
Miasanrot
·15 août 2025
Abschied durchs große Tor: Coman ist einer von 11!

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·15 août 2025
Kingsley Coman hat sich vom FC Bayern München verabschiedet. Der Franzose geht durch die Vordertür – zum richtigen Zeitpunkt.
Eine Flanke, ein Kopfball und ein Tor, das alles bedeutet. Der 23. August ging in die Geschichte des FC Bayern München ein – und Kingsley Coman war mit seinem Tor gegen Paris Saint-Germain der Headliner.
In Diskussionen rund um den Franzosen wird dieses Tor gern mal relativiert. Auch im Zuge einer großflächigen Kritik, die ihn immer wieder begleitet hat und bis heute begleitet. Doch Fakt ist: Coman ist einer von elf Spielern, die in einem Champions-League-Endspiel für den FC Bayern getroffen haben (Elfmeterschießen ausgenommen).
Mario Mandzukič, Arjen Robben, Thomas Müller, Stefan Effenberg, Mario Basler, Ludwig Kögl, Franz Roth (2x), Gerd Müller (3x), Georg Schwarzenbeck, Uli Hoeneß (2x) und eben Kingsley Coman.
Er ist zudem einer der wenigen, die sich zu Recht „Siegtorschütze“ nennen dürfen. Und er war in seiner Zeit beim FC Bayern deutlich häufiger einer für die großen Spiele, als ihm heute nachgesagt wird. Beispielsweise 2016 im Achtelfinale gegen Juventus Turin, als er mit Assist und Tor zur spektakulären Wende beigetragen hat.
Oder 2023 beim Achtelfinale gegen PSG, in dem er das 1:0 zum Auswärtssieg erzielte. Oder 2019 im Pokalfinale gegen die Dosenvertreter aus Leipzig: Coman traf zum wichtigen 2:0 kurz vor Schluss. In Erinnerung bleibt sicherlich auch sein Siegtreffer in der Verlängerung gegen Hertha BSC auf dem Weg in dieses Finale.
Ebenso wie sein frühes Führungstor gegen den 1. FC Köln, als es 2023 in der Bundesliga am letzten Spieltag um die Meisterschaft ging. Natürlich reden in diesem Zug alle über Jamal Musiala, aber Coman zeigte früh in diesem komplizierten Spiel, dass er bereit war. Sein Treffer im Champions-League-Finale war zweifelsfrei aber die Kirsche auf der Torte.
Dass der Franzose dennoch nicht bei allen Bayern-Fans nachhaltig in Erinnerung bleiben wird, hat mehrere Gründe. Neben seiner Verletzungsanfälligkeit fiel seine Laufbahn ausgerechnet in die Zeitspanne, in der er zwangsläufig ständig mit zwei der größten Spieler der Klubgeschichte verglichen wurde: Franck Ribéry und Arjen Robben.
Ein Vergleich, den nahezu jeder Spieler der Welt verloren hätte. Zu sehr hatte man sich in München an den Ist-Zustand gewöhnt, zwei absolute Ausnahmespieler auf den Flügelpositionen zu haben. Neben Coman kamen auch Spieler wie Douglas Costa, Leroy Sané oder Serge Gnabry in den Genuss der exorbitanten Erwartungen.
Viel vorzuwerfen hat sich Coman dennoch nicht. Denn was bei ihm im Vergleich zu anderen Spielern bemerkenswert war, war die Konstanz. Moment mal. Bitte was? Ja, genau. Ausgerechnet einer der größten Kritikpunkt am Rechtsfuß war sein großes Plus.
Denn wenn ihm mangelnde Konstanz unterstellt wird, muss klar differenziert werden. Coman war nur deshalb nicht konstant, weil er oft verletzt war. Wenn er aber spielte, dann hatte er selten Auftritte, in denen er zu nichts zu gebrauchen gewesen wäre.
Auch nach Verletzungen kehrte er relativ schnell wieder auf ein gutes, teils sehr gutes Level zurück. Sei es durch Dribblings, Kombinationen oder Laufwege: Coman hatte immer Aktionen im Spiel, die einen positiven Einfluss nahmen.
Manchmal hätte man sich von einem Spieler mit seinen Qualitäten gewünscht, dass er noch häufiger ins Risiko geht, noch mutiger agiert und dabei mehr Ballverluste agiert. Aber die unaufgeregte, durchaus abgeklärte Spielweise hatte auch ihre Vorteile. Weil Coman so zu einem Anker in der Offensive werden konnte. Zu einem, auf den man sich verlassen konnte. Nicht auf unumstrittenem Weltklasseniveau, aber auf einem Level, das den Münchnern immer etwas gebracht hat.
Gerade gegen Ende seiner Zeit beim FC Bayern wurde sein Gehalt aber in diesem Kontext zu einem Problem. Coman zählte zu den Topverdienern und war eben kein Talent mehr und auch kein klassischer Backup, bei dem die Messlatte bei „gut“ aufhört. Die Erwartung war, dass er noch häufiger der Spieler ist, der er im Champions-League-Finale 2020 war.
