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·7 Mei 2025
Wann ist der Amateurfußball wirklich Amateurfußball?

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Die enormen Gehälter der Profifußballer sorgen immer wieder für Aufregung. Meist hört man: „Kann man nicht ändern, ist nun mal so!“ Gern wird noch vom sogenannten Wettbewerb schwadroniert, der längst kein ehrlicher mehr ist. Statt eines langfristigen sportlichen Konzepts steht immer mehr das Rennen um den größten Investor im Vordergrund – egal ob zwielichtige Milliardäre, undurchsichtige Investmentfonds oder gleich ganze Schurkenstaaten. Den meisten Fans scheint das egal zu sein, solange sie nicht Freibeuter vom FC St. Pauli sind, die einen amerikanischen Waffenlobbyisten als Ausstatter ausbremsten. Bei anderen werden selbst Panzerschmieden als „Echte Liebe“ verkauft.
Im Breitenfußball ist die Tendenz ähnlich. Meist ist der Verein erfolgreich, der es versteht, Unternehmer oder Vermögende auf seine Seite zu ziehen und die keine Probleme damit haben, vermeintlichen Amateuren stattliche Summen zu ermöglichen. Wie man an zahlreichen Beispielen im Profi- und Amateurbereich sehen kann, ist viel Geld zwar keine Garantie für sportlichen Erfolg. Dennoch erleichtert es die Zusammenstellung eines oder gleich mehrerer Teams erheblich. Mittlerweile geht es nicht mehr nur um die Erwachsenen, auch in der Jugend treibt das Finanzgebaren seltsame Blüten.
Doch wo beginnt eigentlich der professionelle Fußball? Die ersten drei Ligen sind unstrittig und werden als Berufssport eingestuft. In den Regional- und Oberligen wird es komplizierter. Die Bedingungen sind mindestens so unterschiedlich wie zwischen Bayern München und Holstein Kiel. Einige Vereine haben kommunale Partner, bei denen große Teile der Mannschaft angestellt sind. Wie viel ihrer vertraglichen Arbeitszeit sie auf dem Platz – und damit meine ich nicht die Pflege des Rasens oder das Leeren der Papierkörbe – verbringen, lässt sich schwer nachvollziehen.
Bei vielen anderen Vereinen gibt es eine wilde Mischung aus klassischen angestellten Spielern, Halbprofis und solchen, die einen Minijob oder zumindest einen offiziellen Amateurvertrag mit Anmeldung bei der Berufsgenossenschaft haben. Was außerhalb der offiziellen Bücher passiert, bleibt meist Spekulation. Das betrifft nicht nur den Fußball, sondern auch andere Sportarten wie Handball oder sogar Tischtennis, wo selbst in der 3. Liga namhafte Beträge gezahlt werden, wie mir ein ehemaliger Spieler berichtete.
Dass sich viele Fußballclubs in der Regionalliga übernehmen, zeigt sich an zahlreichen Beispielen. Kürzlich sind Vereine wie der 1. FC Düren, Türkspor Dortmund, KFC Uerdingen oder Türkgücü München in die Schlagzeilen geraten. Auch in Berlin kursieren Gerüchte über die finanzielle Schieflagen. Mahnende Beispiele aus der Vergangenheit gibt es mehr als genug. Aber lernen die Vereinsvorstände wirklich davon?
Um drohende Punktabzügen für die neue Saison vorzubeugen, spielt man schon mal weiter, ohne die Kicker und andere Rechnungen zu bezahlen. In der Regel dauert es, bis ein Geschäftspartner oder gar Spieler beim Gericht einen Insolvenzantrag stellt. Manche Vorstände scheinen sich in einer Grauzone bezüglich der Insolvenzverschleppung zu bewegen, ohne dass es sie wirklich stört. Die Verbände sind meist informiert, halten aber oft zu lange still. Die drohenden Sanktionen flößen offensichtlich keine Angst ein, denn nur selten greifen sie. Sauber arbeitende Vereine ärgert das, denn der Ehrliche ist wie so oft der Dumme.
Unterhalb semiprofessioneller Strukturen wird es endgültig unübersichtlich. Man darf davon ausgehen, dass es in den deutschen Landesligen nur wenige Vereine gibt, die keine Prämien oder Handgelder zahlen. Selbst in den Ligen darunter wird oft tief in die Tasche gegriffen, in der die Geldscheine locker sitzen. Die berüchtigten Umschläge nach dem Spiel sind nach glaubhaften Berichten vieler Spieler gang und gäbe. Tim Frohwein von den Hartplatzhelden hat der ZEIT dazu ein spannendes Interview gegeben.
