1. FC Nürnberg – FC St. Pauli 0:1 – Grausam schön | OneFootball

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·30. Januar 2023

1. FC Nürnberg – FC St. Pauli 0:1 – Grausam schön

Artikelbild:1. FC Nürnberg – FC St. Pauli 0:1 – Grausam schön

Der FC St. Pauli gewinnt beim 1. FC Nürnberg den Rückrundenauftakt und damit das erste Auswärtsspiel seit fast einem Jahr. Das Zustandekommen war dabei durchaus glücklich, interessiert aber vorerst niemanden.(Titelbild: Peter Böhmer)

Die Erleichterung war im Anschluss allen anzumerken, die es mit dem FC St. Pauli halten. Endlich wieder auswärts gewonnen, das glückliche Zustandekommen ist dabei erstmal egal. Aber das bedeutet nicht, dass die Spieler auf dem Platz nicht alles für die drei Punkte gegeben hätten. Es war ein hartes Stück Arbeit und es ist sehr erfreulich, dass auch der FCSP in dieser Saison mal ein Spiel gewinnt, in dem sie a) nicht das bessere Team waren und b) es aufgrund der defensiven Stabilität gewonnen haben.


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Die Aufstellung

Bereits am Samstag machte die Nachricht die Runde, dass Eric Smith in Nürnberg fehlen wird, da er krank ist (Gute Besserung auf diesem Wege!). Wie sehr mich diese Nachricht umgehauen hat? Nun, ich zitiere aus unserem Artikel unter der Woche zur vermuteten Aufstellung des FC St. Pauli: „Smith ist in der neuen Formation aufgrund seiner Stärken im Passspiel wohl aktuell der wichtigste Spieler, wenn man denn jemanden herausheben möchte.“ Immerhin: Für Smith kam Jakov Medić in die Startelf, was bedeutete, dass das Level immer noch sehr hoch war. Allerdings wog die fehlende Qualität im Passspiel schon ziemlich schwer.

Auch der 1. FC Nürnberg hat einen Sechser in seinen Reihen, der nun in die Innenverteidigung gewechselt ist: Johannes Geis startete neben Schindler in der letzten Reihe. In den Testspielen hatte er das bereits teilweise getan und durfte nun anstelle von Sadik Fofana starten. Geis überzeugte vor allem in der ersten Halbzeit mit vielversprechenden Ballgewinnen in der Vorwärtsverteidigung.

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Formationen beim Spiel 1. FC Nürnberg gegen den FC St. Pauli.

links: Aufbauspiel des FCN; rechts: Aufbauspiel des FCSP

Hürzelers Prophezeiung

Vor dem Spiel hatte Fabian Hürzeler ziemlich genau vorhergesagt, wie der FCN gegen den Ball agiert („Sie spielen sehr mannorientiert, speziell in der letzten Linie“). Und es war fast exakt so auf dem Feld zu sehen: Die Nürnberger agierten sehr mannorientiert, spiegelten dabei die Formation des FC St. Pauli. Wenn die FCSP-Abwehr den Ball hatte, dann gesellte sich Mats Møller Dæhli auf eine Höhe zu den beiden Angreifern Daferner und Duah und so stellte der FCN jeweils einen direkten Gegenspieler für die FCSP-Innenverteidiger. Dahinter orientierten sich Flick und Tempelmann klar an der FCSP-Doppelsechs bestehend aus Irvine und Hartel. Die hinteren fünf Spieler des FCSP hatten also jeweils einen direkten Gegenspieler.

Was dahinter passierte, prophezeite Hürzeler ebenfalls: „Ich glaube, dass Castrop sich immer wieder in die Kette reinfallen lässt, wenn wir ihn hoch binden (…)“. Da der FC St. Pauli mit seinen beiden Schienenspielern Paqarada und Saliakas sehr weit hoch schob, wäre die Viererkette vom FCN nominell in Unterzahl gewesen, wenn Castrop nicht den Weg von Paqarada mitgegangen wäre. Die Spiegelung der Formation des FCSP war damit komplett. Und sie sorgte für Probleme der Gäste.

Spiegelung tötet Spielfluss

Obwohl also dieses Defensivverhalten des FCN von Hürzeler und seinem Team genauso erwartet wurde, tat sich der FC St. Pauli richtig schwer im eigenen Aufbauspiel. Besonders in den ersten 20 Minuten agierte man zu statisch auf dem Feld, unter anderem auf der Sechserposition. Jackson Irvine und Marcel Hartel versuchten sich anfangs oft tief zu lösen, indem sie sich gen eigenes Tor bewegten. Da ihre Gegenspieler diese Wege mitgegangen sind, eröffneten sich dahinter, also vor der Nürnberger Fünferkette, Räume. Das ist eigentlich ziemlich ideal. Doch der FCN verteidigte aus der Fünferkette heraus sehr stark nach vorne, lief die Räume gut zu und konnte so einige Bälle in für sie vielversprechenden Zonen gewinnen.

Doch nicht nur in diesen Umschaltmomenten gelang es dem FCN gefährlich für den FCSP zu werden. Das eigene Aufbauspiel war zwar recht uninspiriert, aber musste zumindest in der ersten Halbzeit auch nicht viel kreativer sein, als auf lange Bälle zu setzen. Bei Nürnberger Ballbesitz ließ sich David Otto in den Sechserraum fallen, die offensiven Außen (Metcalfe und Daschner) liefen die beiden Innenverteidiger an. Sehr oft reagierten die Innenverteidiger auf diesen Druck einfach mit langen und hohen Bällen, die kurz vor die Fünferkette des FCSP auf den dort postierten kopfballstarken Daferner flogen.

