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·16 Mei 2023

Bernd Schröder: Schalke ist und bleibt ein Magnet

Gambar artikel:Bernd Schröder: Schalke ist und bleibt ein Magnet

Zwei Spieltage vor Saisonende ist weiter ungewiss, in welcher Etage Königsblau demnächst auflaufen wird. Im Interview mit dem Schalker Kreisel erläutert der Vorstandsvorsitzende Bernd Schröder (57), was die möglichen Szenarien bedeuten würden, warum die Ausrichtung des Vereins von der Kurzfristigkeit entkoppelt werden muss, und mit welcher Strategie der S04 die nahe Zukunft bestreiten wird. S04-Mitglieder können das Interview bereits vorab im Vereinsheim lesen.

Bernd, du bist ein diplomierter Wirtschaftsmathematiker auf Schalke: Kühler Kopf vs. heißes Herz, wie vereint man beides? Das ist immer eine Frage von Zeit und Rhythmus. Es gibt Situationen, da ist der kühle Kopf besser, und es gibt die fürs heiße Herz. Und manchmal muss man beides mischen. Schalke stellt einen ja fast jeden Tag vor neue Herausforderungen.


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Nach deinem Antritt im Januar 2022 folgten im Zeitraffer: Corona-Ausläufer, die Gazprom-Trennung, ein Aufstieg mit großer Emotions-Achterbahn, zwei Trainerentlassungen, der überraschende Abgang des Sportdirektors und langer Kampf um den Klassenerhalt. Was hast du aus dieser Zeit mitgenommen? Zunächst einmal bin ich der festen Überzeugung, dass wir in den vergangenen eineinhalb, zwei Jahren wichtige Schritte gegangen sind, die den Club nachhaltig verändert haben – zum Positiven. Gleichzeitig war das für jemanden, der von außen dazu kommt, ein Crashkurs Schalke: Man glaubt, planen zu können, bis die Wirklichkeit dazwischenkommt. (grinst) Ich ziehe für mich daraus, dass man noch umsichtiger planen muss, damit einen manche Themen eben nicht aus der Bahn bringen. Ein langfristiger Plan ist notwendig bei der Bewältigung des Tagesgeschäfts, er gibt Orientierung. Umso wichtiger ist es, dass Schalke, das Team, Fans und Gremien stabil sind, um nicht kalt erwischt zu werden. Das ist aktuell der Fall.

Wann hat Schalke dich kalt erwischt? Das Gazprom-Thema war natürlich ein Komplex, der Schalke schnell und stark verändert hat. Wenn es da nicht einen solchen Kompass gegeben hätte, hätten wir gut aus der Kurve fliegen können. Das war ein großes Lernbeispiel, das ganz kalte Wasser für alle.

Nimmst du so etwas mit nach Hause? Schalke ist 24 Stunden am Tag, das kannst du nicht ausblenden. Dann merkt auch die Familie direkt, wenn ich mit dem Kopf woanders bin.

Kritiker sagen: Bernd Schröder macht sich rar in der Öffentlichkeit. Was sagt Bernd Schröder dazu? Ich kann komplett nachvollziehen, warum dieser Eindruck bei einigen entsteht, denn Schalke hat in seiner Historie andere Persönlichkeiten erlebt, die bewusst das Licht gesucht, Meinungen und Themen über die Öffentlichkeit platziert haben. Das ist nicht mein Stil. Ich gehe einen anderen Weg und glaube, der hat in diesen eineinhalb Jahren gezeigt, dass er viele Vorteile hat.