In der aufregenden Sportschau-Doku „Milliardenspiel Amateurfußball“ kamen unverhohlen Dinge vor die Kamera, die seriös arbeitenden Vorständen die Haare zu Berge stehen lassen.
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Bis runter in die Kreisligen wird Geld gezahlt. Klar, das war schon immer so, auch in den 1970er und 1980er-Jahren der alten Bundesrepublik gab es die örtlichen Autohäuser, Bauunternehmer oder Lebensmittelhändler, die in der Lage und bereit waren, die nötigen Summen an der offiziellen Kasse vorbeizuleiten.
Was sich geändert hat: Selbst im Jugendbereich werden inzwischen Spieler mit Geld gelockt. Längst ist auch im Frauenfußball in einigen Vereinen die Spielerinnenvergütung angekommen. Begründet wird das wie bei den Männern mit dem hohen Aufwand. Stellt sich die Frage: Kann man da noch von Hobby sprechen? Wie sagte neulich jemand in einer Diskussionsrunde: „Ich kann dem Fußball der Frauen nur empfehlen, nicht dieselben Fehler zu machen wie die Männer.“ Wohlfeil gesagt, aber gleiches Recht für alle, oder? Zugegeben, bei den Herrenteams ist das Treiben deutlich krasser. Wenn Spieler in der Kreisliga Geld für das Betreten des Rasens bekommen, muss man sich schon fragen, welcher Sinn sich dahinter verbirgt.
Ende der 1970er-Jahre trafen sich In Berlin ein paar Kicker unterschiedlicher Vereine, die von den dubiosen Geldflüssen im Amateurfußball die Nase voll hatten. Die Stimmung in der Kabine wurde nicht besser, wenn ein vermeintlicher Großverdiener ein schlechtes Spiel gemacht hatte. „Du kriegst doch bestimmt 100 Mark mehr als ich, dann kannst du auch mindestens so viel laufen!“ So ähnlich muss man sich das Kabinengeflüster, das irgendwann in lautstarke Auseinandersetzungen abglitt, vorstellen.
Die beschriebenen Fußballer gründeten 1980 schließlich den FC Internationale Berlin. Der Gründungsgedanke trägt bis heute: Es gibt kein Geld für das Fußballspielen, auch wenn uns das manche Gegner gerade nach erlittenen Niederlagen nicht abnehmen. Übrigens: Einige der Gründer treffen sich immer noch regelmäßig zum Seniorensport, zum Boule oder zu Diskussionsrunden im „Club Voltaire“, in dem einmal im Monat interessante Referenten zu verschiedensten politischen, kulturellen und manchmal auch sportlichen Themen auftreten.
Wir sind nicht die einzigen, die den Weg bis heute einhalten. Auch bei Vereinen wie Hansa 07 in Kreuzberg oder Pfeffersport in Pankow fließt trotz erfolgreicher Auftritte kein Geld. Gewinnen wollen trotzdem alle, schließlich schmerzt jede Niederlage. Und immer wieder kreuzen auch Leute von außen auf, die diese Werte antiquiert finden. Die Vorstände der Vereine wissen aber immer noch große Mehrheiten ihrer Vereine hinter sich. Wer den Weg unbedingt verlassen will, muss sich einen anderen Verein suchen, weshalb man sich nicht gleich verstreiten muss.
Natürlich versuchen wir, Wege zu finden, um auch gute Spieler zu halten. Sofern diese nicht megabegabt und zu höheren Aufgaben auserkoren sind, gibt es dafür durchaus Möglichkeiten. Jenseits von Geld, gibt es andere Währungen, z. B. der Zusammenhalt, die Pflege von Freundschaften, das Finden gemeinsamer Werte.
Diese entstehen meistens nicht von allein. Daher sollten Vorstände auch immer wieder überprüfen, ob die Menschen vor Ort sich auch wirklich wohlfühlen, sich vielleicht sogar selbst engagieren und den Verein mitgestalten wollen. Denn wer sich ehrenamtlich betätigt, hat eine höhere Bindung zum Verein. Bindungskräfte sind mit Geld nicht dauerhaft herzustellen. Wohl aber mit einer spontan angesetzten Feier aller Frauen- und Herrenteams, zu der mehr als 100 Leute kommen, und die morgens um 7.00 Uhr endet. Interessanterweise tauchten sogar eine Reihe ehemaliger Spieler auf. Wer weiß, vielleicht sehen wir sie bald wieder häufiger. Denn in diesen Zeiten ist eine ehrliche Heimat ein hohes Gut. Auf den wirklichen Amateurfußball.
Langsung