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·8. Februar 2023
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Spotlight | Während der FC Barcelona im Meisterschaftskampf plötzlich klar obenauf ist, tragen sich in Valencia und Villarreal gewöhnliche Dinge zu.
In „A La Liga“ thematisiert 90PLUS-Redakteur Michael Bojkov die Brennpunkte des spanischen Fußballs. Das Format erscheint im zweiwöchigen Rhythmus.
Richtungswechsel im spanischen Titelrennen. Bis zur Winterpause bewegten sich Real Madrid und der FC Barcelona im Gleichschritt an der Spitze, doch während Barça weiter marschiert, beginnt der königliche Motor zu stottern. Zuletzt verloren die Blancos 0:1 im Son Moix – die erste Niederlage auf Mallorca seit 2007. Real fand zu keinem Zeitpunkt ins eigene Spiel, ohne Luka Modric (37) und Toni Kroos (33) fehlte es an Struktur und Kreation. Unabhängig vom Personal ist die Mannschaft eigentlich dafür bekannt, in den entscheidenden Momenten da zu sein und so auch schwierige Spiele stets für sich entscheiden zu können. Dass man sich eben doch nicht immer auf magische Momente verlassen kann, zeigte dieses Spiel. Am Ende hatte es einfach nicht sein sollen.
Doch die Niederlage beim Tabellenzehnten in La Liga war nicht der einzige Punktverlust in den letzten Wochen. Beim torlosen Remis gegen Real Sociedad kam ein Faktor zum Tragen, der sonst nur selten ein Problem bei den Königlichen darstellt: mangelnde Effizienz vor dem gegnerischen Tor. So scheiterte man gleich mehrfach aussichtsreich an einem hervorragend aufgelegten Alex Remiro (27) im Kasten der Basken. Im Gastspiel in Villarreal (1:2) ließ man sich derweil gegen stark aufspielende Hausherren in nahezu allen Belangen den Schneid abkaufen.
(Photo by Denis Doyle/Getty Images)
Es hat verschiedene Gründe, warum die Königlichen nur zwei ihrer letzten fünf Partien in La Liga siegreich gestaltet konnten. Es wäre überzogen, von tiefergreifenden Problemen zu sprechen, aber Fakt ist: Anders als etwa in der vergangenen Saison, schmerzen Punktverluste in der laufenden Spielzeit. Barça ist wieder ein ernstzunehmender Konkurrent um die Meisterschaft – und mehr als das. Die Katalanen spielen zwar nicht immer die Sterne vom Himmel, aber gewinnen ihre Spiele, und das konstant wie kaum eine andere Mannschaft in Europa.
Nach dem 1:1 im Stadtderby gegen Espanyol zum Jahresauftakt konnte Barça fünf Spiele in Serie gewinnen und ihren Punktevorsprung in La Liga auf acht Punkte ausbauen. Zum ersten Mal in der laufenden Saison zeichnet sich eine deutliche Tendenz an der Tabellenspitze ab.
Es ist mal wieder soweit: Der FC Valencia entlässt seinen Trainer. Mit nur einem Punkt aus den letzten vier Spielen musste Gennaro Gattuso (45) nach 213 Tagen im Amt seinen Hut nehmen. Vereinzelt waren positive Ansätze erkennbar, die Gesamtrechnung ging aber nicht auf. Unter anderem hatte man mit 20 Punkten neun weniger auf dem Konto als nach der Expected-Points-Statistik (understat.com) zu erwarten gewesen wäre – die größte Differenz in La Liga. Statt Europapokal-Ambitionen oder zumindest mal dem gesicherten Mittelfeld heißt die neue Realität in Valencia Abstiegskampf.
In sportlicher Hinsicht mag die Entlassung Gattusos zwar durchaus ihre berechtigten Gründe finden, die Probleme in Valencia sind aber tiefergreifend. Protagonist des seit Jahren anhaltenden Abwärtstrends ist Klubeigentümer Peter Lim (69), der nicht nur regelmäßig für wirre Personalentscheidungen sorgt, sondern sich auch seit Jahren weigert, das Portemonnaie zu öffnen, um bitter notwendige Investitionen in den Kader zu tätigen.
