MillernTon
·12 marzo 2025
Systemfrage und Wiedersehen

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Wenn der FC St. Pauli am Freitag die TSG Hoffenheim empfängt, werden zwei ehemalige Spieler ans Millerntor zurückkehren und aus nächster Nähe sehen, ob der FCSP an der veränderten Formation festhält.(Titelfoto: Stuart Franklin/Bongarts/Getty Images/via OneFootball)
Puuh, wie die Zeit doch verfliegt. Es ist schon ganz schön lange her, dass der FC St. Pauli zwei damals noch recht unbekannte Spieler leihweise ans Millerntor holte, die heute vielen ein Begriff sind. Im Sommer 2019 war das, vor fast sechs(!) Jahren. Heute ist vor allem der Name Victor Gyökeres europaweit bekannt, schießt der 26-jährige seit einiger Zeit für Sporting Lissabon Treffer um Treffer (unfassbare 82 in 90 Spielen für Sporting). Bisher nicht ganz so treffer-lastig, aber sehr wohl erfolgreich verlief bisher auch die Karriere von Leo Østigård, der am Freitag im Trikot der TSG Hoffenheim ans Millerntor zurückkehren wird.
Ähnlich unbekannt war vielen damals, im Sommer 2019, auch der Club, von dem Gyökeres und Østigård zum FC St. Pauli wechselten. Doch spätestens mit der Verpflichtung von Fabian Hürzeler letzten Sommer dürfte Brighton & Hove Albion auf schmerzhafte Weise jeder und jedem am Millerntor ein Begriff geworden sein. Aber das ist eine andere Geschichte…
Zurück zu Østigård: Innerhalb kürzester Zeit wurde klar, dass diese Leihe für alle Seiten ein Gewinn ist. Der damals 20-jährige eroberte auf Anhieb einen Stammplatz beim FC St. Pauli, bestach mit Zweikampfstärke und Lufthoheit, weshalb ich ihn heute noch gerne Leo „Air“ Østigård nenne. Allseits beliebt machte er sich vor allem dank seines enorm leidenschaftlichen Auftretens. Sein Umtreten der Eckfahne nach dem Derbysieg gegen den HSV dürfte sich vielen Anhänger*innen für immer ins Gedächtnis eingebrannt haben. Østigård und der FCSP schien damals ein „perfect match“ zu sein, welches leider viel zu früh endete: Nach der Saison ging es für Østigård erst zurück nach Brighton und dann begann eine Reise durch Europa, die ihn nun erstmals wieder ans Millerntor führen wird.
Sein Club Brighton verlieh Østigård noch im gleichen Sommer erneut, dieses Mal innerhalb Englands zu Coventry City, in die zweite Liga. Er war dort Stammspieler, blieb aber nur eine Saison, ehe er zu Stoke City verliehen wurde. Nach nur einem halben Jahr und etwas weniger Spielzeit ging es für ihn in Italien weiter, bei CFC Genua. Sein Trainer damals: Alexander Blessin. Trotz zweier Platzverweise und Genuas Abstieg hinterließ Østigård Eindruck in Italien, der SSC Neapel verpflichtete ihn im Sommer 2022. Statt Abstiegskampf mit Genua spielte der Innenverteidiger nun Champions League und gewann am Saisonende die italienische Meisterschaft. Nach einer weiteren Saison in Neapel wechselte Østigård im Sommer 2024 nach Frankreich zu Stade Rennes, wo er aber nur ein halbes Jahr blieb, weil er diesen Winter leihweise nach Hoffenheim wechselte.
So kommt es also zur Rückkehr von Leo Østigård ans Millerntor. Dem Abendblatt (€) sagte er diese Woche: „St. Pauli ist ein Club, den ich für immer in meinem Herzen tragen werde. Als ich nach Hoffenheim gekommen bin, habe ich natürlich sofort geschaut, ob und wann wir noch gegen sie spielen. Ich habe mich dann auch sehr gefreut, als ich gesehen habe, dass es ein Auswärtsspiel auf St. Pauli ist.“
Diese Rückkehr hätte es wohl fast auch schon ein paar Jahre früher gegeben: In der Winterpause der Saison 21/22 hielt sich hartnäckig das Gerücht, dass es ein beidseitiges Interesse an einem Wechsel des Innenverteidigers zum FC St. Pauli gibt. Der Transfer kam leider nicht zustande, sodass Leo Østigård erst jetzt, drei Jahre später – und das auch noch im falschen Trikot! – am Millerntor einlaufen wird. Ein warmer Empfang dürfte ihn trotzdem erwarten.
Ebenfalls erstmals nach seinem Wechsel ans Millerntor zurückkehren wird Finn Ole Becker. Nachdem er sämtliche Jugendmannschaften des FC St. Pauli durchlief, am Millerntor seine ersten Schritte im Profibereich ging und in der Saison 21/22 als Stammspieler nur knapp am Aufstieg scheiterte, zog es Becker zur TSG Hoffenheim. Der FC St. Pauli verlor somit eines der größten Talente der Clubgeschichte, nach langem Tauziehen, ablösefrei.
Doch so steil wie der Aufstieg von Finn Ole Becker beim FCSP war, ging es nicht weiter. In Hoffenheim kam er im ersten Halbjahr hauptsächlich in der zweiten Mannschaft zum Einsatz, Regionalliga Südwest statt Bundesliga. In der Rückrunde 22/23 wurde er dann aber eine feste Größe bei der TSG. Doch so richtig voran ging es nicht: In der Folgesaison kam Becker nie über den Status eines Bankspielers hinaus, kam zwar in 22 Ligaspielen zum Einsatz, allerdings nur auf knapp 600 Minuten Spielzeit.
