Vom heißesten Team Europas zum Sorgenkind: Was ist beim FC Barcelona los? | OneFootball

Noch vor wenigen Wochen galt der FC Barcelona als die wahrscheinlich beste Mannschaft im Klubfußball. Doch vor der Champions-League-Partie gegen Borussia Dortmund durchlebt Hansi Flick seine erste kleine Krise am Mittelmeer.

Barcelona: Ist der Flick-Fußball schon entschlüsselt?

Ende Oktober war die Welt des FC Barcelona noch in allerbester Ordnung. Nach dem beeindruckenden Back-to-Back-Sieg über den FC Bayern und den Erzrivalen Madrid waren sich fast alle Beobachter einig: Die Blaugrana ist unter ihrem neuen Trainer Hansi Flick das gefährlichste Team auf dem europäischen Kontinent. Die 0:1-Niederlage gegen Real Sociedad kurz vor dem Beginn der Länderspielpause wurde als Ausrutscher abgetan, der Vorsprung auf die Konkurrenz war noch immer groß genug.

Doch auch nach Rückkehr der Nationalspieler kamen die Katalanen nicht mehr in den Flow, der sie während der ersten zwei Saisonmonate so sehr ausgezeichnet hatte. Die Flick-Elf gewann nur eine der letzten fünf La-Liga-Partien und hat ihre Führung an der Tabellenspitze quasi verspielt. Real und Atletico befinden sich mit zwei beziehungsweise drei Punkten im Hintertreffen, absolvierten allerdings auch ein Spiel weniger.

Die Verletzten kehren zurück, der Erfolg (noch) nicht

Aber was ist passiert? Warum ist Barca in den letzten Wochen insbesondere gegen kleinere Mannschaften derart oft ins Straucheln gekommen? Zum Teil kann diese Formdelle noch immer auf die angespannte Personalsituation zurückgeführt werden. Marc-Andre ter Stegen und Youngster Marc Bernal werden in dieser Spielzeit nicht mehr auf den Rasen zurückkehren, auch die Innenverteidiger Ronald Araujo und Andreas Christensen fehlen seit geraumer Zeit. Dass auch Wunderkind Lamine Yamal kurzzeitig pausieren musste, machte die Situation nicht gerade leichter.

Und dennoch: Die katalanischen Sorgen nur auf das eigene Verletzungspech zu reduzieren, würde deutlich zu kurz greifen. Zu Saisonbeginn war das Lazarett noch deutlich voller, zahlreiche Top-Stars wie Gavi oder Frenkie de Jong kehrten in der Zwischenzeit zur Mannschaft zurück. Im Wesentlichen vertraut Flick ohnehin weiter auf den Kern, der ihm an der Mittelmeerküste einen so famosen Einstand beschert hatte. Rotation findet nur punktuell statt.

(Photo by Fran Santiago/Getty Images)

Liegt hier vielleicht sogar das Problem? Flick-Fußball ist unheimlich kräftezehrend, kein anderes Team in Spanien presst so permanent wie Barca. Eine solche Intensität während der gesamten Saison aufrechterhalten zu können, ist alles andere als einfach. Hinzukommt, dass fast alle katalanischen Leistungsträger Nationalspieler sind und in dieser Spielzeit schon drei Länderspielpausen in den Knochen haben. Der neue Champions-League-Modus mit acht statt sechs Begegnungen tut sein Übriges.

Flick wird im Laufe der weiteren Saison also nicht daran vorbeikommen, seinen Superstars die eine oder andere Pause zu verschaffen. Denn verläuft alles nach Plan, tanzt Barca noch bis Mai 2025 auf allen drei Hochzeiten. Das aktuelle Pensum gepaart mit der enormen Belastung des Flick-Balls werden Robert Lewandowski, Yamal oder der Vielspieler Pedri aber wohl kaum ein weiteres halbes Jahr lang gehen können. Schon während seiner zweiten Bayern-Saison 2020/2021 scheiterte der 59-Jährige an dieser Aufgabe, den Münchenern fehlte es auf den letzten Metern spürbar an Kraft.

Barca-Abwehr wird zur Schießbude

Ein weiterer Faktor für die zuletzt ausbleibenden Ergebnisse ist die defensive Anfälligkeit. Barca hat in La Liga bereits 19 Gegentore kassiert, bei Real und Atletico sind es gerade einmal dreizehn respektive elf. Alleine acht Treffer schluckte der 27-fache spanische Meister in den letzten fünf Begegnungen. Die Ausfälle von Christensen und Araujo schmerzen merklich, vor allem das kurz bevorstehende Comeback des Uruguayers lässt auf Besserung hoffen.

Denn während das Fehlen der Stamm-Innenverteidigung lange gut kaschiert werden konnte und die Blaugrana ihre Gegner vor allem mit einer extrem effektiven Abseitsfalle terrorisierte, gelingt es Inigo Martinez und Eigengewächs Pau Cubarsi in den vergangenen Wochen nur noch selten, den Laden zusammenzuhalten. In der Liga blieb Barcelona zuletzt Ende Oktober beim Clasico gegen Real ohne Gegentor.

Dass Flicks Spielsystem enorm risikoreich ist und so manches Gegentor bewusst einkalkuliert, wissen auch die Spieler. Doch den Katalanen fehlt aktuell mehr und mehr die notwendige Balance. Schon nach der 1:2-Niederlage gegen das Kellerkind UD Las Palmas vor zwei Wochen ließ der deutsche Trainer laut Marca-Informationen eine Krisensitzung abhalten. Erste Resultate brachte dieses Gespräch jedoch nur begrenzt ein, auf den deutlichen 5:1-Sieg auf Mallorca folgte ein 2:2 gegen Real Betis, bei dem Flick nach einer Auseinandersetzung mit Schiedsrichter Alejandro Muniz Ruiz sogar des Feldes verwiesen wurde. Wie schon gegen Celta Vigo hatte Barca einen Vorsprung eingebüßt und kurz vor der Schluss den Ausgleichstreffer kassiert. Sind auch die vielen späten Gegentore einem zunehmenden Kräfteverschleiß geschuldet?

(Photo by Fran Santiago/Getty Images)

Das ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht viel mehr als Spekulation. Denn noch vor wenigen Wochen machten die Spieler immer wieder mit herausragenden Fitnesswerten auf sich aufmerksam und überrannten Gegner um Gegner. Klar ist jedoch, dass Flick die Kräfte seiner Schützlinge noch besser verteilen muss, um seinen geliebten Pressing-Fußball auch in den nächsten Monaten weiterhin in dieser Form praktizieren zu können.

Wie effektiv diese Art des Fußballs nämlich sein kann, hat Barca in dieser Saison oft genug bewiesen. Schon am Mittwoch gegen Borussia Dortmund will die Blaugrana einer weiteren deutschen Mannschaft eine Kostprobe ihrer Qualität erteilen. Die Partie steht dabei unter dem klaren Motto: Gelingt dem FC Barcelona nach komplizierten Wochen die Trendwende? Oder wird aus der derzeitigen Formdelle eine erste wirkliche Krise?

(Photo by Fran Santiago/Getty Images)