"Wieder dieselben Fehler - und keiner reagiert" - Die EM-Kolumne von Verena Schweers | OneFootball

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·14 de julho de 2025

"Wieder dieselben Fehler - und keiner reagiert" - Die EM-Kolumne von Verena Schweers

Imagem do artigo:"Wieder dieselben Fehler - und keiner reagiert" - Die EM-Kolumne von Verena Schweers

Es waren genau zwölf Minuten, gute zwölf Minuten, in denen ich und sicher alle deutschen Fußballfans das Gefühl bekommen haben: Heute wird ein gutes Spiel. Die DFB-Frauen begannen stark gegen Schweden mit klaren Pässen, hohem Pressing und viel Zielstrebigkeit. Die beste Phase in den bisherigen drei Spielen. Schweden hatte in dieser Phase keinen Zugriff, weil sie von Deutschland in die Defensive gedrängt wurden.

Genau das, was ich mir von einer deutschen Mannschaft in dem wichtigen Spiel um den Gruppensieg erhofft habe. Wäre in dieser Phase ein zweites Tor gefallen, hätte das Spiel vielleicht eine andere Richtung genommen. Aber auch das ist typisch für diese Mannschaft bei diesem Turnier und, wie ich beobachte, auch schon seit längerem: Torchancen sind da, aber die Effizienz fehlt.


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Einbruch nach dem Ausgleich und altbekannte Probleme

So folgte früh der Bruch und hier ist wichtig zu erwähnen: herbeigeführt durch besser werdende Schwedinnen. In der Phase ein überraschender Ausgleich, der aber alle Schwächen unserer Defensive in einem Spielzug offenbart. Ein Konter, bei dem der Abwehrversuch zur Mitte geklärt ist, ein Ball in die Tiefe - Tor. Das ging dem deutschen Team viel zu schnell und die Schwedinnen wussten spätestens jetzt, wie anfällig Deutschland ist, wenn es schnell geht.

Das konnten wir bisher schon mehrfach im Turnier beobachten. Auch Torhüterin Ann-Katrin Berger machte nach der vermeintlichen "Aussprache" mit Wück leider keinen sicheren Eindruck. Sie ist stark in das deutsche Aufbauspiel integriert, strahlte gegen Schweden aber nicht immer die Ruhe und Sicherheit aus, die man von ihr gewohnt ist. Es fehlt die Kompaktheit im ganzen Verbund, die dem ganzen Spiel wieder mehr Stabilität verleihen würde.

Ab diesem Ausgleich war von der anfänglichen Kontrolle nichts mehr zu sehen. Deutschland verlor komplett die Ordnung. Schweden übernahm das Spiel und zeigten den DFB-Frauen in dreißig Minuten bis zur Halbzeit ihre Grenzen auf. Sie kamen schnell über die Außen und nutzten dort meist ihre Überzahl aus. Vor allem aber im Zentrum hatten die Spielerinnen viel zu viel Platz zur eigenen Entfaltung. Deutschland fand keine Mittel, um Schwedens Offensivpower zu stoppen. Hier frage ich mich schon, wo der Impuls von der Trainerbank blieb.

Plan A reicht nicht und Plan B fehlt

Denn nicht nur der Auftritt auf dem Platz, sondern auch das taktische Verhalten von der Trainerbank enttäuschten mich. Es wurde nicht reagiert, keinerlei taktische Anpassungen waren zu sehen. Dass Kapitänin Janina Minge nach dem Spiel sagt, sie hätten "nicht gewusst, wie wir es machen sollen", wirft Fragen auf. In einem so wichtigen Spiel muss das Trainerteam in der Lage sein, frühzeitig zu justieren, Alternativen aufzuzeigen und Lösungen mitgeben.

