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Simon Schmidt·07 de janeiro de 2024
🤔 Wie konnte das passieren? Ein Rekordmeister steigt nach Titelgewinn ab

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Simon Schmidt·07 de janeiro de 2024
Vor rund fünfzig Jahren sah die deutsche Fußballwelt noch ganz anders aus. Als die Bundesliga 1963 gegründet wurde, hieß der Rekordmeister nämlich nicht FC Bayern, sondern 1. FC Nürnberg. Zwar hatte der Club seine Blütezeit Anfang der zwanziger Jahre damals schon länger hinter sich, hielt mit acht Titeln aber immer noch den Rekord für die meisten deutschen Meisterschaften.
1968 kam dann sogar noch der neunte Titel dazu, sodass die Franken den Gang in die zweite Liga ein Jahr später als gesicherter Rekordmeister antreten konnten. Moment mal, zweite Liga? Ja, ganz richtig, 1969 stieg der Club als Vorjahresmeister aus der Bundesliga ab. Wie also konnte es passieren, dass ein amtierender Titelträger, noch dazu der Rekordhalter des Wettbewerbs, plötzlich abstieg?
Das vorweg: Nicht nur der folgende Abstieg, sondern auch die neunte Meisterschaft an sich war überraschend. Denn in der Saison zuvor hatte Trainer Max Merkel die Nürnberger in allerletzter Sekunde noch vor dem Abstieg gerettet. Zu Beginn der Saison galten deshalb andere Vereine wie Braunschweig, 1860 München, der FC Bayern oder Eintracht Frankfurt als Favoriten.
Merkel jedenfalls reagierte auf den Beinahe-Abstieg mit dem, was man heute als Kaderumbruch bezeichnet. Der Nürnberger Trainer gab vor der Saison elf Spieler ab, lockte dafür aber auch sechs Neuzugänge zum Club, darunter den Jugoslawen Gustl Starek von Rapid Wien. Während eines zweiwöchigen Trainingslagers trimmten Merkel und sein Trainerteam die Mannschaft auf Erfolgskurs. „Das war die härteste Vorbereitung, die ich je erlebt habe. Dreimal am Tag haben wir trainiert, und ich dachte manchmal, das halte ich nicht durch“, erinnerte sich damals Torjäger Franz Brungs.
Topfit starteten die rundum veränderten Nürnberger in die fünfte Bundesliga-Saison. Schon nach den ersten Spielen hatte Merkel aus dem auf Jahrzehnte hin kleinsten Kader der Bundesliga eine Stammformation gebastelt, in der besonders die Offensive herausstach. Die Stürmer Franz Brungs und Heinz Strehl erzielten zusammen 43 der insgesamt 71 Tore des FCN.
Genau der gleiche Ansatz sollte im Folgejahr allerdings scheitern. Merkel gab wie schon in der Meistersaison viele Spieler ab, vergraulte dabei aber vor allem auch Teile seiner so erfolgreichen Offensive. Mit Starek und Brungs, der mit 25 Toren maßgeblichen Anteil am Meistertitel hatte, wurden zwei wichtige Offensivakteure abgegeben. Letztlich verließen elf Spieler den Club, dreizehn neue kamen und die Mannschaft erhielt ein vollkommen neues Gesicht.
Merkels erneuter Umbruch sollte sich rächen, denn nur vier der Neuzugänge konnten sich in der Mannschaft etablierten. Bei sich selbst sah Merkel dabei aber keine Schuld. Wie in der Saison zuvor führte er eine brutale Vorbereitung mit Höhentraining auf 2.500 Metern durch und seine Spieler auch verbal hart ran. Über Srdjan Cebinac sagte er beispielsweise: „Wenn ich mir vorstelle, was er gekostet hat und wieviel Tore Cebinac schießt – da ist Pelé direkt billig.“ Aussagen, mit denen er sich angreifbar machte.
Den Saisonstart verpennte die neu zusammengestellte Mannschaft dann komplett, was Merkel, obwohl ja eben vor allem viele neue Spieler dabei waren, auf den Vorjahrestitel zurückführte: „Das ist der Fluch der Meisterschaft. Meine Spieler haben zu viel Geld verdient und jetzt denken sie mehr an ihre Geschäfte als an Fußball“, befand der Meistertrainer. Am 18. Spieltag stand Nürnberg auf dem letzten Tabellenplatz, was Merkel wiederum aber nicht den Ernst der Lage begreifen ließ. Viel mehr tönte er gar, dass er, wenn der Club absteige, gratis arbeiten und ihn wieder zurück in die Bundesliga führen würde.
Wahr wurde leider nur der Nürnberger Abstieg. Nach 27 Spielen trat Merkel zurück, um für 120.000 DM Jahresgehalt nach Sevilla zu gehen. Das ganze Theater von und rund um Merkel hinterließ auch bei den Spielern viel Unmut. Viele Profis litten unter massiven Motivationsproblemen, auch eine vom Präsidenten ausgelobte Nicht-Abstiegsprämie konnte den Gang in Liga zwei nicht verhindern. Am vorletzten Spieltag wurde der Abstieg Nürnbergs dann schließlich beim Kellerduell gegen Köln besiegelt – als 17. musste der Vorjahresmeister das deutsche Oberhaus verlassen.
Bis heute gilt Nürnbergs Abstieg als Meister, neben Kaiserslauterns Meisterschaft als Aufsteiger 1998, als eine der größten Sensationen der Bundesligageschichte. Ein Kunststück, dass seitdem keinem anderen Klub gelang. Für den Wiederaufstieg brauchte der 1. FC Nürnberg übrigens ganze zehn Spielzeiten. In den folgenden Jahrzehnten wurde aus dem Rekordmeister eine Rekordfahrstuhlmannschaft.