Ein dann also doch recht simples Spiel auf zweite Bälle – we call it a Klassiker in der 2. Bundesliga! Zwar kam der FCN damit häufiger in der gegnerischen Hälfte in Ballbesitz und hatte gute Situationen, allerdings spielten sie diese auch ziemlich oft in der Folge schwach aus.

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Jakov Medić und Leart Paqarada jubeln nach dem Treffer zum 1:0.

Mutlose Offensivbemühungen

So hatte der FC St. Pauli trotz des Wissens um die Nürnberger Spielweise in der ersten Halbzeit doch einige Probleme. Weil defensiv der Zugriff auf die zweiten Bälle vor der Kette fehlte und offensiv sehr wenig zusammenlief. Lösungen im Aufbauspiel präsentierte der FCSP nur selten, zu Beginn fast gar nicht. Entsprechende Worte fand auch Hürzeler nach dem Spiel: „Mit dem Ball fand ich meine Mannschaft zu passiv und zu mutlos.“

Und wenn so ein Spiel so gar nicht für dich läuft, dann braucht es halt auch mal eine Standardsituation. Eine kurz ausgeführte Ecke brachte die Führung für den FC St. Pauli und sie muss als ziemlich glücklich bezeichnet werden. An den Flanken von Leart Paqarada werde ich mich jetzt noch die Rückrunde erfreuen und ab dann sehnsüchtig zuschauen, wie er sie woanders schlägt.

Zum Zeitpunkt des Führungstreffers gab es aber auch schon erste Versuche die Mannorientierung der Nürnberger zu umgehen. Hartel bewegte sich etwa ab Spielminute 20 im Ballbesitz oft mit auf die linke Außenbahn. Diesen Weg gingen seine Gegenspieler nicht immer mit, sodass der FCSP auf der Seite eine Überzahl generieren konnte. Zu mutlos im Passspiel blieb das Team aber trotzdem. Zu wenig Agilität und Versuche sich der Mannorientierung zu entziehen, gab es auch.

Umstellung mit Irvine?

Zerfahren ist dann wohl der Begriff, der am besten zu den zweiten 45 Minuten passt. In der zweiten Halbzeit veränderte sich das Spiel dann aber deutlich. Der FCN tat sich wesentlich schwerer gefährlich im letzten Drittel des FCSP aufzutauchen. Ich bin nicht ganz sicher, die Situationen waren oft chaotisch, aber ich glaube, dass Jackson Irvine nun etwas tiefer agierte und der FCSP so die langen Bälle auf Daferner besser kontrollieren konnte. Auch die weiteren Bemühungen des FCN hatte die FCSP-Defensive mit sehr disziplinierter Arbeit gut im Griff. Diese Stabilität überzeugte und es gab in der zweiten Halbzeit eigentlich fast keine Phase in der mich das bekannte „Wir betteln um das Gegentor“-Gefühl beschlich.

Was aber auch in der zweiten Halbzeit nur ganz selten überzeugen konnte, waren die Offensivbemühungen des FC St. Pauli. Weiterhin agierte das Team mutlos, spielte nicht auf den zweiten Treffer. Das machte das ohnehin bereits nicht schöne Spiel ziemlich unattraktiv. Aber darum ging es angesichts der Tabellensituation auch einfach nicht. Und so kann man dem doch recht gruseligen Treiben in der zweiten Hälfte doch was Positives abgewinnen: Die Spieler des FCSP blieben enorm griffig und diszipliniert in der Defensivarbeit. Das war gut.

Den offensiven Lichtblick (der defensive heißt Karol Mets) gab es dann aus meiner Sicht mit der Einwechslung von Dapo Afolayan (der für den anscheinend angeschlagenen Connor Metcalfe kam – hoffentlich ist das nichts Ernstes). Afolayan zeigte sofort wie gefährlich er für gegnerische Abwehrreihen mit seinen Dribblings, Pässen und Abschlüssen sein kann und dass er damit das Offensivspiel des FCSP bereichert. Ich bin sehr gespannt, wie das in den nächsten Spielen werden wird.

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Dapo Afolayan hinterließ einen guten Eindruck in seinem Debüt für den FC St. Pauli.

(c) Peter Boehmer

Arbeit nötig

Der FC St. Pauli gewinnt also nach einer gefühlten Ewigkeit wieder ein Auswärtsspiel. Überzeugend war dabei, dass es dem Team gelang einen knappen Vorsprung über die Zeit zu bringen. Das war aber auch nötig, da die offensiven Abläufe nicht sitzen. Das Team war enorm ungefährlich. Genau dieser Trend – defensiv stabil, offensiv ohne Durchschlagskraft – war schon aufgrund der letzten Testspiele zu erwarten. Umso positiver ist es, dass sich da nun wirklich die erhoffte defensive Stabilität eingestellt hat.

Ich möchte aber ehrlich gesagt gar nicht darüber nachdenken, wie man die Leistung bewerten würde, wenn sich der FCSP noch ein Gegentor gefangen hätte. Denn trotz der Freude darüber, dass es keines gab: Der 1. FC Nürnberg stellte in der Hinrunde die schlechteste Offensive der Liga und das Spiel hat gezeigt, dass sich daran wohl auch in der Rückrunde wenig bis gar nichts ändern dürfte. Auf den FC St. Pauli warten also sicher größere Herausforderungen in den nächsten Spielen, in denen dann auch offensiv mehr zusammenpassen muss. Ein Auswärtssieg ohne Gegentor, der erste seit Februar 2022, stellt aber eine ziemlich gute Grundlage für die Arbeit beim FC St. Pauli dar.// Tim

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