Sprechen Menschen dich persönlich darauf an? Sehr oft, ja. Es gibt beide Meinungsäußerungen. Viele Schalker sagen: „Lasst euch nicht vom Weg abbringen, der ist gut, geht ihn in Ruhe weiter, wir gehen mit.“ So etwas passiert übrigens gerade nach Niederlagen sehr häufig, was ich als eine tolle Schalker Typik empfinde: gerade wenn es darauf ankommt, die positive Bestätigung zu bringen. Seltener sagen mir Fans: „Jetzt musst du aber mal den starken Mann raushängen lassen.“

Zwischen unserem Gespräch und dem Erscheinen des Kreisels wird noch das Auswärtsspiel in München liegen. Aus Ermangelung einer Glaskugel: Was würde ein erneuter Abstieg für den S04 bedeuten? Langfristig wirft uns das nicht aus der Bahn. Wir haben ein zwischen Vorstand und Aufsichtsrat verabschiedetes Zielbild und einen Sechsjahres-Plan entwickelt, der seit dieser Saison läuft und aus dem wir unsere Bereichsstrategien ableiten. Dieser Weg wird derselbe bleiben, er wird bei einem Abstieg nur etwas länger dauern. Was sich natürlich finanziell ändert: Für die Zweite Liga haben wir ein anderes Budget definiert, ein kleineres im Vergleich zur Bundesliga; aber eins, um möglichst schnell den Wiederaufstieg zu realisieren. Für einen solchen Fall ist bereits vieles geplant worden, um die Stabilität, das Langfristige in den Verein zu bekommen. Ich bin Stand heute der Überzeugung, dass der Abstieg nicht passieren wird. Für den anderen Fall wären wir sehr gut vorbereitet.

Daher auch die Forderung nach einem neuen Schlüssel der TV-Geld-Verteilung, die sich nicht ausschließlich nach dem Tabellenstand richtet? Wir haben es in der Zweitliga-Saison gesehen: Schalke ist und bleibt ein Magnet, auch wenn wir nicht in der Bundesliga spielen. Wie die Fans uns in Sandhausen unterstützt haben, davon werden sie dort wohl noch in hundert Jahren erzählen. Die VELTINS-Arena war häufig ausverkauft – abhängig von den Corona-Maßnahmen –, unsere Partner und Sponsoren sind uns zur Seite gestanden. Der S04 hat eine große Strahlkraft, egal in welcher Liga, und das wird in dieser TV-Geld-Tabelle nicht abgebildet. Da muss man deutlich formulieren: Wir wollen mehr.

Wie realistisch ist das? Es ist eine offene Diskussion. Von den 36 in der DFL organisierten Clubs hat ja jeder die gleiche Stimme, ob FC Bayern oder SV Sandhausen oder eben Schalke 04, wodurch verschiedene Interessenlagen bestehen. In der englischen Premier League gibt es zum Beispiel einen großen Topf, der zu 50 Prozent unter allen 20 Clubs aufgeteilt wird, dort gibt es keine TV-Geld-Tabelle über fünf Jahre. Solidarität ist selbstverständlich auch uns wichtig, aber derzeit werden nur 3 Prozent über die Faktoren Interesse und Wichtigkeit der Clubs verteilt, das ist zu wenig.

Wir haben es selbst erleben müssen: Größe und Tradition schützen nicht vor dem Niedergang. Wohin gehört Königsblau auf lange Sicht? Eins der erwähnten Ziele, die wir gesteckt haben, lautet: Wir wollen mittelfristig wieder um die Top-Sechs der Bundesliga konkurrieren können. Nicht aufgrund der Historie, sondern wegen der Stärke und Größe des Vereins.

Ein langgehegter, hehrer königsblauer Wunsch heißt Kontinuität. Du hast in eineinhalb Jahren selbst schon den dritten Chef-Trainer begrüßen dürfen … Ein großes Thema! Wenn wir von Langfristigkeit sprechen, muss das auch für den Sport gelten. Peter Knäbel erarbeitet gerade federführend ein personenunabhängiges Sportkonzept, das auf Schalke zugeschnitten sein wird. Denn wenn jedes halbe Jahr ein Wechsel in der grundsätzlichen Ausrichtung passiert, kann das nicht gut für den Club sein. Aber selbst wenn man sich Kontinuität wünscht, ist es manchmal trotzdem notwendig, Veränderungen vorzunehmen. So auch, als wir diese Saison merkten, dass es einfach nicht funktioniert. Jetzt haben wir mit Thomas Reis jemanden gefunden, der hervorragend zu Schalke passt, mit dem wir die Mannschaft weiterentwickeln können. In der Rückrundentabelle belegen wir aktuell Platz acht, daran kann man die Entwicklung ablesen. Thomas macht die Mannschaft besser, macht die Spieler besser. Das möchten wir gerne so beibehalten.