Kritikwürdig sind auch die Aussagen von Trainer Christian Wück, der weiterhin von einer stabilen Defensive spricht. Diese Einschätzung kann ich nach meinen bisherigen Eindrücken nicht teilen. Immer dann, wenn das Tempo erhöht wird oder der Gegner taktisch umstellt, bekommt Deutschland erhebliche Probleme. Gerade gegen die starken Außen Schwedens wurde das deutlich, aber auch gegen Polen und Dänemark habe ich diese Schwächen gesehen. Die Probleme sind nicht neu und sie werden natürlich immer gravierender, je stärker die Gegnerinnen werden.

Viele sehen die Rote Karte gegen Wamser als spielentscheidend. Ich bin da anderer Meinung: Sie war unglücklich, ja und mit einer Spielerin weniger ist es auf diesem Niveau auch schwer, aber der Bruch im Spiel kam deutlich früher. Bitter ist die Sperre dennoch, denn Wamser war bis dahin eine der auffälligsten Spielerinnen. Tor vorbereitet, mutig mit viel Spielfreude und offensiver Initiative. Ihre Qualität sollte aber durch unseren Kader ersetzbar sein.

Der Blick auf Frankreich

Das Gute ist, jetzt steht das Viertelfinale an und das Team hat eine ganze Woche Vorbereitungszeit. Schlecht ist, durch das Verpassen des Gruppensiegs ist Deutschland noch mal in der schwereren Hälfte des Turnierbaums gelandet. Nach einem hoffentlich positiven Spiel gegen Frankreich würde ziemlich sicher Spanien (Viertelfinale gegen Gastgeber Schweiz) warten, zwei absolute Gradmesser.

Klar ist: Mit der bisherigen Leistung wird Deutschland am Wochenende große Probleme bekommen und ich lege mich fest, so haben wir gegen dieses Frankreich keine Chance. Das Spiel der Französinnen gegen Holland gestern Abend wurde in der zweiten Halbzeit mit einer Wucht gedreht, die seines Gleichen sucht. Es braucht dringend taktische Anpassungen in der Startelf. Ich erwarte eine Umstellung auf eine Dreier-/Fünferkette, wie sie im Laufe des Spiels gegen Schweden bereits getestet wurde. Dafür würde ich unbedingt Kathy Hendrich in die Startelf holen, die am Samstagabend mit einer auffallend soliden Leistung zu den besten deutschen Spielerinnen auf dem Rasen gehörte. Die unbestrittene internationale Qualität von Sara Däbritz würde ich ebenfalls einsetzen. Aus meiner Sicht fehlt dem bisher eingesetzten Team die Erfahrung, eine klare Führungs-Hierarchie ist nicht erkennbar, aber fortan für den Erfolg essenziell.

Entscheidend wird die defensive Stabilität gegen Frankreich werden, wir müssen kompakter, auch tiefer stehen.  Nach vorne sind wir über die beiden starken Außen Bühl/Brand konkurrenzfähig und wenn das Team Lea Schüller eingesetzt bekommt, trifft sie. Die Frage ist nur, ob das Trainerteam jetzt bereit ist, klare Anpassungen vorzunehmen Das Spiel gegen Schweden war ein Rückschlag, aber mehr auch nicht. Jetzt geht das Turnier erst so richtig los und ich traue den Mädels viel mehr zu, als sie bislang gezeigt haben. Die Daumen sind gedrückt, dass die Reise nicht schon am Samstag gegen Frankreich endet.

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Verena Schweers (links) im Duell mit Leonie Maier / Alex Pantling/GettyImages

Verena Schweers ist ehemalige Bundesliga- und Nationalspielerin. Ihre Profi-Karriere startete die Abwehrspielerin beim SC Freiburg, bevor es über den VfL Wolfsburg zum FC Bayern München ging. Mit den Wölfinnen gewann Verena Schweers sowohl zwei Mal die UEFA Women's Champions League als auch die Meisterschaft. Außerdem holte sie mit dem VfL den DFB-Pokal gleich dreifach. Für die A-Nationalmannschaft absolvierte die 36-Jährige 47 Länderspiele. 2020 beendete Verena Schweers ihre Karriere im Alter von 31 Jahren.

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