TSG Hoffenheim
·14 November 2024
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Tom Bischof darf sich über einen starken Start in die Saison freuen. Nach der für ihn persönlich schwierigen vergangenen Spielzeit erhält der 19-Jährige in dieser Saison regelmäßig Einsatzzeiten und überzeugte in der Bundesliga ebenso wie in der Europa League. Im SPIELFELD-Interview spricht der deutsche Junioren-Nationalspieler über die vergangenen anderthalb Jahre, die Lehren, die er daraus gezogen hat, seine steigende Verantwortung in der Mannschaft und prickelnde Europapokal-Abende.
Tom, zuletzt warst Du in der Startelf der TSG gesetzt, für manche überraschend aber auf einer etwas veränderten Position. Du agierst nun etwas zurückgezogener und spielst im defensiven Mittelfeld. Hast Du Dich schon an die neue Rolle gewöhnt?
„Wir haben gemeinsam entschieden, dass es aktuell die beste Position für mich ist. Ich sammele viele Ballkontakte, habe das Spiel vor mir und bin ständig eingebunden. Genau das ist es, was mir Spaß macht.“
Musstest Du Deine Spielweise an die neue Position anpassen?
„Die Restverteidigung ist jetzt natürlich ein viel größeres Thema. Als ich noch offensiver agiert habe, war immer noch jemand hinter mir. Nun achte ich noch mehr darauf, ob wir genug Spieler hinter dem Ball haben und ob die Gegner gedeckt sind. Und natürlich habe ich auch an meiner Zweikampfhärte und Aggressivität gearbeitet. Da musste ich noch etwas draufpacken, aber bislang läuft es ganz gut.“
Nach dem Spiel in Midtjylland war das Echo, dass Du nun im Profifußball angekommen bist. War der Weg dorthin in den vergangenen Monaten nicht immer einfach?
„Bis ich zu den Profis kam, ging in meiner Karriere eigentlich alles immer nur steil bergauf. Ich hatte keine Verletzungen, habe immer in höheren Jahrgängen gespielt und durfte schon mit 16 Jahren mit einer Bundesliga-Mannschaft trainieren. Ich habe mich anfangs gut reingefunden, aber dann kamen wir als Team in den vergangenen zwei Jahren immer mal wieder in Phasen, in denen es nicht gut lief und ich weniger eingesetzt wurde. Das war nicht immer leicht.“
Wie bist Du damit umgegangen?
„Ich hatte schon damit zu kämpfen. Ich bin zwar noch jung, aber auch sehr ehrgeizig – deswegen sehe ich mich auch nicht als klassischen Einwechselspieler. Ich brauche etwas mehr Zeit, um reinzufinden, um meine Aktionen zu haben und zu zeigen: Ich kann dem Team helfen. Leider kam ich aber nicht immer zu meinen Einsatzzeiten und habe meine Chancen dann auch nicht immer genutzt – da muss ich im Rückblick also definitiv sehr selbstkritisch sein.“
Nach der Wintervorbereitung 2023 warst Du sogar zwischenzeitlich Stammspieler, kamst aber anschließend zu weniger Einsatzzeiten…
„Die Vorbereitung damals lief gut und ich habe mich sehr gefreut, dass ich zum Auftakt bei Union Berlin zum ersten Mal von Beginn an spielen durfte. Wir haben in dieser Phase als Mannschaft leider dann lange nicht gewonnen, dazu gab es einen Trainerwechsel. Es war zwar nicht leicht für mich, aber ich habe verstanden, dass dann auf die erfahrenen Spieler gesetzt wurde. Ich bin noch immer jung und kann noch viel lernen. Wenn ich reingekommen bin, konnte ich auch nicht die erhofften Nadelstiche setzen, so ehrlich muss ich sein. Ich hatte auch offene und ehrliche Gespräche mit dem Trainerteam, die haben mir geholfen. Das Wichtigste war, dass wir als Klub nicht abgestiegen sind und jetzt weiß ich, was ich besser machen muss.“
In der vergangenen Saison lief es für den Klub besser, Du hast aber nur rund 170 Minuten bei den Profis gespielt und kamst stattdessen häufiger bei der U23 in der Regionalliga zum Einsatz. Was hast Du aus dieser Zeit mitgenommen?
„Mittlerweile sehe ich es komplett anders, aber in den ersten zwei bis drei Wochen war ich nicht wirklich begeistert davon, dass ich bei der U23 spielen sollte. Ich habe jedoch schnell gemerkt, dass es mir viel bringt. Ich konnte Spielpraxis sammeln und mich beweisen. Natürlich war ich auch traurig, weil ich gern bei den Profis dabei gewesen wäre, aber ich bin drangeblieben, habe alles gegeben und das hat sich ausgezahlt.“
Würdest Du im Nachhinein sagen, dass es wichtig war, diese Erfahrungen zu sammeln?