Vakant ist seit Oktober der Sportdirektor-Posten … Geschwindigkeit ist für mich in diesem Fall kein Argument, sondern der Mensch muss passen. Wir müssen jemanden finden, der unseren Weg in den kommenden Jahren zu hundert Prozent mitgeht, auch in der Verzahnung von Finanzen und Sport. Erst heute Früh haben wir wieder über die Sommertransferplanung gesprochen. Wer als Sportdirektor zu uns kommt, hat nicht die maximale Freiheit, das wollen wir nicht mehr. Innerhalb der Strategie bieten sich große Freiheiten, aber die Leitplanken stehen fest, damit wir es endlich schaffen, kontinuierlich erfolgreich zu sein.

Eine Erkenntnis der großen Fehleranalyse, die stattgefunden hat? Wir haben im vergangenen Sommer Fehler gemacht, und aus so etwas muss man lernen, um dieselben Fehler nicht zweimal zu machen. Später in der Saison haben wir nachjustiert, aber auch dort greift das Bild der Leitplanken: Es kann sein, dass wir mal kurz drübersteigen müssen, doch letztlich gehen wir dann wieder zurück. Dieses Bewusstsein ist sehr wichtig.

Wie lebst du deine Position als Vorstandsvorsitzender speziell im Bereich Sport? Wir als Vorstand, also Christina Rühl-Hamers, Peter Knäbel und ich, verabschieden gemeinsam ein Budget für den Lizenzbereich: Was wollen wir uns leisten? Das ist der Ausgangspunkt der gesamten Finanzplanung von Schalke 04. Danach wird unter der Führung des Sports festgelegt, wie der Kader gebaut werden soll, welches Profil die Mannschaft haben soll: mit dem Ball, gegen den Ball, Athletik, Geschwindigkeit, Zweikampfverhalten. Wie viele Spieler benötigen wir für die jeweiligen Kategorien, die wir in unserem Konzept festgelegt haben? Und wie viel dürfen Spieler innerhalb dieser Spannbreite kosten? Damit steht das Grundgerüst der Mannschaft, eine Art Musterstellenplan. Das alles dient dazu, den Kader strukturiert und finanziell ausgewogen zu planen. Im nächsten Schritt Spieler zu suchen, zu scouten, medizinisch zu checken, ins Team zu integrieren, das ist alleinige Sache des Sports. Wir können aber überprüfen, ob sich der Sport innerhalb der Leitplanken bewegt.

Wie laufen solche Diskussionen ab, seid Ihr meistens einig? Nein – nicht während der Diskussion. (schmunzelt) Wenn wir aus dem Raum gehen, dann sind wir uns einig. Vorher kann es heiß hergehen. Wir sind zwar alle drei ausgewogene Menschen, aber auch emotional geprägt, sonst würden wir nicht im Fußball arbeiten. Wie wir diskutieren, bleibt jedoch immer im Raum.

Hast du ein Beispiel für Diskussionsstoff? Wir werden noch immer oft von Fans und Medien gefragt, warum wir Ko Itakura nicht gehalten haben. Hätten wir im Rahmen des Budgets machen können – aber nichts anderes mehr. Es hätte genau für diesen einen Spieler gereicht. Natürlich gab es dann Diskussionen, das Budgetfenster weiter zu öffnen, um ihn und noch zwei, drei weitere Spieler verpflichten zu können. Wir haben uns aber besonnen, dass wir nicht mehr die Zukunft verkaufen wollen, und sind bei unserer Entscheidung geblieben. Im Nachhinein ist es dann immer leicht zu bewerten, vor allem wenn man die Entscheidung nicht treffen musste.

