MillernTon
·14 de abril de 2025
Zweifelhafte Sicherheit

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·14 de abril de 2025
Es ist ein inzwischen vielerorts bekanntes Problem: Rechtsextreme Personen arbeiten als Ordner bei Fußballspielen. So auch geschehen im Stadion von Holstein Kiel?(Titelfoto: Stefan Groenveld)
„Nazis raus aus den Stadien!“ ist einer der Sprüche auf den sich wohl die meisten aller Profifußballclubs einigen können. Viele Clubs machen sich öffentlich gegen Rassismus und Faschismus stark, einige sogar dann noch, wenn es in der eigenen Fanszene durchaus auch rechte Tendenzen gibt. Dass dieses Vorhaben aber nicht immer gelingt, zeigte sich womöglich unter anderem im Rahmen des Auswärtsspiels des FC St. Pauli bei Holstein Kiel.
Im Gästebereich haben Fans des FC St. Pauli eine Person, die im Ordnungsdienst eingesetzt war, als Martin Engeborg identifiziert. Wie der Twitter-Account „Antifa Neumünster“ herausarbeitete, wurde Engeborg im April 2001 aufgrund mehrerer gewalttätiger Vergehen, unter anderem gegen Menschen mit Migrationshintergrund, zu einer mehrjährigen Bewährungsstrafe verurteilt. Vor wenigen Wochen war er als Ordner auf der Demonstration „Gemeinsam für Deutschland“ in Neumünster im Einsatz, auf der sich viele Personen aus dem rechten Spektrum versammelten.
Martin Engeborg arbeitete am Samstag beim Spiel zwischen Holstein Kiel und dem FC St. Pauli im Stadion für den Ordnungsdienst. Fotos zeigen, dass er dabei im Gästeblock im Einsatz gewesen ist. Laut unseren Informationen war er auch bereits Ende März beim Gastspiel von Werder Bremen für den Ordnungsdienst im Stadion im Einsatz. Auf BlueSky erklärte die „Braun-Weisse Hilfe“, dass Engeborg am Samstag „nach Ansprache der Problematik“ woanders eingesetzt worden sei, also den Gästebereich verließ.Dem MillernTon vorliegende Bilder zeigen zudem eine weitere Person des Ordnungsdienstes (bisher nicht identifiziert). Auch diese war im Gästeblock im Einsatz. Sie trägt ein auffälliges Tattoo auf dem linken Daumen, welches einer „Wolfsangel“ mindestens ähnlich ist.Nachtrag, 16.00 Uhr: Eine Person, die annimmt gemeint zu sein, hat sich per e-Mail bei uns gemeldet und verweist darauf, dass es sich bei dem Tatto nicht um eine Wolfsangel sondern um eine Rune handelt und erklärt, dass es keinen Zusammenhang zum Rechtsextremismus gebe. Die Person erklärt, dass sie zudem einen Wikinger-Kompass am Hals tätowiert hat.
Für die Fans des FC St. Pauli ist es nicht neu, dass bei Auswärtsspielen Personen mit möglicherweise rechtsextremistischen Hintergründen beim Ordnungsdienst arbeiten. In dieser Saison wurde ein solcher Fall beim Auswärtsspiel in Halle dokumentiert. Jahre zuvor wurden beim Gastspiel des FC St. Pauli in Dresden von zwei Personen, die als Ordner im Gästebereich im Einsatz waren, rechtsextreme Symbole mehr oder weniger offen zur Schau gestellt.
Die Problematik, dass zweifelhafte Personen in den Ordnungsdiensten in deutschen Fußballstadien tätig sind, ist also alles andere als neu. Ob in Magdeburg, in Leipzig, in Dortmund, in Cottbus, nicht zuletzt in Chemnitz und nun in Kiel – vielerorts gab und gibt es Vorfälle dieser Art. Die Dunkelziffer dürfte extrem hoch sein. Warum bekommen Fußballclubs diese Probleme nicht in den Griff?
Wichtig ist dabei zu wissen, dass eigentlich alle Clubs externe Dienstleister für den Ordnungsdienst bei den Spielen beauftragen. Welche Personen im Ordnungsdienst eingesetzt werden, darauf haben Vereine entsprechend nur bedingt Einfluss. Das erklärt auch Holstein Kiel auf unsere am Sonntag gestellte Anfrage: „Der Ordnungsdienst im Stadion wird am Spieltag von einem externen Dienstleister gestellt. Dort sind über 400 Ordner im Einsatz. Wer im Einzelnen eingesetzt wird, entzieht sich unserer Kenntnis.“Viele Clubs sind in dieser Thematik sensibilisiert, weisen explizit darauf hin, dass die externen Dienstleister besonders darauf zu achten haben. Dass ein Verein die Kontrolle der eingesetzten Personen im Ordnungsdienst nicht selbst durchführt, sollte auch klar sein. Dafür ist eigentlich auch jemand anderes zuständig.
Doch laut einer Recherche von MDR Investigativ aus dem Jahr 2023 gelingt es kaum, Personen mit rechtsextremistischen Ansichten aus diesem Berufsfeld herauszuhalten. Eigentlich soll genau dafür das sogenannte „Bewacher-Register“ sorgen. Personen, die im Auftrag der Sicherheitsdienste in sensiblen Bereichen oder bei bestimmten Veranstaltungen im Einsatz sind, dazu zählen auch Fußballspiele, müssen über ein Portal registriert werden. Erst nach Freigabe durch die Behörden (u.a. nach Prüfung der Personen durch den Verfassungsschutz), können Personen in diesen Bereichen eingesetzt werden.
Auffällig bei der Recherche des MDR: Zwar sind die Zahlen alles andere als komplett, doch rund 70 Prozent der Personen, zu denen es Hinweise in Sachen Rechtsextremismus oder Reichsbürgerbewegung von Seiten des Verfassungsschutzes gab, durften trotzdem in solch sensiblen Bereichen eingesetzt werden. Zudem ist die Zahl der Kontrollen mindestens bis ins Jahr 2023 extrem gering gewesen. Wichtig, auch im Kontext dieses Artikels: Laut der MDR-Recherche sollen verurteilte Straftäter*innen (mit einer Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr) eigentlich nicht für den Einsatz in sensiblen Bereichen eingesetzt werden dürfen.
Im Fall von Holstein Kiel steht nun eine Aufarbeitung an. Der Verein erklärt: „Wir haben den Hinweis an unseren Dienstleister mit der Bitte um Prüfung weitergegeben“ und wird hier nun sehr genau draufschauen.Dass Personen mit zweifelhaften Ansichten und Hintergründen für die Sicherheit im Fußballstadion sorgen, ist also weitverbreitet. Diese Probleme haben nicht einzelne Fußballclubs exklusiv, auch nicht der Profifußball insgesamt, es ist vielmehr ein Problem in der Branche allgemein. Wichtig ist aber, dass Profifußballclubs allein schon aufgrund ihrer gesellschaftlichen Strahlkraft auch in diesem Bereich das „Nazis raus aus den Stadien!“ geschlossen und konsequent durchsetzen.
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