Kommentar: Real-Verschwörung? Eine unbequeme Wahrheit für Bayern-Fans | OneFootball

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·9 mai 2024

Kommentar: Real-Verschwörung? Eine unbequeme Wahrheit für Bayern-Fans

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Nils Kern richtet sich an die Fußball-Verschwörungstheoretiker – Foto: getty images

Liebe Bayern-Fans und auch sonstige im-Europapokal-für-die-Deutschen-Halter,


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ja, das Schiedsrichter-Team hat mit dem frühen Abseitspfiff einen Fehler getan. Gar keine Frage. Ich kann sogar in Teilen verstehen, dass bei Bayern-Fans direkt die Erinnerungen an die zwei irregulären Abseits-Tore 2017 von Cristiano Ronaldo aufkamen, als es „leider“ noch keinen VAR gab. Auch das waren Fehler. Aber jetzt kommt’s: Macht ihr es euch nicht ein bisschen einfach?

Erstens: Wer sagt denn, dass Noussair Mazraouis Knie und Matthijs de Ligts Kopf nicht doch haarscharf im Abseits waren? Wer sagt, dass Antonio Rüdiger, Éder Militão und vor allem Andriy Lunin, die mit dem Ertönen des Pfiffs sichtbar an Körperspannung verloren beziehungsweise „aufhörten“ zu spielen, das Gegentor nicht hätten verhindern können?

Das ist alles spekulativ. Der Schiedsrichter hätte die Realität bemühen können, hätte er das Spiel laufen lassen. Egal, ob der Ball dann tatsächlich rein gegangen wäre oder nicht, hätte sich der VAR dann in Ruhe das Abseits ansehen können – aber durch den Pfiff konnte der VAR nicht mehr eingreifen. Wir Madridistas kennen uns da leider aus durch Jude Bellinghams nicht gegebenen Siegtreffer in Valencia, als der dreifache Abpfiff sogar noch unmittelbarer, also genau während Flanke und Abschluss fiel.

In Valencia war der Pfiff ein Fehler, wie im Bernabéu auch. Aber: er war nicht mehr zu korrigieren. So weit zur Regelkunde. Hier bezweifle ich auch gar nicht, dass die meisten Fans die Folgen und Bedeutung des Pfiffs verstehen. Aber sich dann auf eine große Verschwörung nicht nur gegen den FC Bayern, sondern auch gegen den deutschen Fußball zu stürzen? Da machen es sich meiner Meinung nach alle zu einfach!

Es ist einerseits menschlich, nach elf sehr erfolgreichen Jahren die Erkenntnis zu erhalten, dass man nicht immer gewinnen kann. Wer so erfolgsverwöhnt ist und von deutschen Medien und Experten (Lothar Matthäus: „Real Madrid hat Angst vor Bayern“) eingetrichtert bekommt, dass die Super-Bayern der Maßstab sind, jetzt aber in der vierten K.o.-Runde in Folge gegen Real Madrid raus fliegen, der könnte in die Analyse gehen, Gründe suchen, oder sich auf die einfachste Lösung stürzen: wir wurden beschissen, wie es Karl-Heinz Rummenigge 2017 zusammenfasste. Nochmal: Damals handelte es sich um zwei Fehlentscheidungen, doch es gab auch (teils krasse) viele Fehlentscheidungen auf Bayern-Seite, was in dieser Nachbetrachtung gerne mal unterschlagen wird, so hätte es beispielsweise nie zur Verlängerung kommen dürfen. Egal.

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Liebe Bayern-Fans und auch alle anderen: die unbequeme Wahrheit ist, dass Real Madrid nicht am Mittwoch etwas besser war, sondern auch schon in den Jahren davor. Was bedeutet besser? Frischer im Kopf, frischer im Körper, frischer auf der Bank, griffiger und effizienter in den einen Momenten, cooler und konzentrierter in den anderen, weniger fehleranfällig. Um nur ein paar Dinge zu nennen. Vielleicht ist die Wahrheit nicht: Die UEFA pfeift für die Blancos, die übrigens als einziger Klub im jahrelangen Clinch mit selbigem Verband stehen, sondern dass mal wieder ein anderes Team besser war als der deutsche Rekordmeister. Das kommt nicht oft vor, aber es kommt vor, vor allem wenn der Gegner mit dem Selbstverständnis von schon 98 Titeln daher kommt.

Warum wird ohnehin nur über die Szene geredet, nicht aber von Thomas Tuchels schwachen beziehungsweise das Spiel eher negativ beeinflussenden Wechseln, oder wie platt – mental und körperlich – manche Bayern-Profis waren, oder Manuel Neuers Fehler vor dem Fehler (dem überhasteten Abwurf in Minute 88) oder wie war das mit der 14- statt neunminütigen Nachspielzeit (obwohl nur die Bayern 20 Minuten Zeit hatten für Zeitspiel, Real ja erst nach der 91. Minute)? Real Madrid mag Glück haben, aber Real Madrid erzwingt auch Fehler, speziell bei Torhütern (Ulreich, Karius, Donnarumma und ja, selbst der große Neuer). So viele späte Tore sind kein Glück, schwarze Magie oder Schiedsrichter-Gunst, sondern die Größe einer Mannschaft, die Frische von Ersatzspielern, das geringere Fehler-Risiko dank höherer Konzentration, die Bereitschaft zu „es auch mal eklig machen“ und leiden, ein seit 2009 erfolgreiches Kader-Management angesichts zwölf von 14 Halbfinals und so vieles mehr.

Aber von so viel Realismus wollen manche nichts hören. Trotzdem Danke für den Versuch, indem ihr auf diesen Artikel geklickt habt. Und wenn ich doch die Augen des einen oder anderen Deutscher-Fußball-Fans öffnen konnte, freut es mich. Die Real-Verschwörung ist eine kleingeistige Lösung, die Realität ist viel komplexer. Oder eigentlich nicht: Real Madrid war im entscheidenden Spiel – dem Rückspiel – mal wieder besser als die Bayern und ist daher verdient weiter gekommen. Jetzt lasset die Hate-Kommentare à la „Du hast eh die Real-Fanbrille auf“ kommen.

Wenn ihr einen neutralen Experten ohne offensichtliche Real-Fanbrille, aber auch ohne Bayern-Agenda hören wollt, empfehle ich euch die kurze Einschätzung von Rasenfunk-Gründer Max-Jacob Ost: „Regt euch nicht auf, Bayern war deutlich unterlegen, hat auf Konter und übel auf Zeit gespielt. Kann man nach so einem Spiel nicht einfach sagen, dass es bitter war, aber dass man sportlich deutlich unterlegen war?“

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