Welche Rolle für die Zukunft spielt dabei die Knappenschmiede? Dass wir mit unserer U19 jüngst im Pokalfinale und mit der U17 erneut im Halbfinale um die Deutsche Meisterschaft standen, zeigt, was für eine Kraft aus der Knappenschmiede wieder hochkommt. Wir haben in Potsdam ein tolles Spiel gesehen, einen großartigen Kampf, wir lagen zurück, sind wiedergekommen, haben geführt, dann zwar leider verloren, aber die Leistung – das war Schalke pur, genauso wie die Unterstützung im Stadion. Wenn wir über Kaderwertentwicklung sprechen, bleibt die Knappenschmiede ein wichtiger Baustein. Gibt es eine Erfolgsgarantie? Natürlich nicht. Wir haben das für die Knappenschmiede ausgewertet: Ein knappes Drittel unserer U19-Spieler landet im Profifußball, also in den obersten drei Ligen, die wenigsten davon in der Bundesliga. Das ist im deutschen Vergleich ein richtig guter Wert. Und dennoch ist noch Luft nach oben, genau da müssen wir anpacken, deswegen haben wir das Budget für den Unterbau auch nicht reduziert.

Details zur erwähnten Strategie werdet Ihr auf der Mitgliederversammlung am 17. Juni erläutern. Über Sport haben wir gesprochen, kannst du an dieser Stelle schon etwas zu den weiteren Zielen sagen? Eins der insgesamt vier Ziele sind die Finanzen. Wir müssen wettbewerbs- und widerstandsfähig sein – und wir müssen es aus eigener Kraft schaffen. Da braucht es einen guten Plan und Ausgewogenheit zwischen Investitionen in den Kader und Abbau der zinstragenden Verbindlichkeiten.

Die nächste große Säule ist die klare Positionierung als FC Schalke 04. Wir wollen die Fußballmarke des Ruhrgebiets sein, einer der begehrtesten Vereine Deutschlands bleiben. Aus diesen Zielen leiten sich viele Themen ab: Wie überzeugen wir noch mehr Schalker, sich der Vereinsfamilie als Mitglieder anzuschließen? Haben wir im Merchandising die passenden Kollektionen, die fürs Ruhrgebiet und dessen Menschen stehen? Wie kommunizieren wir die Marke nach außen? Im Sponsoring wollen wir die Plattform für unsere Partner sein, die auf Schalke ihre Geschichte erzählen, emotionalisieren und idealerweise auf dasselbe Ziel einzahlen wie der S04, nämlich Menschen ein Leben lang zu begeistern und diese Region zu stärken.

Viertes großes Ziel: die klare gesellschaftliche Verantwortung als Verein. Wir wollen Treiber für die Zukunftsfähigkeit der Region sein, damit sie in 50 Jahren lebenswerter sein wird als heute. Das können wir nicht allein, aber Schalke hat eine der lautesten Stimmen im Ruhrgebiet und besitzt die Kraft und Fähigkeit, Menschen zusammenzubringen, Projekte anzustoßen und umzusetzen. Zum Beispiel im Bereich Nachhaltigkeit.

Viele loben, dass Königsblau sich bei Letzterem keine unerreichbaren Ziele setzt, andere bemängeln das Fehlen konkreter Beispiele. Die Diskussion darüber kann ich nachvollziehen. Einige Vereine machen das anders, verkünden etwas, wo ich mich frage, wie man das eigentlich definieren will, etwa den CO2-Ausstoß, wenn Zigtausende zu einem Spiel anreisen. Es gibt viele offene Themen, aber wir auf Schalke sind so gestrickt, dass wir uns erst mal darum kümmern, wie man etwas messen und erreichen kann, ehe wir herausposaunen: „Im Jahr 2030 sind wir klimaneutral“, obwohl ich genau weiß: geht Stand heute gar nicht. Wenn wir Großveranstaltungen mit mehr als 62.000 Menschen machen, wie will ich denn da klimaneutral werden? Man kann sich „freikaufen“ mit Zertifikaten, um es formal hinzubekommen, aber es geht mir ja nicht um Formalismen, sondern um Nachhaltigkeit.

