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·17 septembre 2024

Nicht gut genug?

Image de l'article :Nicht gut genug?

Nach der dritten Niederlage und dem Fehlstart in die Bundesliga-Saison muss man beim FC St. Pauli auf Ursachenforschung gehen.(Titelfoto: Stefan Groenveld)

Nein, niemand hat behauptet, dass es einfach werden wird. Niemand hat behauptet, dass der FC St. Pauli die Bundesliga mit wunderschönem Fußballzauber in ihre Einzelteile zerlegen würde. Doch angesichts der Gegner hatte man sich vermutlich schon erhofft, dass der FCSP aus den ersten drei Ligaspielen den ein oder anderen Punkt holt. Das ist nicht passiert. Und dafür gibt es Gründe.


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Drei Spiele, null Punkte – Abstieg unwahrscheinlich!

Zuerst einmal die nackten Zahlen: Null Punkte in den ersten drei Ligaspielen – ist das die Bilanz eines Absteigers? Sollten alle beim FC St. Pauli bereits die Flinte ins Korn werfen, weil das alles sowieso keinen Zweck mehr hat? Auf. Gar. Keinen. Fall. Das zeigt allein schon der Blick in die Vergangenheit.Denn von 19 Clubs, die seit der Saison 11/12 mit null Punkten in die Liga gestartet sind, stiegen am Saisonende gerade einmal fünf ab.

So ist es vielleicht auch ganz gut, dass man eben mit null Punkten gestartet ist. Nun dürfte niemand mehr davon träumen, dass der Klassenerhalt nur das Minimalziel ist. Nun ist allen völlig klar, dass es um nichts anderes gehen wird, als am Saisonende über dem Strich zu stehen, egal wie knapp das ist. Vielleicht ist diese Reduktion der Erwartungen auf diesen einen Punkt, den Klassenerhalt, gar nicht mal so schlecht. Vielleicht ist das auch ein Grund, warum die Quote der Absteiger bei solchen Fehlstart-Teams eher niedrig ist: Weil man sich bereits sehr früh auf das Wesentliche konzentriert.

Blasphemie!!!

Ja, da wird natürlich ‚cherry-picking‘ betrieben im letzten Absatz. Dem Elend etwas Gutes abgewinnen. Hab ich bei LinkedIn gelernt. Da wird jede noch so große oder kleine Scheiße mit einem ‚Learning‘ versehen, jedem Misthaufen ein Wendepunkt zugeschrieben, die schlimmste Kacke als großer Erweckungsmoment dargestellt. Dabei ist es doch so: Wer ‚Learnings‘, Wendepunkte und oder Erweckungsmomente benötigt, der hat vorher keine Ahnung gehabt, war in die komplett falsche Richtung unterwegs oder hat tief und fest geschlafen. Ich schweife ab, winde mich. Weil der folgende Absatz keinen Spaß macht.

Denn die drei Niederlagen zum Auftakt haben einige Dinge aufgezeigt, die vielleicht lieber nicht angesprochen werden, Stichwort Blasphemie. Fangen wir damit einfach an, es muss ja irgendwann raus: Jackson Irvine ist in der Bundesliga noch nicht angekommen. So, jetzt steht es da geschrieben, das hässliche Wagnis.

Doch das ist nicht nur ein visueller Eindruck, sondern lässt sich auch an den Statistiken ablesen. Kein Spieler auf Irvines Position hat eine schlechtere Quote bei Offensivzweikämpfen. Die Quote erfolgreicher Defensivzweikämpfe ist von starken 68 Prozent auf 56 Prozent gesunken (nur fünf Sechser in der Liga haben eine niedrigere Quote). Seine Passquoten im Spiel nach vorne haben ebenfalls deutlich nachgelassen. Ebenso die Anzahl an Schüssen (letzte Saison: 1,5 pro Spiel, diese Saison bisher noch gar keiner). Letzteres dürfte auch damit zusammenhängen, dass er nun etwas defensiver spielt (dazu später mehr), trotzdem verfestigt sich alles zusammen zu dem Eindruck, dass es Jackson Irvine noch nicht gelungen ist, in der Bundesliga anzukommen.

