
Miasanrot
·31 mars 2025
FC Bayern: Thomas Müller spielt nimmer?

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·31 mars 2025
Der FC Bayern München und Thomas Müller gehen wohl getrennte Wege – zumindest in der aktuellen Konstellation. Eine gute Entscheidung?
„Müller spielt immer!“ Diese drei Worte von Louis van Gaal überraschten damals durchaus. Selten hatte ein Trainer des FC Bayern München einem jungen und unerfahrenen Spieler wie Thomas Müller eine derartige Garantie auf Spielzeit ausgesprochen. Vielleicht sogar noch nie zuvor.
Doch die Überraschung über diese deutliche Aussage wich ziemlich schnell einer Gewissheit: Dieser Mann ist ein Jahrhunderttalent. Aber kein typisches, keines wie Cristiano Ronaldo oder Lionel Messi. Spieler, denen man nach nur einer Sekunde Beobachtung anmerkt, dass sie über allen anderen schweben.
Bei Müller brauchte es schon immer etwas mehr Zeit, vor allem auch etwas mehr Konzentration auf sein Spiel, um die Bedeutung seiner Aktionen richtig einschätzen zu können.
Und richtig einschätzen bedeutet in diesem Fall nicht, was oft über ihn gesagt wurde, wenn die Worte „typisch Müller“ fielen. Nicht selten wurde ihm eine unorthodoxe Spielweise unterstellt, oder dass er nur wegen seiner „Raumdeuter“-Fähigkeiten überdecken könne, dass er ansonsten in vielen Bereichen Durchschnitt sei.
„Thomas ist nicht sehr schnell“, sagte selbst Karl-Heinz Rummenigge in der Dokumentation über Müller bei Prime Video: „Er ist durchschnittlich schnell. Seine Technik ist Durchschnitt. Sein Dribbling ist Durchschnitt.“ Alle wissen, wie es gemeint ist. Und doch wird es dem Urgestein des FC Bayern nicht gerecht.
Müllers Spielweise lässt sich eher mit Kalkulation auf sehr hohem Niveau umschreiben. Aber mit einem Chip, der allen anderen auf dem Markt deutlich überlegen ist. Während andere Computer auf dem Feld überhitzt auf die Berechnungen warten, weiß Müller längst, was bei den nächsten drei, vier Kontakten passiert.
Diesen Vorteil, so meinte es auch Rummenigge, nutzte der Weltmeister von 2014, um seine Schwächen zu verstecken und auf höchstem Niveau eine Rolle spielen zu können. Nur wird dabei so getan, als hätte Müller keine besonderen Fähigkeiten am Ball gehabt. 247 Tore und vor allem auch 273 Assists in 742 Pflichtspielen für den FC Bayern entstehen aber nicht mit Holzfüßen.
Müller hat eine durchaus schlaksige Art an sich, aber auch zwei sehr feine Füße. Steckpässe, kurze Heber, blind gespielte Flanken oder Pässe in genau die richtige Zone, Volleytore, gut getimte Kopfbälle – seine Technik sollte nicht kleiner gemacht werden, als sie war und bis heute ist. Müller ist ein herausragender Spielmacher.
Vor allem aber ist er ein Bessermacher. Einer, der über Jahre hinweg der bestmögliche Assistenz für Bayerns Topspieler war. Nicht nur die Mittelstürmer wie zuletzt Robert Lewandowski und Harry Kane profitierten von seinen Laufwegen, seinem Pressingverhalten und seinen technischen Fähigkeiten im Kombinationsspiel. Auch Arjen Robben ist eine Legende, die ihre Geschichte in München zumindest in Teilen Müller zu verdanken hat.
Im Interview mit Miasanrot sagte der Niederländer 2018, dass Müller und Philipp Lahm „sehr wichtig“ für seine Karriere gewesen wären. „Mit Philipp hatte ich und mit Thomas habe ich auf dem Platz noch ein super Verhältnis. Auch neben dem Platz“, so der Linksfuß damals: „Wenn Thomas auf dem Platz steht, dann bin ich auch immer um einige Prozente besser.“
Ähnliche Zitate gibt es auch von Lewandowski. Ihre großen Geschichten sind auch die eines der größten Spieler in der Geschichte des FC Bayern: Thomas Müller.
Und selbstredend sind es nicht nur die fußballerischen Qualitäten, die ihm dieses Standing verschafft haben. Müller ist der Prototyp eines Bayern-Spielers. Würden sich Bayern-Fans den perfekten Jugendspieler erstellen, käme wohl der heute 35-Jährige heraus.
Als eine Art Außenminister des FC Bayern hat er die Interessen des Clubs mit einer unnachahmlichen Kombination aus Ehrlichkeit, Humor und Analyse perfekt vertreten. Aber auch nach innen war er für junge Spieler stets eine wichtige Anlaufstelle mit seiner Erfahrung und seinen Führungsqualitäten. Und genau an der Schnittstelle zwischen diesen und seinen sportlichen Fähigkeiten gilt es seit Saisonstart eine Entscheidung zu treffen.
Müllers Vertrag läuft im Sommer aus. Wie der kicker zuerst berichtete und andere Medien anschließend bestätigten, soll es keine Verlängerung geben. Sportlich ist Müller nicht mehr der unumstrittene Bessermacher. Unter verschiedenen Trainern reichte es zuletzt nicht mehr zu relevanter Spielzeit.
Die Frage war daher nur, wie wichtig man seine Rolle in der Kabine einschätzt und ob er selbst Lust darauf hat, noch ein weiteres Jahr ohne viele Minuten auf dem Platz zu verbringen.
Für die Münchner geht es jetzt auch darum, den Generationenwechsel sowie einen Umbruch im Kader voranzutreiben. Das geht nicht, wenn man sich bei zu vielen engeren Entscheidungen für ein „weiter so“ entscheidet.
Müllers Zeit neigt sich ehrlicherweise schon etwas länger dem Ende zu. Insofern wäre die Entscheidung richtig, den Vertrag nicht zu verlängern. Es ist Zeit für einen Neuanfang und dafür, das riesige Loch, das er auf vielen Ebenen hinterlassen wird, sukzessive zu schließen.
Vielleicht gibt es ja sogar eine Lösung, die es beiden Seiten ermöglicht, die Zusammenarbeit fortzuführen, ohne einen Kaderplatz zu „blockieren“. Vielleicht wird Müller aber auch in eine andere Liga wechseln, in der das Gesamtniveau etwas niedriger ist, wenn er noch Lust auf aktiven Fußball hat. Die MLS gilt als mögliches Ziel.
Die wichtigste Frage aber wird sein, ob man diesen besonderen und langen Abschnitt beim FCB stilvoll beendet bekommt. Das lässt sich jetzt noch nicht beurteilen. In den vergangenen Stunden wurde und in den kommenden Tagen wird noch sehr viel berichtet werden. Bekanntermaßen auch sehr viel Unsinn.
Richtig sortieren kann man solch einschneidende Momente ohnehin erst mit dem nötigen Abstand. Es zeichnet sich aber ab, dass es ab Sommer heißt: „Müller spielt nimmer“. Zumindest nicht für den Rekordmeister. Es wäre das Ende einer Ära, die die Bezeichnung „Ära“ ausnahmsweise mal verdient hat.