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·1. August 2023

50 Jahre Parkstadion: Ein ganz besonderer Duft

Artikelbild:50 Jahre Parkstadion: Ein ganz besonderer Duft

„Die Erbsensuppe mit Bockwurst war das Höchste der Gefühle“, schwärmt ein gewisser Olaf Thon noch heute, wenn er an das Parkstadion denkt. Doch auch er selbst hat die Historie dieses Bauwerks mit so einigen emotionalen Höhepunkten gewürzt.

Den leckeren Eintopf genießt der Junge aus Gelsenkirchen-Beckhausen, lange bevor er selbst dort unten auf dem Rasen wirbelt. Sein Platz ist erst mal auf dem Rang. „Im Block 5 ging es immer hoch her, deshalb stand ich meist in Block 2 oder 3“, und das wie der heute 57-Jährige verschmitzt verrät, „obwohl mein Herz bekanntermaßen damals ein wenig für die Bayern schlug.“ Das hatte zum einen mit einer Art Rebellion zu tun: „Um mich herum waren alle Schalker.“ Der zweite Grund hatte einen Namen: Gerd Müller. Aber Zeiten ändern sich – glücklicherweise.


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Was sich allerdings auch geändert hat, sind die Zugangsmöglichkeiten ins Stadion. „Für umme“ kommt man heute nicht mehr rein, damals schon – gewusst wie: „In Begleitung eines Erwachsenen durfte ich als Steppke umsonst ins Parkstadion, in der Halbzeit wurden dann sogar alle Zuschauer unentgeltlich eingelassen; natürlich nur, wenn es nicht ausverkauft war, aber das kam so gut wie nie vor.“ Im Gegenteil, viele von Thons Kollegen schreiben dem WM-Oval nicht die schmeichelhaftesten Attribute zu: kalt, zugig und meist recht leer.

Auch Thon gesteht in der Rückschau ein: „Irgendwann wurde einem doch bewusst, dass es schönere Stadien gibt, beispielsweise auf dem Bökelberg oder in der Nachbarschaft.“ Doch anfangs bemerkt er das kaum: Er lebt seinen Traum. Als Chef-Trainer Diethelm Ferner ihn, Michael Skibbe und noch zwei weitere junge Spieler ins Trainingslager nach Beckum zitiert, geschieht das eigentlich, um das Training mit weiteren Akteuren aufzufüllen. Doch am ersten Spieltag der Saison 1983/1984 debütiert der 17-Jährige in der Zweiten Bundesliga gegen den SC Charlottenburg. Im Tor des Gegners ebenfalls ein Youngster: Keeper Andy Köpke, der wie Thon 1990 den Weltmeistertitel in Italien feiern wird. „Wir waren heilfroh, dass wir überhaupt in der Zweiten Liga zum Einsatz kamen, keiner von uns beiden hat auch nur ansatzweise zu träumen gewagt, wo unsere Wege uns einmal hinführen werden.“ Schon in seiner ersten Spielzeit bestreitet das Knappen-Talent alle 38 Zweitliga-Spiele, erzielt 14 Tore und ist maßgeblich am Wiederaufstieg in die Beletage beteiligt.

Bereits zum Ende dieser ersten Profi-Saison erlebt der dann 18-Jährige sein persönliches Highlight. Trotz aller Erfolge, die er mit dem S04, dem FC Bayern München sowie mit der Nationalmannschaft während seiner beeindruckenden Laufbahn feiert, ist es insbesondere eine Partie, die er als „das Spiel meiner Karriere“ bezeichnet. DFB-Pokal-Halbfinale 1984 gegen den FC Bayern München, das mit einem spektakulären 6:6 nach Verlängerung endet. Eine prägende Erinnerung, eng verknüpft mit der Spielstätte. Doch es gibt viele weitere: „Ich habe dort wirklich alles erlebt: Nebelspiele, Abstieg, Aufstieg, den 6:1-Sieg im Derby, bei dem alle Schalker Tore in der zweiten Halbzeit fielen. Zwei davon durfte ich beisteuern.“

Freudig, traurig, meist dramatisch, so wie nach einer Niederlage der Abstiegssaison 1987/1988. „Wir standen mit der ganzen Mannschaft enttäuscht vor der Kurve. Um uns bei unseren Fans zu bedanken, schmissen wir die Trikots in die Menge.“ Doch die Leibchen fliegen postwendend zurück – der Frust sitzt auch bei den Zuschauern tief. „Wenn dir eine solche Ablehnung entgegenschlägt, das macht schon was mit dir“, gibt Thon zu. All diese großen und kleinen Geschichten enden 2001 zum Abschied der „Betonschüssel“ in einem dramatischen Schlussakkord, den auch der Mittelfeldspieler nie vergessen wird: „Unsere Vier-Minuten-Meisterschaft.“ Tatort: Parkstadion.

Aber es sind weit mehr als die Spiele, die ihm einfallen: „Ob schön oder nicht, dieses Stadion hatte viele Besonderheiten.“ Bedingt durch den Bergbau entsteht ein Gefälle in Richtung der Nordkurve, zudem ist der Boden extrem weich. „Einen Vorteil brachte das nicht, der Unterschied war so deutlich, dass es eigentlich jeder sofort bemerkt hat, außerdem hat es meist ungeheuer gezogen.“

Doch der 1973 eingeweihte Neubau bringt auch einige Vorteile, so verfügt die Mannschaftskabine über ein Entmüdungsbecken, das mit 4 x 8 Metern recht groß ist. „Jiri Nemec und ich saßen nach den Spielen meist am längsten drin. Spätestens beim zweiten Bier sagte Jiri dann: „Olaf, du weißt ja, bitte übernimm‘ …“ Der schweigsame Tscheche meint die hartnäckig wartenden Journalisten vor dem Kabineneingang, deren Interviewfragen er nur zu gerne umkurven will. Eine Sauna gibt’s auch: „Sonntags haben wir sie oft gemeinsam mit Rudi Assauer besucht. Der brachte immer eine riesige Dogge mit, die sich brav hinlegte und geduldig auf ihn wartete.“ Einmal fehlt der Saunalöffel zum Aufguss, doch der Manager – als Schlitzohr bekannt – greift zur Alternative, wie Thon lachend bestätigt: „Er hat einfach meinen Schuh zweckentfremdet.“

Der 57-Jährige erinnert sich an weitere bauliche Highlights: „Es gab diesen sagenumwobenen und mit Teppich ausgelegten Palisanderraum, in dem scheinbar nur die prominentesten Gäste Zutritt hatten.“ Die Mannschaft selbst trifft sich nach getaner Arbeit immer im Blauen Salon, später zieht sie in die erweiterte alte Geschäftsstelle mit der markanten Fußballkuppel. „Dort fanden wir uns nach den Spielen zum gemeinsamen Essen ein. Doch egal wie das Ergebnis ausfiel, wir mussten vom Parkstadion aus immer zu Fuß durch die Menschenmenge.“ Nicht jedes Mal vergnügungssteuerpflichtig, kann man sich denken. „Nach einer Niederlage wurden wir einmal mit Autos rübergefahren. Das gab ein ziemliches Theater.“ Deshalb dürfen sie den Rückweg wieder per pedes antreten. Dafür aber mit dem Duft der weltbesten Erbsensuppe in der Nase …

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