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Vertikalpass
·26 février 2025
Der nette Herr Hoeneß
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·26 février 2025
Sebastian Hoeneß ist ein Glücksfall für den VfB: Er macht alle Spieler besser, er hat ein Spielsystem installiert, das zum Kader passt und die Zuschauer begeistert. Er hat Stil und Niveau, er ist besonnen und reflektiert. Er findet den richtigen Ton, liegt (fast) nie daneben. Kurzum: Er ist der beste Vertreter für den VfB, den wir uns wünschen können.
Für Hoeneß sind die VfB-Spiele meist „in Ordnung“. Er sieht zwar schon mal „18 unreife Minuten“ wie gegen Wolfsburg, aber er hat seiner Mannschaft trotz des enttäuschenden 1:1 in Hoffenheim eine gute Leistung attestiert. Damit hat er grundsätzlich Recht und man merkt: Er sieht immer das Gute. Bei ihm ist das Glas stets halb voll und nicht halb leer. Aber im Moment schmeckt die Leistung seines Teams ein wenig schal. Denn es geht hinsichtlich Leistung und Punkte deutlich mehr, dagegen scheint es so, als ob alle zufrieden wären. Immer wieder darauf zu verweisen „woher man komme“, ist nicht gerade leistungsfördernd.
Es wurde enorm in den Kader investiert, bestehende Verträge mit Nationalspielern verlängert. Hier liegt der VfB bereits auf Champions League-Kurs. Hoeneß wird ab jetzt hoffentlich weniger nett sein, sondern fordernder werden, nicht immer um Verständnis bitten und auf schwierige Umstände hinweisen, sondern seinen Ton verschärfen und Mängel deutlich adressieren. Wie die Chancenverwertung im Spiel gegen Hoffenheim. Das Larifari, das manchmal im letzten Drittel gespielt wurde. Er wird seine Führungsspieler in die Pflicht nehmen, Formdellen ansprechen, Ansprüche klar formulieren.
Natürlich wird damit Druck aufgebaut, es wachsen die Erwartungen, es entsteht eine Fallhöhe. Aber soll der VfB am Ende der Saison ganz nett auf Platz 7 stehen, alle haben sich lieb – aber alle ärgern sich, weil einfach mehr drin war?
Und der nette Herr Hoeneß wird sich dann überlegen müssen, ob er an einem anderen Standort nicht die besseren Möglichkeiten hat. Wir finden das wahrscheinlich gar nicht nett, aber so ist das eben im Fußball-Business. Vor allem, dass ständig darüber diskutiert wird, angestachelt durch Medien(-Menschen), die ein bisschen mehr Substanz in der Fußballberichterstattung vertragen könnten.
Beim Auswärtsspiel in Leverkusen am 1. November fragte der sky-Reporter Bayer-Sportdirektor Simon Rolfes, ob Hoeneß nicht ein guter Nachfolger sei, sollte Xabi Alonso den Pillenclub im Sommer 2025 verlassen. Das hat in etwa das Niveau, als ob man Victoria Beckham fragen würde, ob Harry Kane als nächster Ehemann in Frage kommen würde, sollte sie irgendwann David Beckham verlassen. Jetzt führt laut diverser Forenbeiträge und dem kicker „ein heiße Spur nach Leipzig“. Die Lunte gelegt haben soll angeblich Jürgen Klopp.
Wenn „es heiß“ wird, kommen die Transferexperten aus ihren Schmuddelecken: In atemberaubendem Tempo schreien sie den neuesten (Transfer-)Klatsch heraus, auch wenn sich in den Meldungen sehr viel Konjunktiv befindet. „Erster, Erster“ rufen sie und schnippen mit den Fingern wie kleine Kinder. Tempo ist wichtiger als Qualität. Stilistisch nehmen sich die Transfer-Protagonisten ein Vorbild an seriösen Magazinen wie „Bild der Frau” „Die neue Post“ oder „Das goldene Blatt“. Es wird sicher nicht mehr lange dauern, bis Tik-Tok-Accounts, Webseiten oder YouTube-Kanäle mit Namen wie „Transfer Revue“ oder “Das goldene Transfer Blatt“ gegründet werden.
Null-Nachrichten wie „Uli ist nicht sein Vater“ wechseln sich ab mit Meldungen wie „Diese Nachricht verzaubert alle Leipziger“. Es wird gefragt „Heimliche Verlobung zwischen Enzo und der Borussia?“ und ein „Glücksjubel im Hause Mittelstädt!“ vermeldet. Das alles müssen wir jetzt mindestens bis zum Saisonende bzw. zum Ende der Transferperiode im September ertragen. Und nett wird es ganz sicher nicht.
Es sei denn die Überschrift heißt „Entscheidung des Herzens bei Hoeneß!“. Dann wäre er wirklich der nette Herr Hoeneß.
Bilder: Alex Grimm/Getty Images (Aufmacher), Christian Kaspar-Bartke/Getty Images (Titelseite “Das Goldene Transfer-Blatt”)