
Nach dem Tod der Queen ruhte am Wochenende der Ball in Schottland. Gesprächsthemen gab es dennoch genug. Am vorherigen Spieltag stieg nämlich die 431. Auflage des Old Firm. Sie verlief erstaunlich einseitig. Celtic spielte groß auf, führte gegen überforderte Rangers nach Toren von Liel Abada und Jota bereits zur Pause mit 3:0. Der eingewechselte David Turnbull (23) ließ vor 58.636 Fans noch das 4:0 gegen überforderte Rangers folgen. Diese hatten sich noch gar nicht von der Derbyklatsche erholt, da setzte es schon den nächsten Nackenschlag. In der Champions League gingen die Rangers bei Ajax ebenfalls mit 0:4 unter. Angesichts der aktuellen Verfassung droht gegen die SSC Napoli die nächste deutliche Niederlage, wobei der Heimvorteil wohl schon für eine offenere Begegnung sorgen sollte.
Celtic zahle zwar auch Lehrgeld in der Königsklasse, prallte aber wohl am prominentesten Namen im Wettbewerb. Nach torlosem ersten Abschnitt zog Real Madrid die Zügel im Celtic Park und bezwang die couragierten Hausherren mit 3:0. Trainer Ante Postecoglou wich trotz des Gegners nicht von seinem mutigen, offensiven Stil, schickte wie gewohnt drei Stürmer aufs Spielfeld. Auf nationaler Ebene funktioniert dieser Ansatz exzellent. Seine Auswahl grüßt mit der Maximalpunktzahl und einem höchst beeindruckenden Torverhältnis von 25:1 von der Spitze. Als ärgster Verfolger gelten traditionell die Rangers, die bislang 13 Zähler einsammelten.
(Photo by Ian MacNicol/Getty Images)
Dahinter bildet sich ein breites Mittelfeld. Lediglich zwei Punkte trennen den Tabellendritten Aberdeen und den Achtplatizerten Hibernian. Da im Optimalfall selbst noch Rang für zur Teilnahme am Europapokal berechtigt, entstehen hinter der Tabellenspitze reichlich Spannungsmomente. Diese liefert traditionell auch der Abstiegskampf. Das noch sieglose Dundee United sammelte unter Interimstrainer Liam Fox (38) durch ein 0:0 in Motherwell immerhin den zweiten Punkt ein, liegt aber noch hinter Ross County (4) und dem FC Kilmarnock (4).
In den letzten Jahren stand der Schweizer Meister zumeist frühzeitig fest. In der laufenden Saison dürfte sich ein umkämpfteres Titelrennen ergeben, denn eine herausragende Mannschaft war nach acht Spieltagen immer noch nicht zu erkennen. Platz eins hat mit den Young Boys (17), Meister zwischen 2018 und 2021, wohl der Favorit inne. Doch auch er gilt als verwundbar, musste sich Anfang September nach einem frühen Platzverweis dem daraufhin an die Tabellenspitze springenden FC St. Gallen (15) geschlagen geben. Dort hielt er es allerdings nur eine Woche aus, dann setzte es im erneut nahezu ausverkauften Kybunpark eine unglückliche Niederlage gegen den FC Sion, wo Mario Balotelli mittlerweile auf Torejagd geben.
Die Stimmung ist dennoch prächtig in St. Gallen, das aktuell als Tabellendritter grüßt. Davor liegt überraschenderweise Servette Genf (17), die wohl formstärkste Mannschaft der Liga. Drei Siege am Stück beförderten die Mannschaft von Alan Geiger in diese vielversprechende Situation. Dass der Trend für den 17-fachen Champion spricht, unterstrich das Heimspiel am Sonntag gegen den FC Zürich. In der fünften Minute der Nachspielzeit netzte David Douline zum 3:2-Sieg gegen den FC Zürich ein.
Bei jenem FC Zürich, Meister der Vorsaison, herrscht dagegen Katerstimmung. Niemand spricht mehr über den unerwarteten Titel, sondern über die große Krise. Der FCZ steht bei miserablen zwei Punkten und findet keinen Weg aus der Krise, weshalb Trainer Franco Foda zur Disposition steht. Trotz der katastrophalen Punkteausbeute befindet sich der FC Zürich nicht auf dem letzten Platz. Erwartungsgemäß muss sich der FC Winterthur (2) mit dieser Rolle abfinden. Nach ordentlichen Auftritten zu Beginn wurde zunehmend deutlich, dass der Aufsteiger weder von der Kaderqualität noch von den Rahmenbedingungen mithalten kann. 1:5, 0:3 und 0:6 lauteten die letzten Resultate aus Sicht des FCW. Hoffnung auf Besserung besteht dennoch, denn im Oktober kommt es zum Vergleich mit dem genauso sieglosen FC Zürich.
(Photo by TOM GOYVAERTS / BELGA MAG / Belga via AFP) (Photo by TOM GOYVAERTS/BELGA MAG/AFP via Getty Images)