Miasanrot
·1 Desember 2024
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·1 Desember 2024
Ist dir das aufgefallen? So bekam der FC Bayern München spät im Auswärtsspiel bei Borussia Dortmund Zugriff auf die Partie. Eine Taktikanalyse.
Nuri Sahin ist es aufgefallen, aber dir auch? Nach der Partie sagte der BVB-Trainer bei Sky: „Bayern hat in der Halbzeit umgestellt, das hat uns viel Kraft gekostet.“
Doch was genau hat Vincent Kompany beim FC Bayern umgestellt, was lief vorher falsch und was danach besser? Miasanrot zeigt, was Sahin meinte.
Das Grundproblem des FC Bayern in Dortmund vor allem in der ersten Halbzeit lässt sich recht kurz zusammenfassen: Der Ballvortrag war so schlecht wie vielleicht noch nie unter Kompany. Im Spielaufbau ließ man sich von Borussia Dortmund oft in die Zonen lenken, in denen ein Ballverlust wahrscheinlich wurde.
Der BVB hat klug gepresst, hielt das Zentrum kompakt und zwang Bayern dadurch zu vielen Ballverlusten. Es gab kaum Überraschungsmomente und so auch nur selten gute Szenen im Angriffsdrittel.
Ein paar Zahlen zum ersten Durchgang (via Fotmob): 59 Prozent Ballbesitz, 84 Prozent Passquote, 0,25 Expected Goals, 143 Pässe in der eigenen, 101 in der gegnerischen Hälfte. Die zweite Halbzeit: 77 Prozent Ballbesitz, 90 Prozent Passquote, 1,21 Expected Goals, 125 Pässe in der eigenen, 169 in der gegnerischen Hälfte.
Zum Teil lässt sich der eklatante Unterschied damit erklären, dass sich die Spieldynamik durch das 1:0 verändert hat und Dortmund nicht mehr zwingend hoch anlaufen musste. Aber: Sahin erklärte nach der Partie, dass man es schlicht nicht mehr konnte, weil es durch die Umstellung der Bayern zu viel Aufwand bedeutete. Also rein in die Analyse.
Eine Schlüsselrolle nahm Jamal Musiala ein. In der ersten Halbzeit sammelte der 21-Jährige laut WhoScored 18 Ballkontakte in der eigenen Hälfte, 17 in der gegnerischen und davon nur drei direkt am oder im gegnerischen Strafraum. Zweite Halbzeit: Acht Kontakte in der eigenen Hälfte, 36 in der gegnerischen, davon sechs direkt am oder im gegnerischen Strafraum.
Auch hier liegt ein Teil der Begründung darin, dass Dortmund tiefer verteidigte und Bayern entsprechend höher aufbauen konnte. Presst der Gegner hoch, sind Spieler wie Musiala gefordert, sich fallen zu lassen und tief in der eigenen Hälfte zu unterstützen. Doch dass man Dortmund überhaupt erst in die Situation bringen konnte, lag an zwei Detailanpassungen von Kompany in der Grundstruktur.
Meist bauten die Bayern im ersten Durchgang in einer 3-2-Struktur auf. Joshua Kimmich ließ sich dafür entweder wie in dieser Szene zwischen die beiden Innenverteidiger oder auf die rechte Seite fallen, um eine Dreierkette zu bilden. Leon Goretzka blieb im Mittelfeld und Musiala ließ sich auf die linke Sechs fallen, um dort das Spiel anzukurbeln.
Warum? Bayern benötigte technische Qualität gegen das hohe BVB-Pressing. Außerdem war es womöglich ein Learning von Kompany aus der PSG-Partie, dass der Ballvortrag dort ebenfalls häufig hektisch war, weil im Sechserraum neben Kimmich ein weiterer spielstarker Spieler fehlte.