Und das ist der Schritt, der ihm nie richtig gelingen wollte. Umso nachvollziehbarer ist jetzt die Entscheidung aller beteiligter Parteien, sich zu trennen. Coman hätte sicherlich noch einige Spielzeiten auf dem aktuellen Niveau im Tank gehabt. Nur wird es jetzt eben Zeit für Veränderung – für den FC Bayern, aber auch für Coman.
Dass er jetzt so ein bisschen durch die Hintertür geht, wird seiner sportlichen Zeit in München nicht gerecht. Schuld daran ist er aber vor allem selbst. Der Wechsel nach Saudi-Arabien ist eine Entscheidung für das Geld. Aber auch eine, die eine Ambivalenz verstärkt, die die Person Kingsley Coman umgibt.
2017 zahlte der Bayern-Star eine Geldstrafe von 5.000 Euro. Grund dafür war häusliche Gewalt. Coman attackierte und bedrohte seine Ex-Freundin und musste sich dafür verantworten. Ein Thema, das gerade im Dunstkreis des Profifußballs oft viel zu beiläufig behandelt, gar abgetan wird. Ein Thema, das strukturell ist, wie der Fall Boateng und die Recherchen von Correctiv und SZ dazu aufzeigten.
Coman kam mit seiner Strafe gut weg – auch was die möglichen Auswirkungen auf seine Karriere betrifft. Den Wechsel nach Saudi-Arabien, einem Land, in dem Frauen kaum Rechte haben und systematisch diskriminiert werden, nun mit dieser Geschichte in Verbindung zu bringen, wäre nicht zielführend. Gleichwohl müssen sich jeder Fußballer und jede Fußballerin die Kritik gefallen lassen, dass sie diesen Zustand mit aktivem Sportswashing unterstützen.
Wie man all das gewichtet, ist individuell. Coman war 21 Jahre jung, als er vor Gericht stand. Ein Urteil über den Menschen Coman ist von außen unmöglich. Grundsätzlich leben wir in einer Gesellschaft, in der Resozialisierung und die Möglichkeit, sich zu rehabilitieren eine gewichtige Rolle spielen.
Auf der anderen Seite ist gerade der Profisport ein Bereich, in dem Männer regelmäßig ihre Macht gegenüber schwächeren Mitgliedern der Gesellschaft ausspielen – wie beispielsweise bei Frauen. Und zu oft kommen sie mit Strafen davon, die ihnen nicht wehtun. Zu oft ist der Weg zur Rehabilitation zu kurz und zu leicht. Dieses Problem darf auch im Coman-Kontext nicht unter den Tisch fallen.
Trotzdem ist wenig bekannt darüber, wie er sich als Mensch weiterentwickelt hat, wie er seine Straftat heute sieht und was er konkret daraus gelernt hat. Deshalb bleibt uns nur der fast unmögliche Spagat aus dem, was von damals bekannt ist und dem, was heute ist. Und neben dem Hinweis auf die komplexe Problematik dahinter letztlich auch nur noch der Blick auf das, was wir beurteilen können – und das ist der Sport.
Wer aus rein sportlicher Sicht in sehr jungen Jahren als Talent zum FC Bayern kommt, dann neun Meisterschaften, drei DFB-Pokale, einen UEFA-Supercup, die Klub-WM, sechsmal den deutschen Supercup und eben diesen Pokal mit den großen Ohren inklusive Siegtor holt, hat zumindest einige Argumente dafür, den Klub durch die Vordertür zu verlassen – und auch durch ein großes Tor.
Nicht durch das größte Tor, durch das die unumstrittenen Legenden gegangen sind. Dafür fehlte es ihm unter anderem an Glück, was seinen Körper anbelangt. Aber auch an Glück, was den Zeitpunkt seiner Leistungen anbelangt.
Denn man könnte beim Blick auf die letzten Jahre durchaus das Gefühl bekommen, dass er als Nachfolger von „Robbéry“ zur falschen Zeit am falschen Ort war. Allerdings könnte man diese eher negative Betrachtungsweise auch umdrehen: Es war ein großes Glück für den FC Bayern, dass sie jemanden wie Coman damals gefunden haben.
Wie oft kommt es vor, dass Klubs ihre Legenden nahezu übergangslos ersetzen können? Die Bayern gewannen auch nach Robben und Ribéry zahlreiche Titel – auch international. Das wäre nicht möglich gewesen, hätte man auf den Flügeln nicht Spieler gefunden, die zumindest punktuell die Linie zur Weltklasse überschreiten konnten.
Spieler wie Coman haben den Niveauverlust nach einer absolut legendären Ära in Grenzen halten können. Das verdient mehr Respekt. Zumal sich der heute 29-Jährige auch in der Kabine zunehmend zu einem wichtigen Führungsspieler entwickelte.
Coman mag im engeren Sinne keine Legende des FC Bayern sein. Fair enough, wie man so schön sagt. Aber er ist auch deutlich mehr als ein stinknormaler Bayern-Spieler. Sein Pech, auf die mindestens zweitstärkste Generation dieses Klubs zu folgen, sollte ihm in der Retrospektive nicht negativer ausgelegt werden als nötig.