An diesem Status sollte sich im Sommer 2024 etwas ändern. Doch beim Aufwärmen vor dem ersten Testspiel der Sommervorbereitung verletzte sich der inzwischen 24-jährige schwer am linken Knie. Ein Meniskusschaden führte zu einer monatelangen Pause. Erst im Januar 2025 stand Finn Ole Becker erstmals in dieser Saison für die TSG Hoffenheim auf dem Platz. Dafür aber zuletzt als Stammspieler. In seinen letzten sechs Einsätzen stand Becker in der Startelf der TSG. Er scheint sich nun endlich durchgesetzt zu haben. Perfektes Timing also für seine Rückkehr ans Millerntor. Auch ihn dürfte ein herzlicher Empfang erwarten.
Zwölf Jahre lang trug Finn Ole Becker das Trikot des FC St. Pauli, schaffte den Durchbruch im Herrenbereich und wurde U-Nationalspieler. Im Sommer 2022 wechselte Becker dann zur TSG Hoffenheim. // (c) Peter Boehmer
Finn Ole Becker und Leo Østigård stehen also am Freitag aller Voraussicht nach in der Startelf. Mit welchen Spielern des FC St. Pauli und mit welcher Formation sie es zu tun haben werden, ist hingegen viel unklarer. Denn gegen den VfL Wolfsburg überraschte der FCSP mit einem 3-4-1-2 und Danel Sinani anstelle von Johannes Eggestein in der Startelf. Hat diese Formation und die personelle Aufstellung eine Zukunft?
Zumindest war Sinani ein echter Aktivposten im Spiel des FCSP in Wolfsburg, führte die meisten Zweikämpfe und lief die meisten Kilometer. Mit seinen technischen Fertigkeiten scheint er dem Team aktuell ein wichtiges Element geben zu können. Alexander Blessin erklärte, dass Sinani in Wolfsburg die beiden Angreifer in Szene setzen sollte, was per Definition dem Profil eines klassischen Zehners entspricht. Ein Plan der, trotz allem Eifer des 27-jährigen, nicht wirklich aufging. Was aber nicht unbedingt an Sinani lag.
Denn die Doppelspitze, bestehend aus Dapo Afolayan und Noah Weißhaupt, blieb ziemlich blass gegen Wolfsburg. Für den FC St. Pauli stellt sich daher die Frage, ob man weiter auf Sinani und das von der Struktur her gefällige 3-4-1-2 setzen möchte und falls ja, mit welchem Personal das umgesetzt werden soll. Die Frage, ob der FCSP erneut im 3-4-1-2 spielen wird, hängt sicher auch davon ab, wie man sich gegen Hoffenheim Chancen ausrechnet. Das Team spielt unter der Leitung des neuen Trainers Christian Ilzer zumeist mit einer Viererkette, wie auch die Wolfsburger. Zumindest das könnte ein Argument für zwei Spitzen sein, da man gegen zwei Innenverteidiger unter anderem den Raum vor der Kette gut offenhalten kann, wenn diese durch zwei Angreifer gebunden werden.
Formation hin oder her, da gab es in dieser Saison bereits für beide Varianten erkennbare Vorteile. Das Problem ist und bleibt aber die fehlende Torgefahr: Alle denkbaren personellen Optionen für die beiden Positionen in vorderster Reihe haben in dieser Saison nicht mit übermäßig vielen Toren glänzen können. Eggestein ist mit drei Treffern (ein Elfmeter) etwas erfolgreicher gewesen als Saad und Afolayan (je zwei Treffer) und Weißhaupt (kein Treffer). Morgan Guilavogui (fünf Treffer) fehlt der Offensive des FC St. Pauli sehr. Nimmt man den Treffer von Sinani in der bereits eher unwichtigen Nachspielzeit gegen Union aus der Gleichung, dann hat außer Guilavogui zuletzt am 15. Spieltag in Stuttgart ein Offensivspieler einen Treffer erzielt. Kein Wunder also, dass Guilavogui nach der Länderspielpause sehnlichst zurückerwartet wird.
Finn Ole Becker und Leo Østigård werden sich die Formation des FC St. Pauli aus nächster Nähe anschauen dürfen. Das angenehme an der aktuellen Situation ist, dass sich der Gegner des FCSP definitiv auf mehrere Varianten vorbereiten muss, die sich teilweise deutlich voneinander unterscheiden. Zudem ist auch völlig unklar, auf welche Offensivspieler sich Østigård einstellen muss. Mit Sinani, Eggestein, Afolayan, Saad und Weißhaupt gibt es fünf Optionen für die drei Offensivpositionen in der Startelf – und jeder hat ein anderes Profil, verlangt eine andere Vorbereitung.
Ich werde am Freitag ganz sicher von der Pressetribüne aus zurückwinken, wenn Finn Ole Becker und Leo Østigård vom Rasen des Millerntors hinüberwinken, freue mich, wenn sie bei ihrer Rückkehr ans Millerntor mit Applaus empfangen werden. Danach aber wünsche ich mir, dass sie auf dem Platz mehr Fragezeichen in der Birne haben, als Applaus von den Rängen kam – und sie mit Null Punkten im Gepäck die Rückreise nach Hoffenheim antreten.// Tim
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