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·21 janvier 2025
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In der Champions League steht am Dienstagabend angeblich sein Arbeitsplatz auf dem Spiel. Dabei sind seine vielen Bosse nicht unschuldig an der verkorksten Saison bei Borussia Dortmund
Zerfallserscheinungen kann man bei Borussia Dortmund immer dann feststellen, wenn ein Gerücht besonders kuriose Blüten treibt. Das letzte vom Wochenende geht laut SZ so: Kaderplaner Sven Mislintat und Berater Matthias Sammer würden Trainer Nuri Sahin am liebsten sofort loswerden und mit ihm Sportdirektor Sebastian Kehl – die Geschäftsführung um Aki Watzke und Lars Ricken aber sei von dieser drastischen Maßnahme nicht überzeugt. Man müsse hinzufügen: noch nicht. Als Betroffener muss man sowas ertragen können.
Denn so ist das immer, wenn Ergebnisse nicht den Erwartungen entsprechen und die Vereinsführung vom Modus “Unterstützung” auf Modus “Beobachten” umstellt: Der Trainer arbeitet dann auf Bewährung. Für Nuri Sahin ist die Situation neu. Borussia Dortmund ist seine erste Bundesliga-Station, er liebt diesen Verein und kennt die Vereinsführung, überspitzt formuliert, seit seiner Jugendzeit. Niemand spricht ihm ab, dass er sein Bestes gibt und das Beste will. Aber der Darwinismus im Profigeschäft nimmt keine Rücksicht.
Also fährt er mit seiner Mannschaft zum Auswärtsspiel in der Champions League (heute Abend in Bologna) und weiß nur, dass sein Arbeitsplatz auf dem Spiel steht. Bundesliga-Platz 10 mit 25 Punkten aus 18 Spielen ist für einen Kader, der einen Marktwert von einer halben Milliarde haben soll (exakt 445,7 Mio. Euro), eine mangelhafte Zwischenbilanz. In der Champions League reicht der aktuelle Tabellenplatz 9 nicht für die direkte Achtelfinal-Qualifikation. Der BVB müsste – Stand jetzt – in die Play-offs. Ist Sahin alleinschuldig daran?
Man bekommt fast Mitleid mit ihm, wenn man Auftritte von Nationalspielern wie Julian Brandt, Emre Can oder Marcel Sabitzer sieht. Bei Bayern München würden die kein Spiel mehr machen. Bei Borussia Dortmund hat Sahin keine Wahl: Er hat keine besseren. Die Frage ist: Stimmt deren Qualität nicht – oder holt er als Trainer nicht alles aus ihnen heraus? Was für ihn ein schwacher Trost ist: Schon seine Vorgänger sind daran gescheitert, aus guten BVB-Profis sehr gute zu machen und Titel in Serie zu gewinnen.
Die Wahrheit liegt vermutlich in der Mitte. Sahin ist ein talentierter Trainer, ja, aber eben genau das – ein Talent. Ein erfahrener Trainer hätte jetzt vielleicht die richtigen Knöpfe gedrückt, um eine Trendwende einzuleiten. Es ist deshalb auch die Frage zu klären, ob die Vereinsführung nicht naiv war, die verwöhnte Mannschaft überhaupt und grundsätzlich in die Hände eines Trainertalents zu legen. Der BVB ist ja kein Experiment. Verpasst man am Saisonende die Quali zur Köngsklasse wäre der Preis unverhältnismäßig groß.
Wenn Matthias Sammer seinen Beraterjob ernstnimmt und Sven Mislintat wirklich der gute Stratege ist, für den er sich hält: Warum haben sie’s dann so weit kommen lassen? Schon beim Pokal-Aus Ende Oktober (0:1 in Wolfsburg) waren die Probleme in der Mannschaftsführung offensichtlich. Die notorische Auswärtsschwäche seit dem Sommer zwang eigentlich zum Handeln. Aber die Süddeutsche Zeitung hat schon recht, wenn sie dem BVB unterstellt: “Zu viele Entscheider, die nicht entscheiden.” Ausbaden muss das jetzt Nuri Sahin.