Gegen Dortmund zeigte sich aber, dass das sehr starke Abkippen von Musiala eher dazu führt, dass man offensiv keinen Druck aufbauen kann. In der gelb markierten Zone, also innerhalb der BVB-Formation, gab es kaum Zugriff und meist zu wenig Spieler, die mit wenig Raum viel anfangen können.
Und so entwickelte sich für Kompany das Musiala-Paradox: Obwohl er gegen Dortmund genau die Lücke füllte, die gegen PSG aufging, fehlte er diesmal vorn und die Probleme blieben dieselben, nur in anderen Zonen: Zu wenig Spielstärke, zu einfache Ballverluste, zu wenig eigener Ballbesitz als Erholung, um das auch in Dortmund zu Beginn starke Pressing (zur Erinnerung: Kim eroberte den Ball gleich zu Beginn sehr hoch) durchzuhalten.
Kompany hatte mit den Entscheidungen für Tel und später für Müller nicht unbedingt ein glückliches Händchen. Bei der taktischen Anpassung aber schon: Er änderte den Spielaufbau auf eine Raute. Kimmich oder Goretzka ließen sich etwas fallen, der andere agierte zentral davor.
Auch in der zweiten Halbzeit gab es Szenen, in denen sich Musiala fallen ließ, um zu unterstützen, doch sie wurden seltener. Meist hielt er sich weiter vorn auf, um zwischen den Linien der Dortmunder anspielbar zu bleiben. Das sorgte für einige gute Befreiungen und auch dafür, dass der BVB seltener zu Ballgewinnen kam. Was wiederum ähnlich wie bei den Bayern im ersten Durchgang zu einem tieferen Pressing führte.
Eine zweite Anpassung, die dabei half, waren die Abstände zwischen den Spielern. Denn die wurden mit zunehmender Ballsicherheit etwas größer, was die Laufwege für Dortmund nochmal verlängerte. Bayern hatte immer noch eine gute Grundstruktur, machte das Spiel jetzt aber konsequent etwas breiter – insbesondere nach der Einwechslung von Kingsley Coman und Sacha Boey.
Bayern erspielte sich mit der nun ausgewogeneren und besseren Struktur mehr Ballbesitz, mehr Ruhe und letztlich auch mehr offensive Szenen.
Und die Moral der Geschicht? Die gibt es nicht. Denn gerade die Unterschiede der beiden Partien gegen PSG und den BVB zeigen, dass die Lösung für den einen Gegner nicht immer die bestmögliche für den anderen ist. Fehlte Musiala gegen Paris oftmals in tieferen Bereichen des Spielfelds, fehlte er diesmal häufig in höheren Zonen.
Das größte Learning daraus ist, dass der Offensivmann in der Theorie zu viele Aufgaben erledigen muss – und das trifft gewissermaßen auch auf Kimmich zu. Was automatisch zur altbekannten Debatte um Goretzka führt.
So erfreulich es ist, dass er derzeit im Rahmen seiner Möglichkeiten gute Leistungen zeigt, so ärgerlich bleibt der Ausfall von Aleksandar Pavlović. Die Bayern haben keinen Ersatz für den 20-Jährigen. Hier muss die Kaderplanung in den kommenden Transferfenstern ansetzen. Denn auch wenn Goretzka kein direkter Vorwurf zu machen ist, so hakte das Spiel wegen seiner technischen Limitationen zu oft.
In Ballbesitz fallen seine Schwächen auf. Es nur auf ihn zu beschränken, wäre jedoch zu einfach. Auch die schwachen Einzelleistungen von Müller, Sané, Tel und bis zur Verletzung auch Kane haben dazu beigetragen, dass im Spiel nach vorn nur sehr wenig geklappt hat.
Mit der Rückkehr von Pavlović könnten sich einige Rhythmusprobleme im Spiel nach vorn beheben. Gerade gegen Leverkusen wird es aber nochmal interessant zu sehen, wie Kompany sein Team auf- und einstellt.