„Auf jeden Fall. Bei Spielen unter der Woche habe ich später sogar aktiv danach gefragt, ob ich bei der U23 zum Einsatz kommen darf. Ich will immer spielen und mich beweisen. Ich glaube im Nachhinein auch, dass meine Haltung gut ankam. Dadurch habe ich meine anfängliche Wut und Enttäuschung in Leistung umgewandelt. Das war sehr wichtig, um das Positive rauszuziehen.“
Hat Dich diese Phase auch als Mensch wachsen lassen?
„Ich glaube, dass ich allgemein trotz meiner erst 19 Jahre schon ein reifer, selbstbewusster Spieler und auch Mensch bin. Aber natürlich war meine Ausstrahlung in den ersten zwei Jahren bei den Profis eine andere, als zuvor noch in der Jugend. Da ist es ganz normal, dass man mit einer anderen Rolle auch anders auftritt. Jetzt agiere ich selbstbewusster und würde sagen, dass ich erwachsener geworden bin. Ich gehe nun auf den Platz und sage zu mir selbst: ‚Ich kann das, ich bin gut genug.‘ Meine Kreativität kann der Mannschaft helfen.“
Hast Du etwas in Deinem Alltag dafür geändert?
„Ich bin noch mehr zum Profi geworden. Ich war vorher schon gut aufgestellt, aber jetzt achte ich noch stärker auf Dinge abseits des Rasens. Seit einem dreiviertel Jahr arbeite ich zum Beispiel mit einem Mentaltrainer zusammen. Das läuft sehr gut und hilft mir im Alltag. Dazu investiere ich noch mehr in die Regeneration.“
Wie läuft das Mentaltraining ab?
„Das ist unterschiedlich. Wir treffen uns circa alle zwei Wochen und sprechen dann erstmal darüber, was mich aktuell beschäftigt. Wir besprechen dann, was mir beim nächsten Spiel helfen könnte, um besser reinzukommen. Gemeinsam achten wir darauf, welche festen Rituale mir guttun, um vor dem Anstoß in meinen Rhythmus zu kommen.“
Kannst Du Beispiele nennen?
„Das sind verschiedene Dinge. Es kann die gleiche Musik auf der Busfahrt sein oder ein Motivationsspruch, kurz bevor es losgeht. Aber was seit dieser Saison sehr gut klappt, ist, dass ich mir die Zahl 7 auf die Innenseite der Hand schreibe. Die Zahl verbinde ich mit Kreativität und die macht mich ja auch als Spieler aus. Wenn ich einen Fehler mache, weiß ich, dass die Zahl bei mir ist und mir in der nächsten Situation helfen wird.“
Du trägst die 7 seit dieser Saison als Rückennummer. Was hat es Dir bedeutet, die Nummer zu erhalten und spürst Du dadurch auch eine größere Verantwortung?
„Ich glaube, dass jedem Spieler seine Rückennummer wichtig ist. Wer etwas anderes sagt, lügt. (lacht) Mich hat es total gefreut, dass man mir die 7 anvertraut hat. Ich spüre zwar keinen Druck dadurch, aber natürlich will ich zeigen, dass es kein Fehler war und ich auf dem Platz stehen soll. Und zwar nicht wegen der Nummer, sondern wegen meiner Leistung auf dem Rasen.“
Welche Bedeutung hat die Nummer 7 für Dich?
„Eigentlich war ich immer Fan der Nummer 10. Die hatte ich in der Jugend, es war auch passender zu meiner damaligen Position und zudem bin ich auch ein Fan von Lionel Messi und nicht von Cristiano Ronaldo. Aber im Sommer hatte ich ein Gespräch mit der sportlichen Leitung und sie haben mir gesagt, dass die 7 für die nächste Saison frei wäre und gut zu mir passen würde. Meine Familie hat mir das auch nochmal bestätigt und ich bin sehr glücklich damit.“
Du hast oft betont, dass Du ein sehr enges Verhältnis zu Deiner Familie hast. Deine Eltern sind auch bei fast allen Spielen im Stadion. Du wohnst mittlerweile nicht mehr zu Hause, hat das Euer Verhältnis verändert?
