Vertikalpass
·11 de novembro de 2024
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·11 de novembro de 2024
Sebastian Hoeneß lag mehr auf der Trainerbank als dass er saß. Sein Blick leer. Seine Augen wässrig. Er hatte einen Freak-Spielverlauf gesehen. Freak-Tore. Ein Freak-Spielende. Er konnte es nicht fassen, dass der VAR in der 98. Minute das 3:3 von Chris Führich aufgrund einer Abseitsstellung zurücknahm. „Ich denke, wir hätten es schon verdient“, meinte der VfB-Trainer.
Wenn meine Mutter zu lange auf einen Termin bei einem Arzt warten muss oder beim Penny sich ihr Lieblings-Käse wieder mal in einem anderen Regal befindet, dann nennt sie das „unerfreulich“. Über Jahre begrüßte sie mich mit „unerfreulich“, wenn der VfB mal wieder verloren hatte und sie dies im Videotext gelesen hatte. Zuletzt schwieg sie meist wegen der VfB-Spiele (“nix g’sagt isch g’nug g’lobt!“), aber das 0:4 gegen Bayern München bezeichnete sie mal wieder als „unerfreulich“. Meine Schwiegermutter ist weniger euphemistisch. Sie sagt, was sie fühlt. Und wenn man sie fragt, wie es ihr geht, dann sagt sie gerne „beschissen“, wenn es ihr gesundheitlich schon besser ging. Ich schwanke bei der Bewertung des Spiels gegen Frankfurt zwischen „unerfreulich“ und „beschissen“.
Natürlich ist es unerfreulich, dass Omar Marmoush (ausgerechnet!) den dritten Freistoß in Folge in genau dasselbe Ecke schießt und das nicht zu verhindern ist. Beschissen ist dagegen, dass der VfB schon seinen vierten Elfmeter in Folge versemmelt. Wobei das klar war. Beim Anlauf sagte ich, dass Ermedin Demirovic in die linke Ecke zielen wird, weil er über seinen linken Fuß schießen wird. Zu oft hatte er davon erzählt. Clever ist das nicht. Die gesamte Mannschaft des VfB stellt sich immer mal wieder nicht so clever an.
Unerfreulich ist, dass der VfB das Spiel lange Zeit dominiert hat, aber keine Tore schoss. Anstatt dessen gerne Umschaltsituationen verdaddelte und die letzten Konsequenz im Abschluss vermissen ließ. Beschissen dagegen ist, dass Frankfurt aus acht Torschüssen drei Tore macht, wohingegen beim VfB bei 22 Schüssen aufs Tor überwiegend an die Latte oder in die Arme von Kevin Trapp oder gegen ein Bein eines Frankfurter Abwehrspielers geschossen wurde.
Einig waren sich alle beim VfB, dass sie ein gutes Spiel gemacht hätten. Das einzig Unerfreuliche (sic!) wäre, dass sie sich nicht belohnt hätten für den Aufwand. „An einem guten Tag mache ich wahrscheinlich meinen ersten Hattrick“, meinte Demirovic zerknirscht. Wie so oft passt die Leistung nicht zur Punkteausbeute, so der allgemeine Tenor. Ist das wirklich so?
Vor allem offensiv hatte ich viele Unzulänglichkeiten gesehen. Laufwege, die nicht passten. Pässe, die nicht ankamen. Entscheidungen, die falsch getroffen wurden. Abschlüsse aus ungefährlichen Positionen. Das dominante Spiel ist gut anzusehen, aber oft fehlt es an Konsequenz und vor allem Effizienz. Ein Muster, das sich schon durch die gesamte Saison zieht. Bisher haben wir immer gesagt: Die Mannschaft muss sich und die neuen Abläufe finden, gerade auch wegen der prominenten Abgänge. Jetzt sind zehn Spieltage absolviert plus vier Champions League Spiele und zwei Pokalrunden. 13 Punkte nach zehn Spielen sind zumindest in der Bundesliga zu wenig. Das sagt auch Sebastian Hoeneß.
Auffällig war nach dem 0:3 eine gewisse Wildheit im Spiel. Der VfB hatte merklich Wut im Bauch, ließ sich von dem Rückstand nicht runter ziehen. Die Einwechslungen von El Bilal, Nick Woltemade und Justin Diehl verstärkten das. Das hat der Mannschaft gut getan, es wirkte fast so, als wäre ihr jetzt das taktische Verhalten völlig egal. Entfesselt sah das aus, Hauptsache nach vorne, ein Tor muss her. Und dann noch eines. Und dann noch eins. Beschissen, dass es nicht geklappt hat.
Zwei Heimniederlagen hintereinander, die Heimserie in der Bundesliga gerissen, alles ziemlich unerfreulich. Beschissen ist es dagegen nicht. Weil der VfB noch alle Möglichkeiten hat in dieser Saison. Und weil der VfB einen Trainer hat, dem wir zutrauen können, dass er die richtigen Maßnahmen trifft. Der einerseits die aktuelle Situation gut einschätzen kann, andererseits aber die Zügel anziehen will: „Gegen Bochum sind wir in der Pflicht!“
Auf alle Fälle ist es ein beschissenes Gefühlt, wenn der vermeintliche Ausgleich in allerletzter Sekunde dann doch wieder kassiert wird. Irgendwie fühlt man sich betrogen. Ich lag nach der Entscheidung auch mehr als dass ich saß. Mein Blick leer. Meine Augen wässrig.
Zum Weiterlesen: Unser VertikalGIF ist sichtlich frustriert und hofft auf “Plan B: Siege gegen Bochum, Belgrad und Bremen!“ Ja ok, aber was ist mit Bern?
Die FAZ kennt sich nicht nur bei der Stuttgarter Oper aus und sieht beim 2:3 in Millot und Stiller zwei Stuttgarter Spielmacher, die sich durch eine „poröse Frankfurter Abwehr” kombinieren. Schreibt aber auch: „Wie Marmoush Spielverläufe auf den Kopf stellt, ist schiere Qualität.“
Die Süddeutsche Zeitung sieht eine “mittelschwere Ergebniskrise in der Liga, die nicht mehr wegzudiskutieren ist“.
Bild: Alex Grimm/Getty Images