Buchrezension: „Geduld – Sabr“ – Fousseni Alassani | OneFootball

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·17 dicembre 2024

Buchrezension: „Geduld – Sabr“ – Fousseni Alassani

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Das neue Buch von Ronny Galczynski ist anders. Es geht zwar auch um Fußball, ist aber eher eine Kriminalgeschichte. Und vielleicht eher ein Gesprächsprotokoll als eine „normale“ Biographie.

Ronny ist bekanntlich auch Teil des MillernTon und hatte mir schon sehr früh von seinem Projekt erzählt. Ein Buch über Fousseni Alassani und seine Geschichte, insbesondere über die Zeit nach der Fußballkarriere. Ich war neugierig, denn so wirklich nachhaltig war mir der ehemalige Kicker unserer U23 nicht in Erinnerung geblieben, nachdem die verheißungsvolle Profikarriere schon vor dem eigentlichen Beginn scheiterte – aus Gründen, die ich inzwischen auch verdrängt hatte.Und darüber kann man ein Buch machen?


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Greifbarer wurde es am 13. Oktober 2024, als das Buch mit einer Lesung und Diskussionsrunde im FC St. Pauli Museum vorgestellt wurde. Fousseni Alassani war selbst da, zusammen mit Freunden, Weggefährten und seiner Familie. Und nach diesem Nachmittag hatte ich keinen Zweifel mehr, dass das ein sehr interessantes Buchprojekt war.

Zwei Welten: Straße und Fußball

Fassen wir den Inhalt kurz zusammen: Fousseni Alassani spielte von August 2010 bis März 2012 bei der U23 des FC St. Pauli und sorgte durchaus für Furore. Der Sprung in den Profifußball schien vorgezeichnet. Neben dem FCSP gab es aber auch finanzstärkere Interessenten, wie beispielsweise den VfL Wolfsburg.Doch all das zerschlug sich. Eine geklaute Waage aus einem Hotel auf einer Auswärtsfahrt sorgte für eine Suspendierung, ein Überfall auf einen REWE-Markt für das frühzeitige Ende einer Profikarriere. Später kam eine Verurteilung aufgrund schwerer, räuberischer Erpressung hinzu, nachdem er die Besitzerin einer Tankstelle auf ihrem Weg zur Bank überfallen und mit einem Messer bedroht hatte und etwa 25.000 Euro erbeutete.

Das Urteil lautete sechs Jahre und drei Monate Haft, die er in Santa Fu absaß.Seit Mai 2022 ist Alassani, der auf der Straße besser als „Santa“ bekannt ist, wieder auf freiem Fuß und jetzt dabei, sich ein neues Leben aufzubauen, ohne Kriminalität.Das Buch schildert seinen Weg dorthin.

Fußball: Die Karriere selbst zerstört

Ein Auswärtsspiel der U23 beim VFC Plauen im März 2012 sollte den entscheidenden Karriereknick besorgen. Bis dahin war die fußballerische Karriere für den damals 20-jährigen Fousseni Alassani absolut vielversprechend gelaufen, der Profivertrag stand quasi schon winkend in der Tür. Doch aus dem Hotel entwendete er eine handelsübliche Personenwaage. Vollkommen bescheuert und angesichts der Folgen ein großer Fehler, den er so nicht wiederholen würde? Ja, das sieht er heute sicher selber so. Er bezeichnet das eher als „Jux“ – doch die Folgen waren ungleich ernsthafter. Das Hotel kontaktierte den FC St. Pauli, dieser fand die Waage in Alassanis Tasche und suspendierte ihn. Es folgte noch eine Vertragsverhandlung mit dem VfL Wolfsburg, doch die Suspendierung sorgte für Frust – und eine weitreichendere, unüberlegte Tat.

Alassani hatte neben seiner fußballerischen Karriere ein zweites Leben auf der Straße, mit seinen Kumpels. Er dealte mit Marihuana, kleinere Gesetzesverstöße gehörten zu ihrem Alltag. Größere Probleme mit der Polizei hatte er aber bis dahin vermeiden können. Doch ohne die regelmäßige Beschäftigung und Ablenkung durch den Fußball, fehlte das Regulativ.Allein und ohne Hilfe überfiel er noch im gleichen Monat einen REWE-Markt, kurz vor Ladenschluss. Im Kassenraum sprühte er Pfefferspray gegen die Mitarbeiterinnen, die den Alarm auslösten. Er floh mit etwa 11.000€ in den angrenzenden Wald und versteckte sich, wurde aber gefasst – wahrscheinlich auch, weil er nicht genug Geduld hatte, um die Situation abzuwarten.

Vor Gericht lief es trotzdem gut für ihn. Auch, weil die Opfer ihm wohlgesonnen waren und ihm eine zweite Chance zugestehen wollten. Zwei Jahre Jugendstrafe, ausgesetzt zur Bewährung.Der VfL Wolfsburg nahm trotzdem Abstand von einer Verpflichtung, auch beim FC St. Pauli ging es für Alassani nicht weiter – dem großen Talent zum Trotz.

