MillernTon
·16 Agustus 2025
DFB-Pokal: Auch ein kotzendes Pferd kann hoch genug springen

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·16 Agustus 2025
Der FC St. Pauli besiegt Eintracht Norderstedt nach Chancenwucher im Elfmeterschießen und zieht in die 2. Runde des DFB-Pokals ein. Titelfoto: Stefan Groenveld
Wie schon letzte Saison lud USP zum gemeinsamen Einstimmen auf die Saison zum Altonaer Balkon. Bei Grillgut und Getränken konnte für viele das erste Wiedersehen nach der Sommerpause gefeiert werden, ehe es ab 12.30h langsam in Richtung Stadion ging.Gefühlt waren es sogar noch ein paar mehr Menschen als 2024, als man sich vor dem Heimauftakt gegen Heidenheim am gleichen Ort und für die gleiche Route versammelt hatte.
Dieses Jahr war alles nochmal entspannter, auch an „der Treppe“ hielt sich die Polizei zurück und hinderte niemanden, dort gegebenenfalls eine Abkürzung zu nehmen. So war es einfach ein großes, schönes und lautstarkes Happening. // Instagram
Insgesamt war dies wohl eine sehr gelungene Mischung aus guter Gastfreundschaft, Unterstützung für den Amateurverein und trotzdem der Durchführung eines FCSP-Spiels am Millerntor.So lief im Vorprogramm die Musik, die Eintracht Norderstedt auswählte, inklusive der verschiedenen dort beheimateten Fußballsongs.Erstes braun-weißes Highlight war dann „Diamonds“ von Rihanna, welches wohl sowas wie eine „Gästehymne“ darstellen sollte, auf der Videoleinwand bebildert und aus der Süd auch lautstark mit „Ich liebe Dich, oh FC St. Pauli!“ im Refrain besungen wurde. Mal schauen, ob das gegen Dortmund eine Wiederholung findet, vielleicht dann auch etwas besser abgestimmt und länger durchgezogen.
Die Durchsagen der Aufstellung teilte man sich, wobei Dagmar Hansen auf das sonst ritualisierte Vorlesen verzichtete und die Namen ganz normal verlas, inklusive Nachnamen. Das wird gegen Dortmund dann ganz sicher anders. Umgekehrt verzichtete auch Norderstedts Stadionsprecher Ewald Koch auf jegliche „Danke / Bitte“-Attitüde und verlas die eigene Aufstellung sehr sachlich.Insgesamt 28.946 Zuschauer*innen waren anwesend, wie er in der zweiten Halbzeit durchsagte – und wahrscheinlich war es das erste Mal, dass bei der Verkündung solch einer Zahl bei einem Heimspiel der Eintracht gegendert wurde. Kleine Dinge, die wir der Welt beibringen.
Die „Pokaltorwart“-Frage hatte Alexander Blessin ja schon vorab zumindest für diese Runde verneint. Auch ansonsten deckte sich die Formation mit der aus den letzten Testspielen, also mit Arkadiusz Pyrka statt Manolis Saliakas in der Startelf. Einziger Wechsel im Vergleich zum Test gegen Verona war die Rückkehr des wieder fitten David Nemeth für Adam Dźwigała.Oladapo Afolayan saß ebenso wie Saliakas anfangs also nur auf der Bank.
Klare Dominanz über 45 Minuten. Die Ballbesitzphasen von Norderstedt in unserer Hälfte dürften sich wahrscheinlich im Bereich von addiert maximal 90 Sekunden bewegen. In den ersten 35 Minuten äußerte sich diese Überlegenheit auch massiv in Torchancen, acht der neun von mir notierten (teils sehr guten) Gelegenheiten der ersten Hälfte stammen aus dieser Phase. Zweimal ging der Ball an den Pfosten. Einziges Manko: Keine der Chancen wurde genutzt.
Auffällig war die Dreiecksbildung durch Überladen auf Außen, in Person von James Sands oder Joel Chima Fujita, zusammen mit Pereira Lage und Arkadiusz Pyrka auf der linken rechten Seite. Auf der rechten linken Seite gab es mit Louis Oppie und Danel Sinani ähnliches, nur nicht ganz so häufig. Ziel war es laut Alexander Blessin, dadurch hinter die Kette zu kommen. Die freien Räume hinter den Außenverteidigern konnte zudem Andréas Hountondji für gute Läufe nutzen, der immer wieder durch Steckpässe von Fujita oder Sands geschickt wurde.
Wie schon in den ersten Testspielen wurde oft versucht, auf Flanken zu setzen – es fehlt aber immer noch der dafür passende Abnehmer, zumal Norderstedt die Mitte auch massiv besetzte.
Norderstedt selbst zog sich oft bis 20 Meter hinter die Mittellinie zurück, meist war nur Ex-St. Paulianer Felix Drinkuth im Wechsel mit Lukas Krüger in vorderer Reihe aktiv. Negativer Höhepunkt der ersten Halbzeit war die 38. Minute, als Jonas Behounek für sein sehr hartes Einsteigen gegen David Nemeth nicht mal mit Gelb bestraft wurde, auf der Tribüne teilweise aber sogar eine andere Farbe erwartet worden war. Dafür kam Nemeth später in der 75. Minute glimpflich davon, als er gegen Yago klar zu spät kam und dessen Knöchel traf.
Das Team des FC St. Pauli an der Mittellinie, beim Elfmeterschießen. // (c) Stefan Groenveld
Wie unter Alexander Blessin üblich, gab es in der Pause keine Wechsel. An der Dominanz und den regelmäßig herausgespielten Chancen änderte sich nichts. Ebenso aber auch nicht daran, dass sie vergeben wurden. Nach nur zehn Minuten standen schon wieder vier Gelegenheiten auf dem Zettel.