Was wären denn greifbare Maßnahmen? Zukunftsfähigkeit heißt für mich, dass wir uns zum Beispiel unabhängiger machen von der Stromversorgung. Wir werden auf dem Parkhausdach Stellplätze „opfern“, um eine Photovoltaikanlage zu installieren. Dazu stellen wir Trinkbrunnen auf dem Vereinsgelände auf. So wollen wir Plastikmüll reduzieren. Auch im Zusammenspiel mit der Stadt und der Wirtschaft vor Ort heißt unsere Devise: Wir machen. Das gilt fürs Soziale, wie mit Schalke hilft!, aber ebenso für den ökonomischen und ökologischen Bereich. Das macht den Unterschied.

Inwiefern könnten ein Abstieg und schrumpfende finanzielle Möglichkeiten die Pläne und Ziele torpedieren? Ganz wichtig: Die Ziele sind ligaunabhängig und haben auch nichts mit Geld zu tun, etwa gesellschaftliche Verantwortung oder die Markendarstellung. Finanziell wettbewerbsfähig zu sein, ist ebenfalls keine große Frage von Erster oder Zweiter Liga. Wenn man weniger TV-Gelder hat, dann muss man mit kleineren Budgets auskommen. Wir selbst haben es in der Hand, ob wir unsere Zukunft verkaufen wollen oder nicht. Und wir haben deutlich gesagt, dass wir dies nicht tun wollen. Wofür man wiederum Geld benötigt, ist das Ziel der Top-Sechs, diesen Prozess würde die Zweite Liga natürlich verzögern.

Die DFL hat Schalke die Lizenz für 2023/2024 für beide Ligen ohne Bedingungen erteilt. Laut der grundsätzlichen Bestimmungen der DFL-Satzung darf sich negatives Eigenkapital jedoch nicht verschlechtern, sondern sollte sich im Bundesliga-Fall sogar um zehn Prozent verbessern. Wie ist das auf Dauer zu stemmen angesichts der Finanzverbindlichkeiten? In unserem Sechsjahres-Plan ist angelegt, dass wir einen Teil der Verbindlichkeiten abbauen und einen Teil in den Kader investieren, in jedem Fall aber zur Verbesserung des Eigenkapitals Gewinne schreiben.

Ist die Rechtsform in diesem Kontext ein Thema? Im April hat die Mitglieder eine Umfrage zur generellen Ausrichtung des S04 erreicht. Wie erwähnt wollen wir Schalke aus eigener Kraft wieder starkmachen, und das in der bestehenden Rechtsform als e. V. In der Umfrage haben wir dieses Thema zur Abstimmung gestellt: Wie schauen die Schalker darauf? Unterstützen sie diesen Weg? Die Ergebnisse werden wir noch vor unserer Mitgliederversammlung veröffentlichen. Ich möchte keine Prognose abgeben.

Noch mal zurück zur Stärkung der Region, heruntergebrochen auf die Keimzelle: Gelsenkirchen dümpelt in fast sämtlichen Statistiken am unteren Ende. Muss nicht hier besonders gewirkt werden? Die Schalker Region reicht bis ins Westmünsterland, Sauerland, Rheinland, aber das Kerngebiet ist Gelsenkirchen. Hier ist die soziale Not größer als anderswo und damit die Verantwortung naturgemäß noch ein Stück größer. Unsere sozialbasierten Initiativen finden deshalb genau hier statt. Das ist für uns elementar.