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Jackson Irvine und Johannes Eggestein konnten bisher noch nicht an ihre starken Leistungen aus der Vorsaison anknüpfen. // (c) Stefan Groenveld

Thema individuelle Qualität

An dieser Stelle hätte man gleich eine ganze Reihe von Spielern des FC St. Pauli statistisch beleuchten können. Ich habe mich für Jackson Irvine entschieden, aber da kommt aktuell niemand so richtig gut weg. Egal, ob Johannes Eggestein, Philipp Treu, Eric Smith oder Karol Mets – alle Spieler haben offensichtlich Probleme mit der Bundesliga. Das ist teilweise auch total logisch. Wenn die individuelle Qualität der Gegenspieler größer ist, bleibt weniger Zeit für die Entscheidungen, für die Ballaktionen, wird eine unsaubere Annahme oder ein nicht exakt getimter Pass viel öfter bestraft. Allerdings wurde man in den ersten Spielen den Eindruck nicht los, dass einige Spieler aktuell nicht das Level der Vorsaison erreichen. Es ist also nicht generell so, dass es dem FC St. Pauli an Qualität magelt, um in der Bundesliga zumindest teilweise mithalten zu können.

Und wenn man als Aufsteiger nicht an das individuelle Level der Vorsaison anknüpfen kann, dann wird es natürlich schwer. Egal, in welcher Formation das Team antritt. Aus der Haftung werden taktische Entscheidungen damit aber nicht genommen. Dürfen sie auch nicht. Eine Bewertung dieser Entscheidungen ist allerdings nur ganz schwer möglich, weil es eben an einer Gegenprobe fehlt. Wie groß wären die Probleme für Union und Augsburg gewesen, wenn der FC St. Pauli bereits zum Anpfiff im 3-4-3 agiert hätte? Keine Ahnung.

Mehr Offensivpower im 3-4-3

Was aber klar ersichtlich war: Offensiv war das Team viel gefährlicher, wenn es im 3-4-3 spielte. Und das in all jenen Partien, wo so umgestellt wurde (Bergamo, Halle, Union, Augsburg). Ist das nun ein klarer Anzeiger dafür, dass man unbedingt weiter im 3-4-3 spielen muss? Leider ist die Antwort hier ein schwammiges ‚Jein‘. Denn oft waren die taktischen Ideen im 3-5-2 schon ziemlich passend und gut auf den jeweiligen Gegner zugeschnitten. Zudem ist völlig unklar, ob das 3-4-3 und mehr Offensivpower zusammenkamen, weil es sowieso ein Aufbäumen zum Spielende gab und der Gegner Anpassungsprobleme hatte.

Viel klarer ist hingegen, dass es diese Diskussion um das 3-4-3 nicht geben würde, wenn nicht mit Dapo Afolayan und Elias Saad zwei sehr auffällige Spieler der Vorsaison direkt von der taktischen Umstellung betroffen wären. Generell ist die These, dass mehr Offensivpower weniger mit dem System, als vielmehr mit den individuellen Qualitäten dieser beiden Spieler zusammenhängt, sicher nur schwer zu entkräften. Andererseits bietet das 3-4-3 eben auch für Irvine die Möglichkeit, offensiv deutlich präsenter zu sein, was eine seiner größten Stärken ist.

Bewerbung für die Startelf

Dass Elias Saad nach Abpfiff in Augsburg erklärte, dass er Wut empfindet, weil er aktuell nicht in der Startelf zum Zug kommt, ist dabei aber nicht zu viel Bedeutung beizumessen. Alle Spieler finden es blöd, wenn sie nicht spielen. Insbesondere jemand wie Saad, der wohl nicht wegen fehlender Leistung, sondern aufgrund des Systems nicht in der Startelf steht. Muss man das am Mikro direkt nach Abpfiff auch genauso erzählen? Nein. Ist Elias Saad – immerhin noch nicht mal zwei Jahre Fußballprofi – da vielleicht noch etwas Grün hinter den Ohren? Vielleicht.

Aussagen von Saad hin oder her, man sollte sich nichts vormachen: Angesichts der letzten beiden Spiele dürfte es immer schwerer sein, Argumente dafür zu finden, warum Saad und Afolayan erneut nicht in der Startelf stehen sollten. Beide, vor allem Saad, belebten sowohl in Berlin als auch in Augsburg eine ansonsten leider viel zu maue Offensive des FC St. Pauli.

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Genau so einen Jubel würden wir auch gerne am Sonntag am Millerntor sehen. // Stefan Groenveld

Zwei Kernelemente fehlen

Dem gegenüber steht (oder muss man schreiben „stand“), dass der FC St. Pauli im 3-5-2 defensiv relativ stabil gewesen ist. Sowohl gegen Union Berlin als auch gegen Heidenheim ließ das Team sehr wenige gegnerische Torgelegenheiten zu. Entsprechend erklärte Alexander Blessin auch vor der Partie gegen Augsburg, dass man möglichst wenig an Formation und Personal verändern wollte, weil es defensiv gut ausgesehen hat. In Augsburg aber war das nicht mehr der Fall. Auch deshalb, weil zwei Dinge im Spiel fehlten, die man vom Spielstil eines Blessin-Teams eigentlich am ehesten erwartet hatte: Vertikalität und hohes Pressing.

