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Matti Peters·9 marzo 2025

Unerklärliche Höhenflüge: Wie "ein Witz" plötzlich bei Real landete

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"Es gab einen bei Real Madrid, der war ein Witz": Mit dieser durchaus harschen Aussage über einen ehemaligen Mitspieler überraschte Klubikone Ronaldo zuletzt im Gespräch mit seinem brasilianischen Landsmann Romario in einem Youtube-Format.

"Das war ein dänischer Mittelfeldspieler. Ein wirklicher cooler, guter Mensch. Vor einiger Zeit hat er ein Pokerturnier über 50 Millionen Dollar gewonnen, oder so. Aber im Fußball war er sehr schlecht", fuhr 'Il Fenomeno' knallhart fort.


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Gemeint war Thomas Gravesen, der im Winter 2005 zu Real Madrid wechselte. Ein Transfer, der so gar nicht ins Selbstverständnis der Königlichen passt. Erst recht nicht in die Ära der Galaktischen ab der Jahrtausendwende, als es sich Real Madrids damals neuer Präsident Florentino Perez zur Aufgabe gemacht hatte, jedes Jahr einen neuen Superstar in die spanische Hauptstadt zu holen.

Auf Luís Figo folgten Zinédine Zidane, Ronaldo und schließlich David Beckham. Und ab dem 14. Januar 2005 gesellte sich eben jener Gravesen zu dem Starensemble dazu.

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📸 Denis Doyle - 2005 Getty Images

Ein Transfer, den so vermutlich niemand auf dem Schirm hatte. Nicht mal der Däne selbst, wie er in einem Interview mit 'FourFourTwo' Jahre später erzählt. "Mein Berater rief mich an und fragte: 'Was hältst du von Madrid?'", erinnerte sich Gravesen. "Ich dachte es geht um Atlético, also sagte ich: 'Mir gefällt aber Everton'." Als ihm dann gesagt wurde, dass es sich um Real Madrid handle, musste Gravesen noch mehrmals ungläubig nachfragen.

Dieser Unglaube war auch nachdem die Tinte trocken war nicht so richtig verflogen. An seinem ersten Trainingstag saß er zwischen Roberto Carlos und Zinédine Zidane und dachte nur: "Ich gehöre doch hier nicht her."

Auch David Moyes, sein damaliger Trainer bei Everton, konnte die Anfrage aus Madrid zunächst nicht wirklich glauben. Er dachte zunächst, dass es sich um ein Missverständnis handelt.

"Jeder verwechselte ihn mit Lee Carsley. Als Real Madrid sich meldete, dachten wir: 'Haben die den richtigen? Geht es um Carsley oder wirklich Tommy Gravesen?'", so Moyes gegenüber 'Open Goal'.

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📸 CARL DE SOUZA - 2004 AFP

Wie diese Anekdote von Moyes schon vermuten lässt, war Gravesen kein Überflieger, dessen Karriere also irgendwann zwangsläufig auf einen Wechsel zu einem richtig großen Klub hinausgelaufen wäre.

Denn er war kein begnadeter Techniker oder unglaublich torgefährlich für einen Mittelfeldspieler. Was er auf den Platz brachte, waren eher die typischen Grundtugenden: Einsatz, Laufbereitschaft, Zweikampfführung. Seine Spielweise war nicht selten mit Schmerzen verbunden. Eigenen, aber auch beim Gegner.

Nach dem Abgang von Claude Makelélé suchten die Königlichen einen neuen Ausputzer, der den eigentlichen Galaktischen die Freiheiten für das Offensivspektakel verschaffen sollte. Vorhang auf für Gravesen.

Das funktionierte aber nur zu Beginn. Unter Trainer Vanderlei Luxemburgo war Thomas "The Mad Dog" Gravesen, wie er in England auch genannt wurde, in der Rückrunde zwar schnell zum Stammspieler aufgestiegen, aber bereits nach wenigen Monaten ging es zur neuen Spielzeit auch genauso schnell wieder zurück in den Pool an Ergänzungsspielern.

Er lief die Meter, die sich andere sparten. Er grätschte, so dass andere im Anschluss die feine Klinge auspacken konnten. Er fletschte die Zähne, wenn die kostbaren Prunkstücke des Klubs mal wieder etwas härter angegangen wurden.

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📸 Stephen Dunn - 2005 Getty Images

Er tat also genau das, wofür er nach Madrid geholt wurde. Das, was ihn in seiner gesamten Karriere auszeichnete. Und doch waren nur wenige im Klub und noch weniger Fans von seiner Daseinsberechtigung überzeugt.

In seiner einzigen kompletten Saison bei Los Blancos kam er nur noch sporadisch zum Einsatz. Luxemburgo stellte offenbar lieber regelmäßig sein System um und zog nominelle Verteidiger wie Sergio Ramos oder Iván Helguera ins defensive Mittelfeld, statt auf Gravesen setzen.

Die großen Titel holten zu der Zeit aber andere und das bedeutete bei Real in der Regel, dass Köpfe rollen. Luxemburgo wurde durch Fabio Capello ersetzt und der Italiener machte Gravesen direkt zum Amtsantritt klar, dass er keine Verwendung für ihn hätte.

Dem Dänen zufolge hatte er von da an nie eine Chance bekommen, seine Karriere in Madrid fortzusetzen. Capello habe sich bis zum Schluss nicht mal seinen Namen merken können.

Eine handfeste Auseinandersetzung mit Robinho im Sommer-Trainingslager 2006 war dann Gravesens Sargnagel bei Real. Kurz danach wurde er an Celtic verkauft, wo er zwei Jahre später auch seine Karriere beendete.

Rückblickend ist man sich bei den Königlichen offenbar nicht mal mehr einig, wer eigentlich die Idee hatte, Gravesen zu verpflichten. Florentino Perez verwies in der Frage einst auf Vorstandsmitglied Ramón Calderón, der später ebenfalls Präsident bei Real werden sollte. Calderón schob wiederum die Verantwortung weiter auf den damaligen Sportdirektor Arrigo Sacchi. Und dieser betonte Jahre nach der Entscheidung gegenüber der 'Marca', dass er sich auf das überzeugende Plädoyer seiner Scoutingabteilung verlassen hatte.

Gravesen blickt auf eine durchaus erfolgreiche Karriere bei Klubs wie dem HSV, Everton oder auch Celtic zurück, sein Intermezzo beim Weltklub von Madrid wird aber wohl niemals vollends zu erklären sein.


📸 JAVIER SORIANO - 2005 AFP