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·6 de julio de 2024

Zuerst war ich stinksauer auf Nagelsmann - dann dankbar

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Seine Aufstellung gegen Spanien war irritierend. Aber seine Reaktion auf das EM-Aus zeigte: Er hat mit der Nationalmannschaft Großes geleistet

Bei Abpfiff war ich stinksauer auf Julian Nagelsmann, als Deutschland 1:2 n.V. gegen Spanien aus dem EM-Turnier rausflog. Ich konnte nicht verstehen, warum der Bundestrainer mit verkorksten Änderungen in der Startelf seine vorher so erfolgsverwöhnte Achse auseinandergerissen hatte.


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Emre Can statt Robert Andrich in der Schaltzentrale neben Toni Kroos, Leroy Sané statt Florian Wirtz auf dem Flügel: Das verunsichert doch! So spielten sie auch: Eine Halbzeit lang lief die deutsche Nationalmannschaft ihrem Gegner willenlos hinterher. Viel zu passiv das alles.

Zehn Minuten später war mein Ärger verraucht. Ich sah einen jungen Trainer vor der ARD-Kamera, der mit seinen Tränen kämpfte und um Worte rang. Dem nicht gleichgültig war, dass Deutschland vorzeitig die Heim-EM im Viertelfinale verlassen muss. Nagelsmanns Auftritt berührte mein Herz.

Ich rief mir die Bilder vom Rasen in Erinnerung, wie das Publikum im Stuttgarter Stadion die Nationalspieler verabschiedet hatte: mit viel Applaus und Dankbarkeit, weil die drei gemeinsamen EM-Wochen die Beziehung zwischen Mannschaft und den eigenen Fans repariert haben.

In der zweiten Halbzeit, als Nagelsmann Korrekturen in der Mannschaftsaufstellung vorgenommen hatte, spielte Deutschland zeitweise wie aus einem Guss. Und hätte, wenn der Schiedsrichter das Handspiel nicht ignoriert hätte, das Spiel gewinnen und ins EM-Halbfinale einziehen können.

Plötzlich hatte ich vor Augen, wie unsere Welt noch im Herbst ausgesehen hatte. Deutschland war fertig mit dieser Nationalmannschaft. Kein Mumm, kein Team, kein Garnichts: Das Resultat einer jahrelangen Gleichgültigkeit, was der Adler auf der Brust eigentlich bedeutet. Wir waren vergrätzt.

Wir konnten uns nicht vorstellen, dass die EM im eigenen Land ein Erfolg wird. Es gab Länderspiele, wo man auf der Gegengeraden den Schriftzug des Vereins lesen konnte. So leer waren die Sitzplätze in den Stadien, wenn Deutschland spielte. Ein Vorrunden-Aus war nicht unvorstellbar.

Wir dürfen das nicht vergessen: Julian Nagelsmann hat das geändert. Er hat Deutschland mit der Nationalmannschaft wieder versöhnt. Darum auch mein Ärger bei der Start-Aufstellung: Uns ist nicht mehr egal, ob Can oder Andrich spielt, Sané oder Wirtz. Wir sind wieder Bundestrainer.

Der echte Bundestrainer, der Julian, 36 Jahre alt und seit acht Jahren Cheftrainer, sprach in der Pressekonferenz weise Worte, als er „Tristesse“ thematisierte, die man vielleicht aus den Köpfen gespielt habe. In einem Land, das lieber schwarze als bunte Farben malt. Er hat recht.

Mein Bild-Kollege Alfred Draxler twitterte nach dem Spanien-Spiel: „Julian Nagelsmann hat nicht alles richtig gemacht. Aber er hat in der Niederlage Größe gezeigt!“ Wohl wahr. Ich würde sogar noch einen Schritt weitergehen: Seine Arbeit als Bundestrainer beginnt erst jetzt!

Vom Herbst bis jetzt zum EM-Turnier war er Feuerwehrmann: Er musste löschen, was seine Vorgänger in Brand gesteckt hatten. Kroos-Rückkehr, Hummels-Aus, Mannschaftsgerüst, Rollenverteilung: Ohne seine Maßnahmen hätten wir das EM-Viertelfinale niemals erreicht.

Jetzt geht der Blick Richtung Nordamerika-WM 2026: Er hat mit den Zwischenstationen Nations League und WM-Qualifikation zwei Jahre Zeit, seinen neuen und eigenen Kader aufzubauen. Die Aufgabe ist nicht gering: Noch ist kein Kroos-Nachfolger fürs Mittelfeld in Sicht. Nirgendwo.

Aber genau darin liegt ja die Herausforderung eines Bundestrainers: Aus den besten Spielern des Landes eine titelverdächtige Mannschaft zu formen. 2024 waren wir noch nicht so weit, das muss man ehrlich zugeben. Und trotzdem sollten wir dankbar für diese geile Heim-EM sein.

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