Eine große Hilfe in der Zeit war sein Berater, Daniel Scheinhardt, ehemaliger St. Pauli-Profi. Dieser vermittelte ihn zum SV Wilhelmshaven, eine Chance zum Neuanfang unter Trainer Christian Neidhart. Neidhart wollte ihn nach einer Saison auch zum SV Meppen mitnehmen, doch Alassani hatte genug von der Provinz. Das Geld lockte, die Großstadt ebenfalls – lieber Drogen verkaufen in Hamburg statt 2500€ netto im Emsland fürs Kicken.

Es folgte noch eine weitere Chance beim Berliner AK, doch ein Kreuzbandriss machte auch diese zunichte. Ein Wechsel zurück nach Hamburg in den Amateurfußball zu seinen Freunden, ein erneuter Kreuzbandriss, endgültiges Karriereende in der Saison 2016/17.

Von der Tankstelle über das „Dammtor“ nach Santa Fu

Ende Dezember 2016 dann der folgenschwere Überfall. „Schwere räuberische Erpressung“ lautete die Anklage, nachdem Alassani die Pächterin einer Tankstelle auf dem Weg zur Bank abpasste und mit einem Messer bedrohte. 35.000 – 40.000€ erhoffte er sich, 25.000€ waren es schlussendlich. 5000€ davon gab er seinem Fahrer. Genau der aber sorgte schließlich dafür, dass Alassani einfuhr.Der Fluchtwagen wurde von Zeugen beobachtet und konnte von der Polizei ausfindig gemacht werden. Der Fahrer verriet Alassani, um für sich selbst einen besseren Deal auszuhandeln. Unverzeihlich für Alassani, bis heute.

Es folgte die Untersuchungshaft im „Dammtor“-Knast, das Urteil (6 Jahre und 3 Monate Haft) und schließlich die Verlegung nach Santa Fu.Alassani fand hier zu sich, zu „Geduld“ (Arabisch: Sabr) und zu seinem Glauben. Mag toll klingen, war im Detail aber natürlich auch hier ein sehr weiter Weg, der ausführlich im Buch beschrieben wird.

Seit Mai 2022 ist Fousseni Alassani wieder auf freiem Fuß. Dank einer Rente für die beiden erlittenen Kreuzbandrisse und der finanziellen Hilfe von Freunden, konnte er sich eine neue Existenz aufbauen, unter anderem mit der Beteiligung an einem Tattoo-Studio.Das kriminelle Leben, welches ihm auf der Straße über viele Jahre völlig normal erschien, hat er laut eigener Aussage endgültig hinter sich gelassen.

Kriminelles Leben in Anekdotenform

Ich hab für die Buchrezension auch deshalb etwas länger gebraucht, weil ich mich mit einer Einordnung ungewohnt schwer tue. Alle Beteiligten, sowohl bei der Lesung im Museum als auch im Buch, stellen Fousseni Alassani als herzensguten Menschen dar, der für Freunde und Familie durchs Feuer gehen würde.Wie passt das zusammen mit einer kriminellen Laufbahn, die über Kavaliesdelikte und ein bisschen Handel mit Gras doch weit hinausgeht?

Im Buch werden teils brutale Vorgänge fast amüsant geschildert, als würde man einen Krimiroman für Jugendliche lesen. Ein Mithäftling sei für eine Messerstecherei eingefahren, weil das Opfer nach einem Stich in den Bauch „leider“ verstorben sei. Ein Wärter in Santa Fu, der Alassani mit einem (nicht erlaubten) Handy erwischte, half ihm zunächst, wurde dann aber über einen Trick von Alassani aus Selbstschutz selbst angeschwärzt und verlor seine Stellung beziehungsweise wurde anschließend zwangsversetzt.Diese oder andere Vorfälle waren bereits auf der Lesung vorgestellt worden – oft mit einem Lachen erzählt.

Wie würde dies im Buch behandelt werden? Wie will man das moralisch bewerten, aus der Sicht von außen, wenn man selbst nie einen Knast von innen gesehen hat und man mit Kriminalität höchstens als Opfer von Polizeigewalt Erfahrungen gemacht hat?

Wenig überraschend urteilt das Buch nicht. Ronny Galcynski wird im Abbinder als „wahrer Freund“ bezeichnet, den Alassani nach seiner Zeit im Gefängnis gefunden hat. Die stundenlangen Gespräche von Ronny mit Alassani selbst, aber auch den Freunden, der ehemaligen Lebensgefährtin, der Familie oder auch Wegbegleitern aus dem Fußball wie Jörn Großkopf, wurden verschriftlicht und sprechen für sich.

Nicht wertend, nicht beschönigend. Als Rückblick auf eine Zeit, die der Protagonist heute hinter sich gelassen hat. Für mich sehr spannende und erstaunliche Einblicke in eine Welt, die ich sonst nur aus Kriminalromanen oder dem Fernsehen kannte, die hier aber deutlich anschaulicher und direkter abgebildet wird.

Als Weihnachtsgeschenk ist das Buch ganz sicher geeignet, aber wohl eher nicht für die weihnachtliche Familienlektüre am Tannenbaum. Ich wünsche Fousseni Alassani alles Gute – möge seine berufliche und private Zukunft besser laufen, als die leider früh gescheiterte Fußballkarriere.

„Geduld – Sabr“ von Ronny Galczynski ist ein Hardcover-Buch im DIN A5-Format mit 136 Seiten. Zu beziehen ist es direkt bei Releeze für 24,90€.

Forza St. Pauli!// Maik

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