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·29 octobre 2024
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Nach mehreren Jahren Bundesliga-Mittelmaß und einer völlig verkorksten Vorsaison sollte beim VfL Wolfsburg eigentlich alles besser werden. Doch wieder einmal läuft die so teuer zusammengestellte Mannschaft den Erwartungen meilenweit hinterher.
Nachdem der VfL Wolfsburg die Relegationssaisons 2017 und 2018 zwischenzeitlich vergessen machen konnte und zwischen 2019 und 2021 dreimal in Folge zur Top-Sieben der Bundesliga gehörte, hat mittlerweile wieder das Graue-Maus-Image im Osten Niedersachsens Einzug gehalten. Mit Tendenz nach unten. Schon in der abgelaufenen Spielzeit steckten die Wölfe teilweise im Abstiegskampf und trennten sich nach 26 Spieltagen von Trainer Niko Kovac. Der Österreicher Ralph Hasenhüttl übernahm und führte den deutschen Meister von 2009 immerhin noch auf den zwölften Tabellenplatz.
Im Sommer sollte dann ein frischer Start her. Peter Christiansen, der sich in Kopenhagen einen exzellenten Ruf erarbeitet hatte, wurde anstelle des zu RB Leipzig abgewanderten Marcel Schäfer als Geschäftsführer Sport installiert. Hasenhüttl absolvierte zudem seine erste Vorbereitung mit der Mannschaft und besaß daher beste Voraussetzungen, um den VfL vom biederen Kovac-Fußball wegzuführen. Die Transferausgaben hielten hielten sich dabei im Rahmen. Ausgaben von knapp 30 Millionen standen Einnahmen von 20 Millionen Euro gegenüber. Noch ein Jahr zuvor waren ungefähr 70 Millionen Euro für Neuzugänge locker gemacht worden.
Es lässt sich nach acht absolvierten Spieltagen sogar festhalten, dass Christiansen und Sportdirektor Sebastian Schindzielorz bei ihrer Spielerauswahl ein durchaus feines Näschen bewiesen haben. Kamil Grabara (kam für 13,5 Millionen Euro vom FC Kopenhagen) zählt in der Frühphase dieser Saison zu den besseren Torhütern der Bundesliga, Konstantinos Koulierakis (kam für 11,75 Millionen Euro von PAOK Saloniki) ist ohne Frage ein herausragend spannendes Innenverteidiger-Talent und der von Union Saint-Gilloise ausgeliehene Mohamed Amoura gehört bislang zu den wenigen Positiv-Überraschungen im Kader.
Und dennoch befindet sich im Herbst 2024 eine ganze Menge Sand im Getriebe der Autostadt. Wenn man im PKW-Jargon verweilen will, könnte man auch sagen: Der Motor stottert gewaltig. Mit gerade einmal acht Punkten aus acht Spielen stehen die Wolfsburger nur auf Rang 14, wobei der Vorsprung auf den Relegationsrang drei Zähler beträgt. Das biedere 0:0 gegen den Aufsteiger FC St. Pauli glich ähnlich wie die 2:4-Heimpleite gegen Werder Bremen am vorherigen Wochenende einem Offenbarungseid. Offensiv agieren die Wölfe trotz individuell hervorragendem Spielermaterial zuweilen zahnlos, während es in der eigenen Defensive drunter und drüber geht. 16 Gegentore aus acht Partien sprechen dahingehend eine klare Sprache.
(Photo by Leon Kuegeler/Getty Images)
Es ist dabei weniger die eigentliche Zwischenbilanz nach knapp zwei Monaten Bundesliga als viel eher der Trend der vergangenen Wochen, der beim Blick auf den VfL Sorgen bereitet. Die Hasenhüttl-Elf hatte das vielleicht undankbarste Auftaktprogramm aller Klubs und musste an den ersten fünf Spieltagen direkt mal gegen den FC Bayern, Eintracht Frankfurt, Bayer Leverkusen und den VfB Stuttgart ran. Auch wenn man aus diesen vier Partien nur einen Punkt sammeln konnte, präsentierten sich die Wölfe insgesamt ansprechend, schossen acht eigene Tore und unterlagen jeweils nur knapp. Da darüber hinaus ein Pflichtsieg gegen Holstein Kiel eingefahren und am sechsten Spieltag auch der VfL Bochum bezwungen wurde, schrillten die Alarmglocken in der Autostadt noch nicht allzu laut.