Du lebst im deutlich besser aufgestellten Münster, wie hat dich Gelsenkirchen mit all seinen Facetten empfangen? Was mich bei meinem ersten Rundgang beeindruckt hat, waren die Bilder von Gelsenkirchen vor 80 Jahren, als die Kohle aus der Erde geholt und damit reichlich Kohle gemacht wurde. Von hier aus wurde Deutschland mit aufgebaut und entwickelt, auch der Süden unseres Landes. Mancherorts kann man es noch erahnen. Aber es ist schwierig für die Menschen hier, die Bevölkerungszahl rückläufig, die Wirtschaft weniger kraftvoll. Für mich ist es aber kein Naturgesetz, dass Gelsenkirchen in hundert Jahren nicht wieder eine blühende Stadt sein kann. Was diese Zukunft betrifft, wollen wir nicht nur sozial mitgestalten, sondern auch ökonomisch.

Ist es Ausdruck der oft gebeutelten Schalker Seele, gerade bei Gegenwind zum Verein zu stehen? Der Kern von Schalke ist bereits in der Zweitliga-Saison zutage getreten: Alle ziehen an einem Strang. Auch in dieser Saison ist es einfach beeindruckend. Es ist immer schöner, oben mitzuschwimmen, aber wenn es drauf ankommt und man fast die gesamte Spielzeit Siebzehnter oder Achtzehnter ist, dann ist es wichtig, Schalker zu sein, da zu sein. Das hat ja schon Charly Neumann perfekt formuliert. („In schlechten Zeiten müsst Ihr Schalker sein – in guten haben wir genug davon.“, Anm. d. Red.) Das zeigt sich in dieser Saison hervorragend und überträgt sich auch auf die Mannschaft. Von außen meint man ja oft, da wären kühle Profis am Werk: nein, so etwas macht für die Spieler einen Unterschied, wenn sie im Stadion dermaßen gepusht werden, wenn zur Einweihung des Flutlichtmasts Tausende ins Parkstadion kommen oder am 1. Mai zum Trainingsplatz strömen. Die vergangene Spielzeit war schon außergewöhnlich, wurde aber noch mal getoppt. Das ist einmalig, und dafür können wir uns nur herzlich bedanken – und eine Verantwortung ableiten, alles für den Club zu tun, damit er langfristig erfolgreich sein kann.

Eine Schalke-DNA hat aber nicht zwangsläufig die Mitgliedschaft zur Folge. Wie ist der Stand? Je nach Statistik sind wir der zweit- oder drittgrößte Club im Land, und wir wollen im Lauf des Jahres gerne wieder die Kollegen aus Lüdenscheid-Nord überholen. Allein durch die Aktion „Schalker werben Schalker“ sind zuletzt 3000 neue Mitglieder in den Verein eingetreten. Wir haben jetzt die 168.000er-Marke erreicht, was auch angesichts dieser schwierigen Saison eine Wahnsinnszahl ist. Wir sind auf dem Weg zur 200.000, die wollen wir auf jeden Fall knacken, das ist unser Ziel. Es gibt so viele Schalker, die nicht Mitglied sind, zum Beispiel viele Anhänger, die in Fanclubs organisiert sind. Ganz ehrlich: Ich würde es gern anders sehen! Selbstverständlich ist jeder frei zu tun, was er möchte, aber wegen dieses Potenzials fällt es mir leicht zu glauben, dass wir die 200.000 schaffen.

Warum sollte ein Schalker überhaupt Mitglied werden? Das emotionale Argument: Du fühlst dich doch als Schalker, warum dann der halbe Meter Abstand? Komm zu uns – mach mit, gestalte vor allem mit!

Aufsichtsrat und Vorstand hatten sich vor rund eineinhalb Jahren auf die Fahne geschrieben, den Dialog mit Fans und Mitgliedern zu verbessern. Dein Zwischenfazit? Es macht einen Unterschied, wenn man miteinander spricht. Wer gehört wird, kann auch etwas beitragen. Das passiert inzwischen: über unser digitales Vereinsheim, den Mitgliederkongress, die Fanformate wie „mitGEredet“, den Miteinanderausschuss. Das ist wichtig, damit sich Schalke weiterentwickelt und dennoch im Kern Schalke bleibt. Und davon rücken wir auch nicht ab.

… arbeitet seit 14 Jahren auf Schalke und wird immer noch oft genug kalt erwischt.

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