Medienberichten zufolge fühlte sich Gattuso – genau wie viele seiner Vorgänger – von den Bossen im Stich gelassen. Es ist also davon auszugehen, dass der Anfang vom Ende zwischen Gattuso und dem FC Valencia auf einen viel früheren Zeitpunkt zurückzuführen ist. In den Vereinsannalen steht nun ein weiterer Trainer, dem falsche Versprechen gegeben wurden – und der vierte Übungsleiter in Serie, der nicht länger als eine Saison unter den Dächern des Mestallas überlebte. Der letzte Mann, der auf eine längerfristige Anstellung bei den Fledermäusen zurückblickt, ist Marcelinho (47). Er verlieh der Mannschaft ein Gesicht und feierte Erfolge, trotzdem musste er im September 2019 seine Koffer packen.
Seither vermeldete der Klub vier weitere Trainerentlassungen. Bis auf Weiteres übernimmt nun der ewige Interimstrainer Voro (59) – zum insgesamt achten Mal. Bezeichnend auch: Mit 46 Spielen hat er die drittmeisten aller Valencia-Trainer der letzten zehn Jahren. Nun stellt sich die Frage nach der Nachfolge. Vielleicht sollte es im Sinne aller Beteiligten ein Trainer werden, der sich gerne auf aussichtslose Experimente mit machthaberischen Milliardären einlässt und seine langfristige Zukunft nicht unbedingt in Valencia sieht.
Am vergangenen Samstag gewann der FC Elche 3:1 gegen Villarreal. Das Endergebnis: überraschend, und zugleich doch so vorhersehbar. Für Elche war es der erste Sieg im 20. Saisonspiel. Man konnte aber zumindest erahnen, dass der Tabellenletzte – sollte er in der laufenden Spielzeit überhaupt einen Dreier feiern – diesen ausgerechnet gegen Villarreal einfahren wird. Das Gelbe U-Boot ist nämlich die vielleicht wankelmütigste Mannschaft der Liga. Bei keinem anderen Team wechseln sich starke und schwache Darbietungen derart munter ab wie beim Europa-League-Sieger von 2021.
In Elche hatte man 72 Prozent Ballbesitz, aber die akut abstiegsbedrohten Hausherren investierten mehr und hatten die besseren Tormöglichkeiten. Am Ende gewannen die Franjiverdes durch drei Tore von Pere Milla (30). Der Linksaußen erzielte erst den zweiten Dreierpack überhaupt in der laufenden La-Liga-Saison. Wie es der Zufall so will, wurde der erste Hattrick am Vorabend erzielt, Täter war Oihan Sancet (22) bei Athletics 4:1-Sieg über Cadiz.
Nun aber zurück zu Villarreal, deren durchwachsener Auftritt im Estadio Martinez Valero beileibe nicht der einzige in den letzten Wochen war. Fünf Tage zuvor unterlag man zu Hause Rayo Vallecano (0:1). Auch da hatte der aktuelle Tabellensechste viel leeren Ballbesitz (62 Prozent), auch da kam er zu selten gefährlich vor das gegnerische Tor und musste gegen einen effizienten Gegner den Kürzeren ziehen. Beim 1:1 in Vigo kam man sogar nur auf einen Expected-Goals-Wert von 0,14 (SofaScore). Dahingegen erzielte man beim 2:1-Sieg gegen Girona einen xG-Wert von 2,48, gegen Meister Real Madrid waren es sogar ganze drei zu erwartende Tore. All das unterstreicht die extremen Leistungsschwankungen, die man in Villarreal mittlerweile seit Jahren gewohnt ist.
Klar ist die aktuelle Wankelmütigkeit auch auf den Trainerwechsel zurückzuführen. Schließlich musste sich die Mannschaft nach dem plötzlichen Abgang von Unai Emery (51) auf Quique Setien (64) umstellen, der einen völlig anderen Fußball spielen lässt. Aber auch unter dem neuen Übungsleiter gab es immer wieder starke Leistungen – exemplarisch der fulminante 2:1-Sieg gegen Real Madrid zu Beginn des Jahres –, denen ein unerklärlicher spielerischer Einbruch in der nächsten Partie folgte. Villarreal ist konstant inkonstant, und dabei scheint es auch zu bleiben. Immerhin: Bis zu den Champions-League-Plätzen sind es aktuell nur vier Punkte. Das Konkurrenzfeld, bestehend unter anderem aus Atletico und Betis, ist aber groß, folglich wären konstante Leistungen wichtiger denn je.
(Photo by David Ramos/Getty Images)
Text von Michael Bojkov