Nach der Länderspielpause folgte auf den Ergebnis- dann aber auch der Leistungseinbruch, dessen Resultat ein ernüchterndes Zwischenfazit nach dem ersten Saisonviertel ist. Der VfL spielte gegen vier der vielleicht fünf bis sechs besten Mannschaften der Liga, andererseits ging es ebenso bereits gegen die drei vermeintlich schwächsten Teams. Und wenn dieser Querschnitt gleichbedeutend mit einem Punkt pro Spiel ist, dann ist in Wolfsburg niemand damit zufrieden. Oder etwa doch?
„Es gab Chancen auf beiden Seiten, der Gegner mehr in der ersten Halbzeit und wir nach der Pause. Die Jungs haben es geschafft, wieder zu Null zu spielen. Den Spagat hinzubekommen, defensiv stabiler zu stehen und trotzdem vorne Torchancen zu erarbeiten, haben wir in der zweiten Hälfte geschafft. Am Ende ist es ein leistungsgerechtes Unentschieden“, analysierte Hasenhüttl die am Samstag gezeigte Leistung gegen den FC St. Pauli. Salih Özcan hingegen sprach von „einem weinenden und einem lachenden Auge“. So mancher Beobachter hätte nach dem torlosen Remis einer Mannschaft mit Marktwert von deutlich über 200 Millionen Euro bei einem Aufsteiger sicherlich mit etwas mehr Selbstkritik gerechnet.
Lediglich Yannick Gerahrdt, der schon nach der Heimniederlage gegen Werder den Finger in die Wunde legte, fand deutlichere Worte. „Für uns als VfL Wolfsburg ist das zu wenig. Wir wollten gerade nach der Niederlage gegen Bremen unbedingt drei Punkte mitnehmen“, stellte der 30-Jährige klar. „Das ist uns aber nicht gelungen, deswegen können wir auch nicht zufrieden sein.“ Doch alles in allem bekommt man anhand der getätigten Aussagen nicht das Gefühl, dass sie in Wolfsburg seit Monaten und Jahren ihren eigenen Ansprüchen hinterherlaufen.
(Photo by Stuart Franklin/Getty Images)
Ein weiterer Faktor für den misslungenen Saisonstart ist die gravierende Schwäche im eigenen Ballbesitz. Nur der VfL Bochum hat noch seltener das Spielgerät, eine schwächere Passquote weist hingegen im gesamten Ligavergleich kein Team auf. Immer wieder wollen sich die Wölfe mit langen Bällen behelfen, ein offensives System ist abseits der individuellen Momente von Einzelkönnern wie Jonas Wind, Tiago Tomas oder Neuzugang Amoura auch nach sieben Monaten unter Hasenhüttl nicht zu erkennen. Die dazukommenden Probleme in der defensiven Organisation ergeben einen gefährliche Mischung, die den VfL – zumindest derzeit – zu einem Abstiegskandidaten macht.
Die ausbleibenden Ergebnisse und der biedere Spielstil dienen auch als Erklärung für die wiederholt verwaisten Sitzplätze im Volkswagen-Stadion. In den letzten beiden Saisons besaß der VfL einen Zuschauerschnitt von 25.000 pro Partie, während in den vier Heimspielen der bisherigen Spielzeit immerhin 27.000 Anhänger in die Arena strömten. Gegen Bayern und Werder war die Heimspielstätte unter gütiger Mithilfe der Auswärtsfans ausverkauft, wohingegen es gegen Frankfurt und Stuttgart mehr als 2.000 leere Sitzschalen zu verzeichnen gab. Gegen Gegner von geringerer Strahlkraft kann mit einem weiteren Rückgang der Zuschauerzahlen gerechnet werden.
(Photo by Cathrin Mueller/Getty Images)
Zumindest im heutigen DFB-Pokalspiel gegen Borussia Dortmund wird die Volkswagen-Arena aber nahezu ausverkauft sein. Ein Erfolgserlebnis gegen die ebenfalls kriselnden Schwarzgelben könnte aus Wolfsburger Sicht zu keinem besseren Zeitpunkt kommen, stehen der Hasenhüttl-Elf doch so etwas wie die Wochen der Wahrheit bevor. Die Spiele gegen den FC Augsburg, den FC Heidenheim und Union Berlin werden dabei viel Licht ins Dunkle der Autostadt bringen. Präsentieren sich die Wölfe verbessert im eigenen Spiel mit dem Ball? Bekommt man die defensive Anfälligkeit in den Griff? Und punktet man gegen Gegner auf vermeintlicher Augenhöhe endlich mal konstant? Fällt die Antwort auf diese Fragen mit nein aus, stünde der VfL zum Wintereinbruch knietief im Tabellenkeller. Mit dem Duell gegen den BVB werden also tatsächlich imminent wichtige Wochen eingeläutet. Für Mannschaft und Trainer.
(Photo by Oliver Hardt/Getty Images)