Nach Abpfiff in Augsburg erklärte der FCSP-Cheftrainer, dass dem Team vor allem in der ersten Halbzeit die mutigen Pässe nach vorne gefehlt haben. Stattdessen habe man „viel zu viel nach hinten gespielt.“ So wirkte das eigene Aufbauspiel mut-, ideen- und trostlos, frei von Dynamik und Kreativität. Das zog sich durch alle Mannschaftsteile und das Team wirkte insgesamt sehr verunsichert. Keine gute Grundvoraussetzung, um den gewünschten mutigen Fußball umzusetzen.

Abwarten statt hoch pressen

Doch noch etwas fehlte bisher, was man vor Saisonstart durchaus unter der Leitung von Blessin erwarten konnte: Der FC St. Pauli war bisher noch gar nicht so intensiv im Pressing. Eine richtige Ball- und Gegnerjagd gab es in den bisherigen Spielen nicht zu sehen. Zu seinem Antritt hat Blessin erklärt, dass man „in beide Richtungen mutig sowie aggressiv sein“ möchte. Vor dieser Aussage dürfte das Spiel in Augsburg lange Zeit überhaupt nicht nach dem Geschmack des FCSP-Trainers gewesen sein. Auch in den anderen Spielen war davon noch nicht so wirklich viel zu sehen.

Gegnerische Qualität steigt jetzt

Nun werden leider die kommenden Spiele nicht einfacher. Mit RaBa Leipzig und dem SC Freiburg trifft der FC St. Pauli auf zwei Clubs, die in Sachen individueller Qualität nochmal auf einer ganz anderen Ebene unterwegs sind, als jene aus Heidenheim, Berlin und Augsburg. Und dabei sind auch die Teams aus Berlin und Augsburg in Sachen Kaderqualität einfach ein großes Stück entfernt vom FCSP. Diese Lücke konnte im Sommer nicht geschlossen werden. Wie auch, wenn die anderen Clubs mit Transfersummen hantieren, die ziemlich weit entfernt sind von der finanziellen Realität des FCSP?

Allerdings ist der Eindruck aktuell, dass der sportliche Abstand im Vergleich zur Vorsaison eher etwas größer als kleiner geworden ist. Denn dem Team fehlt es an Offensivkraft und viele sind überzeugt, dass diese aktuell unnötigerweise auf der Bank schmort. Das in den ersten drei Spielen zu widerlegen, hat der FC St. Pauli nicht geschafft. Nun muss dringend aufgepasst werden, dass man nicht in einen Teufelskreis gerät. Eine Systemanpassung zur falschen Zeit würde vermutlich für mehr Unsicherheit und Misstrauen sorgen, als für den Klassenerhalt hilfreich sind. Sowieso: Siege sind durch nichts zu ersetzen – dem FC St. Pauli würde im gesamten Prozess ein Erfolgserlebnis enorm weiterhelfen.

Immer weiter vor!

Mut macht, dass man in keinem der bisherigen drei Ligaspiele sofort merkte, dass sich da auf der anderen Seite ein Gegner befand, der mit wesentlich mehr finanziellen Mitteln im Wettbewerb unterwegs ist. Kein bisheriger Gegner war so übermächtig, dass man chancenlos gewesen ist. Im Gegenteil: Es ist der FC St. Pauli, der auf den Spielverlauf den größeren Einfluss nehmen konnte.Mut macht auch, dass sich das Team jeweils gegen die Niederlage stemmte, nicht aufsteckte. Die Bereitschaft im Team ist groß, was sich auch an der Laufleistung (kein Team lief mehr) erkennen lässt. Wichtig ist aber, dass sich dann auch bald Erfolg einstellt. Andernfalls sinkt das Vertrauen in die eigene Stärke und das System, ein Teufelskreis könnte sich entwickeln.

Es ist also aktuell eine Art Konglomerat aus Problemen, die für den Fehlstart des FC St. Pauli gesorgt haben. Wie der Erfolg, hat auch der Misserfolg viele Väter. Der Vorteil: Wenn es gelingt, bereits einzelne Probleme abzustellen, könnte sich dadurch eine positive Kettenreaktion ergeben.

Übrigens: Fünf von 19 Clubs, die mit Null Punkten aus drei Spielen in die Saison starteten, stiegen am Saisonende ab. Ebenso viele schafften es nach 34 Spielen, unter den Top 7 der Liga zu stehen. Ein schöne Statistik, die auch zeigt, dass die Tabelle nach drei Spielen eher geringe Aussagekraft besitzt. Beim FC St. Pauli wird man dieser Tabelle vermutlich nicht allzu viel Aufmerksamkeit schenken. Da gibt es nämlich dringendere Themen, die angegangen werden müssen.

// Tim

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