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·11 luglio 2025
Realitätsverlust? Zeitenwende bei Real Madrid

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·11 luglio 2025
Es gibt diese wunderbare Floskel im deutschen Fußballwortschatz, die praktisch jeder Profitrainer beim Wechsel zu einem großen Klub hört: „Wenn du hier unterschreibst, musst du wissen, was du tust!“ Nirgendwo trifft die Phrase besser zu als bei Xabi Alonso und Real Madrid.
Als bei der Klub-WM die Halbfinal-Pleite gegen Champions-League-Sieger Paris Saint-Germain (0:4) feststand, fiel die Pressemeute wie ein Hyänenrudel über das Alonso-Team her. Der Trainer – gestern noch gefeiert, als er aus Leverkusen kam, und heute Zielscheibe fieser Schlagzeilen.
„Kollektiver Suizid von Madrid“, schreibt AS. „Kalte Dusche auf der Weltbühne“, meint El Mundo Deportivo. „PSG zeigt Real, wer der König von Europa ist“, urteilt Sport. Und Eurosport.es möchte schon die Verfilmung des sportlichen Desasters: „Ein Monster besucht die Blancos“.
Alonso kennt die Stimmungsschwankungen im Umfeld von Real Madrid, er hat hier fünf Jahre lang gekickt, von 2009 bis 2014. Kein Stein bleibt auf dem anderen, wenn eine Niederlage derbe ausfällt und keine Besserung in Sicht ist. Er wusste sehr genau, wo er unterschreibt.
Bei einem 0:4 vergisst der mitgereiste Tross, dass Xabi Alonso dem Verein einen Gefallen getan hat: Er hat die Mannschaft vorzeitig übernommen, weil sein Vorgänger Carlo Ancelotti nach Brasilien wollte, und lernte seine neue Truppe erst bei diesem XXL-Turnier so richtig kennen.
Ohne Vorbereitung, ohne Einfluss auf den Kader, direkt zur Klub-WM: Sowas macht ein Coach nur, wenn er in seinem neuen Arbeitgeber mehr sieht als einen Traditionsklub. Ja, der Kader bietet Stars ohne Ende: Superstar Kylian Mbappé, Weltfußballer Vinicius Jr und wie sie alle heißen.
Aber halt keinen Toni Kroos mehr, der die Dinge im Mittelfeld sortiert, und nur einen alternden Luka Modric, der auf der Ersatzbank geduldig auf die Einwechslung wartet. Es ist jedenfalls kein Zufall, dass der Rekordsieger der Königsklasse vorige Saison überraschend titellos geblieben ist.
Real Madrid ist in die Jahre gekommen und hat es nicht gemerkt. 26,2 Jahre alt sind die 29 Spieler im Schnitt und verbuchen gemeinsam einen Marktwert von 1,34 Milliarden Euro. Eine Mannschaft in der Endstufe: Beide Kennzahlen verraten einen gewissen Sättigungsgrad.
Man konnte das im PSG-Spiel genau sehen. Der Gegner war von der ersten Spielminute an hungriger in der Zweikämpfen, gieriger und schneller. Nach 24 Minuten stand’s 3:0, was in der Hitze des Metlife-Stadiums von New Jersey eine Vorentscheidung bedeutet. Real war erledigt.
„Dieses Spiel und dieser Wettbewerb haben mir viel darüber verraten, wer wir sind und was wir verbessern müssen“, sagte Alonso nach „Bad in der Realität“ (Marca). „Es ist Zeit für einen Neustart.“ Und genau hier beginnt das eigentliche Problem von Real Madrid.
Präsident Florentino Perez, inzwischen 78, löst Defizite im Kader mit dem immer wiederkehrenden Muster: Jeder Zugang kann nicht teuer und schillernd genug sein, das Bernabeu Stadion erwartet Spektakel. Das Transfer-Minus geht jetzt im Sommer erneut in den dreistelligen Millionenbereich.
Und wenn ein Starkicker wie Mbappé ablösefrei zu haben ist, schmeißt man ihn persönlich mit Geld zu. Von astronomischen Summen ist die Rede, in Summe angeblich eine halbe Milliarde bis 2029. Dabei zeigt ausgerechnet der Fall Mbappé, dass Gigantismus keinen Erfolg garantiert.
Erst als PSG Mbappé los war (zugegeben, nicht ganz freiwillig), formte sich der Kader mit vergleichsweise bodenständigen Spielern zu einer Gemeinschaft, die in der Lage war, endlich die Champions League zu gewinnen. Einkäufe wie Messi und Neymar brachten das nicht zustande.
Bei Real Madrid haben sie einen eigenen Schauspieler: Wann immer Vinicius Junior einen knackigen Zweikampf verliert, fleht er Schiri, Gott und sonstwen um Gerechtigkeit in seinem Sinne an. Jedes verlorene Laufduell wird zum Akt himmelschreiender Gesten.
Ein Riesenspieler, ja. Aber seine Theatralik ist nur noch nervig und lenkt ihn selbst vom Wichtigsten ab: vom Fußballspielen. Und vermutlich ist er das Sinnbild für Real aktuell: Selbstdarsteller schießen zu wenig Tore und sich selbst ins Knie.
Hier kommt jetzt Alonso ins Spiel: Wie Luis Enrique bei PSG muss er seinem Präsidenten und all den anderen Besserwissern bei Real Madrid klarmachen, dass nicht der beste Spieler die Pokale holt, sondern die beste Mannschaft. Darin liegt ja der Verdienst von Vorgänger Ancelotti.
Der Italiener brachte bei Real Madrid das Kunststück fertig (anders als beim FC Bayern damals), seinem Star-Ensemble einen Chorgeist einzupflanzen. Sowas kann Alonso auch; er hat ja bei Bayer Leverkusen gezeigt. Nur gibt ihm Real Madrid die Zeit? Man weiß es nicht.
Rechts und links hat sich die Konkurrenz mit der Attitüde „Die Mannschaft ist der Star“ schon längst positioniert. Der FC Barcelona im eigenen Land, Paris Saint-Germain in der Champions League, der FC Liverpool auf der Insel. Alonso hat schon recht: Es ist Zeit für einen Neustart.