„Wir telefonieren täglich und meine Mutter kommt zum Ende der Woche auch immer in meine Wohnung und hilft mir beim Haushalt. Ohne sie würde das alles nicht so reibungslos funktionieren. (lacht) Wir haben ein sehr enges Verhältnis. Sie kocht oft für mich und ich kann ihr leckeres Essen genießen. Sie achtet auch darauf, dass ich nicht nur Essen bestelle, sondern mich gesund ernähre. Ich bin meinen Eltern enorm dankbar. Die gemeinsame Zeit hilft mir und ich kann dadurch besser abschalten. Meine Eltern sind mir enorm wichtig.“
Geben Sie Dir nach den Spielen auch ein Feedback?
„Meine Mutter hat für den Spieltag selbst ein Verbot bekommen. (lacht) Wir sind uns sehr ähnlich und dann wird es nach dem Spiel auch mal etwas hitziger, da reden wir dann lieber einen Tag später erst darüber. Mit meinem Vater klappt das besser. Meine Mutter weiß auch, dass es nicht böse gemeint ist, aber da sind wir einfach zu gleich. Das funktioniert dann vor allem nach Niederlagen nicht so gut." (lacht)
In der Zeit, in der Du weniger zum Einsatz gekommen bist, haben sich andere junge Spieler wie Umut Tohumcu oder Tim Drexler in den Fokus gespielt. Kamen Dir dann manchmal Gedanken wie ‚Das sollte ich sein, der da auf dem Rasen steht‘?
„Ich habe es beiden Jungs unheimlich gegönnt. Tim hat seine Chance genutzt und Umut war phasenweise unser bester Spieler. Es passt zur TSG, dass so viele junge Talente ihre Chance bekommen. Auch wenn es für mich eine schwierige Zeit war, weil ich selbst so wenig spielen durfte, habe ich allen anderen Spielern jeglichen Erfolg gegönnt. Ich wusste, dass es an mir liegt und es kein ‚entweder oder‘ ist. Ich bin seit Jahren mit beiden befreundet, da gibt es keinen Neid.“
Du spielst mit beiden schon seit der Jugend zusammen, Ihr kennt Euch seit vielen Jahren. Sprecht Ihr manchmal darüber, wie verrückt es ist, dass Ihr nun zusammen bei den Profis seid?
„Vor der Partie bei Union Berlin vor ein paar Wochen habe ich mit Tim darüber gesprochen, weil wir zum ersten Mal zusammen in der Startelf standen. Und mit Umut habe ich dann ein paar Tage später zusammen die Doppelsechs in Midtjylland gebildet. Das war schon verrückt. Da haben wir auch kurz darüber gesprochen: Wir stehen zusammen auf dem Platz und der Verein vertraut uns sogar im Europapokal. Davon haben wir gemeinsam jahrelang geträumt und nun ist es Realität geworden. Wir verstehen uns unfassbar gut, das macht das alles nochmal besser.“
Du hast kurz nach Deinem 16. Geburtstag schon bei den Profis mittrainiert und mit 16 in der Bundesliga debütiert. Hat der frühe Fokus Dich vielleicht belastet?
„Ich habe keinen Druck gespürt. Es ist eigentlich meine Art, dass ich mir nicht so viele Gedanken mache, sondern einfach auf den Platz gehe und spiele. Es lief damals perfekt. Ich konnte im jungen Alter bei den Profis mittrainieren, mich an dieses extrem hohe Niveau gewöhnen und weiterhin bei der U19 spielen. Es war auch wichtig zu sehen, wie eine Profi-Kabine abläuft, um mich dort zu integrieren. Das ist eben etwas komplett anderes im Junioren-Fußball. Die Einheiten haben mir zudem geholfen, bei der U19 und später bei der U23 voranzugehen. Obwohl es erst drei Jahre her ist, fühlt es sich an, als wären es schon zehn Jahre, weil ich mich so daran gewöhnt habe. Ich habe es der Mannschaft zu verdanken, dass ich mich so entwickelt habe und das will ich zurückgeben.“
Obwohl die vergangene Saison aus Deiner persönlichen Sicht nicht wie erhofft lief, hatte sie ein versöhnliches Ende. Dank des 4:2-Sieges gegen den FC Bayern München habt Ihr Euch für die UEFA Europa League qualifiziert, Du wurdest eingewechselt und hattest mit zwei Balleroberungen entscheidenden Anteil an den letzten beiden Toren. War das ein Wendepunkt für Dich?
„Das war ein geiles Gefühl. Der Trainer hat mich ein paar Tage nach dem Spiel extra angerufen und mir gesagt: ‚Das ist der Tom, den ich sehen will. Du warst da auf dem Platz und hast gezeigt, was in Dir steckt.‘ So etwas gibt einem nochmal einen Push, das hat mir in der Vorbereitung dann enorm geholfen. Da wusste ich: So kann es weitergehen.“