Nach exakt einer Stunde folgten dann zwei Wechsel: Der sehr auffällige Pyrka musste ebenso weichen wie der zwar auffällige aber eben glücklose Hountondji, es kamen Manolis Saliakas und Oladapo Afolayan. Das Erarbeiten und Vergeben der Chancen ging jedoch weiter, Norderstedt beschränkte sich (legitimerweise) darauf, gut zu verteidigen und ansonsten auf den starken Lars Huxsohl im Tor zu vertrauen. Ein Kopfball nach Ecke in der 84. Minute war das einzige Mal, dass man selbst gefährlich nach vorne kam.
Norderstedt hatte jetzt offenbar Gefallen daran gefunden, doch auch selbst etwas für die Offensive zu tun. Ampofo entwischte gleich nach Wiederbeginn auf links, der Abschluss von Brendel ging aber klar drüber.So blieb der FC St. Pauli zwar überlegen, Norderstedt aber kam jetzt öfter über die Mittellinie und gegen Ende hin konnte sich auch der FCSP beim eigenen Torwart bedanken, dass man überhaupt noch ins Elfmeterschießen kam.
Erwähnte ich schon, dass bei Eintracht Norderstedt demnächst ganze Stadionbereiche nach Torwart Lars Huxsohl benannt werden? Nein? Naja, wäre sicher nach dem heutigen Spiel eigentlich verdient, wird aber halt nach einer Niederlage dann doch nicht passieren. Und diese kam für Norderstedt dann im Elfmeterschießen.
Ganz kurz, bevor ich damit anfange: 3,71:0,75 xG / 41:9 Torschüsse / 24:3 Ecken. Wenn man aus diesen Statistiken mit einem 0:0 geht, muss man sich eigentlich nicht wundern, wenn man dann das Elfmeterschießen verliert. Zum Glück kam es anders.
Dramaturgisch natürlich „fantastisch“, dass St. Pauli durch Wahl und Fujita die ersten beiden Elfer verschoss. „Das kann hier ja nicht auch noch 0:0 ausgehen!“ war eine ebenso passende wie inhaltlich korrekte Prophezeihung zu diesem Zeitpunkt. Am Ende rettete Nikola Vasilj dem FC St. Pauli das Weiterkommen, in Zusammenarbeit mit den souverän verwandelten Elfmetern von Oppie, Sinani und Nemeth. Wer es noch nicht getan hat, sollte übrigens unbedingt in den Highlights nachschauen, wie knapp der eine Elfer von Norderstedt (durch Brendel) eben nicht vollständig über die Linie war.
Einfach mal glücklich sein: Nikola Vasilj nach dem letzten Elfmeter beim Jubel vor der Nordkurve. // (c) Stefan Groenveld
Hier kann man problemlos zwei Versionen verfassen, wahlweise mit einem halbvollen oder halbleeren Glas, je nach Sichtweise. Nicht unerwähnt lassen möchte ich aber erst noch das Zitat einer von mir sehr geschätzten Frau (Name der Redaktion bekannt), die mir kurz nach Abpfiff mitteilte: „Ich habe zwei Kinder auf die Welt gebracht – aber das tat nicht so weh wie dieses Spiel heute!“Was soll ich dazu sagen… den Humor nicht zu verlieren ist jedenfalls immer wichtig.
Positiv ist zu erwähnen, dass man einen Gegner, der bereits drei Pflichtspiele absolviert hat, über annähernd die komplette Spielzeit dominiert hat. Die eben erwähnten Statistiken belegen dies, waren nach 90 Minuten sogar noch deutlicher.Joel Chima Fujita ist eine absolute Granate – und wenn der auch noch Elfmeter schießen könnte (was er laut Blessin in der Trainingswoche reihenweise erfolgreich tat), wäre er wahrscheinlich unbezahlbar. Die Doppelsechs mit James Sands dürfte uns noch sehr viel Freude bereiten.Gleiches gilt auch für Arkadiusz Pyrka, der ein bemerkenswertes Pflichtspieldebüt für den FC St. Pauli gab.
Und natürlich, das Wichtigste überhaupt: man hat das Spiel gewonnen. Dies ist und bleibt im Pokal bekanntlich das Einzige, was zählt.Die 2. Runde wird kommen und der FC St. Pauli ist im Lostopf. Die Auslosung ist am 31. August.
Doch natürlich kann man das auch drehen. Bei dieser drückenden Überlegenheit gegen einen Viertligisten in 120 Minuten kein einziges Tor zu schießen, kann man nicht schönreden. Torabschluss unter Druck kann man nur bedingt trainieren, klar. Zu oft gab es heute aber einfach die falsche Entscheidung. Sowohl Mathias Perera Lage als auch Andreas Hountondji hätten alleine mehrfach für das Weiterkommen sorgen müssen – werden aber stattdessen heute wohl von Lars Huxsohl träumen. Der wollte übrigens nach dem Spiel noch mit der Familie auf den DOM, hoffentlich hat er da zumindest den Gegenverkehr vorbeigelassen.In der braun-weißen Chancenverwertung hingegen gilt es den Wunderknopf zu finden, der den Ketchupflaschen-Effekt auslöst.
Letzteres gerne schon nächsten Samstag. Gegen Borussia Dortmund gibt es zumindest keine Verlängerung und kein Elfmeterschießen.
Forza St. Pauli!// Maik
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