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Max von Stuckrad-Barre·19 de agosto de 2023
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Max von Stuckrad-Barre·19 de agosto de 2023
Das ging jetzt doch irgendwie schnell. Vor wenigen Tagen war der Liverpool FC noch im Begriff, den neuen Rekordtransfer der Premier League offiziell zu machen, gut eine Woche später kommt statt Moisés Caicedo für 116 Millionen nun mit Wataru Endo ein Stuttgarter, der ohne Boni nicht einmal 20 kostet.
Was auf den ersten Blick so aussieht, als hätte Jürgen Klopp die eigenen Ansprüche an einen neuen Sechser per Akkuschrauber mal eben von Champions League auf Abstiegskampf zurückgeschraubt, wirkt auch auf den zweiten noch wie eine Verlegenheitslösung. Anstelle des zuletzt in Europa wohl begehrtesten Mittelfeldtalents holt man einen einen 30-Jährigen, der sich in den vergangen drei Jahren in Stuttgart vor allem mit der unteren Tabellenhälfte der Bundesliga vertraut gemacht hat.
Dass Wataru Endo ein Notfallkauf ist, liegt auch ob der Dringlichkeit des Transfers nahe. Schließlich wird in Liverpool bei der Kaderplanung gerade am offenen Herzen operiert. Während die Saison in England schon läuft, muss die Mittelfeldzentrale der Reds noch neu zusammengefügt werden. Und so eine OP ist besonders kompliziert, wenn eigentlich das ganze Herz auf einmal rausgerissen wurde.
Denn anders kann man den Sommer, den der Liverpool FC hinter sich hat, kaum beschreiben. Die Zentrale der Reds hat einen Aderlass hinnehmen müssen, der seinesgleichen sucht. Nicht nur Jordan Henderson hat den Verein verlassen, auch Fabinho und James Milner, die beide für Jürgen Klopp in den letzten Jahren, wenn auch in unterschiedlicher Weise, ganz zentrale Figuren waren, sind weg.
Was natürlich absehbar war. Es ist keineswegs so, dass diese Abgänge den Verein ganz plötzlich treffen. Schon im Winter versuchte man deshalb, sich mit der Verpflichtung von Enzo Fernández auf den Umbruch im Mittelfeld vorzubereiten. Das klappte bekanntermaßen genauso gut wie bei Caicedo: Am Deadline Day wechselte Fernández für 121 Millionen Euro zu Chelsea.
Die jüngste Abfuhr bekam man von Roméo Lavia (natürlich ebenfalls zu Chelsea), dessen Wechsel gestern offiziell wurde. Drei Mal bekam Liverpool also innerhalb des letzten halben Jahres einen Korb von einem vielversprechenden Sechser, der daraufhin zu Chelsea wechselte.
Nun aber muss man sich mit dem alten Eisen Endo begnügen. Das sieht bei Jürgen Klopp so aus:
Klingt doch mehr nach Begeisterung als nach Begnügen. Und tatsächlich lässt sich diese Begeisterung auch mit Zahlen untermauern. Dem Datendienstleister ‚Opta‘ zufolge komme Wataru Endo seit seinem Bundesliga-Debüt im September 2020 nämlich unter allen Mittelfeldspielern in der Bundesliga auf die meisten Zweikämpfe, die meisten Minuten, die zweitmeisten Ballgewinne sowie die zweitmeisten Tacklings. Oder anders gesagt: Endo gehörte in den letzten Jahren zu den besten Sechsern der Bundesliga.
Und damit bietet er Klopp genau das, wofür der Fernández, Caicedo und Lavia holen wollte: Defensive Stabilität. Durch die bisherigen Mittelfeld-Verpflichtungen von Dominik Szoboszlai und Alexis Mac Allister wurden in erster Linie die Bedürfnisse eines offensiven Mittelfelds bedient, ein defensiv verlässlicher Spieler kommt nun erst mit dem 30-jährigen Spätzünder, wie Klopp ihn nennt.
Dazu enthält Endos Spiel mehrere Aspekte, die durch die so schmerzhaften Sommer-Abgänge nicht mehr so richtig repräsentiert sind. Wie Henderson zuvor war der Japaner in Stuttgart stets der „aggressive Leader“, wie Fabinho der ruhige Anker im Aufbauspiel und manchmal auch wie Milner die Allzweckwaffe, die fern der eigenen Position genauso ihren Job macht.
Jürgen Klopp bekommt also ziemlich genau den Spieler, der ihm gefehlt hat. Für 20 Millionen, statt für 120, 116 oder 60 Millionen, die Chelsea für Fernández, Caicedo und Lavia jeweils hingeblättert hat. Und da Chelsea diese drei Spieler für eine einzige Position geholt hat, kann man im Prinzip auch sagen: Wofür Todd Boehly fast 300 Millionen ausgibt, zahlt Liverpool nur 20.
Warum es möglich ist, dass Klopp all seine Mittelfeldsorgen so kostengünstig löst, erklärte der Liverpool-Coach schon ganz gut, indem er ihn einen Spätzünder nannte und diese Überlegungen noch weiter ausführte: „Ich bin ich mir nicht sicher, ob wir ihn bekommen hätten, wenn er nicht 30 wäre.“
Dass Wataru Endo eben nicht mehr vielversprechend ist und vom VfB Stuttgart kommt, ist für die Reds ein Glücksfall. Denn deshalb spielt er jetzt in Liverpool und nicht bei Chelsea. Und mit Endo im Herzen seines Mittelfelds schraubt Jürgen Klopp die eigenen Ansprüche auch nicht zurück. Er hat viel mehr einen ziemlich günstigen Schraubenzieher gefunden, um sie nochmal festzuziehen.