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·30 de noviembre de 2023

Kommentar zu Union Berlin: Schuster bleib bei deinen Leisten!

Imagen del artículo:Kommentar zu Union Berlin: Schuster bleib bei deinen Leisten!

Nach jahrelanger Fußball-Party und unglaublich vielen Sprüngen in neue Sphären erlebte Union Berlin in dieser Saison erstmals seit dem Bundesliga-Aufstieg wieder die knallharte Seite des Geschäfts. Hatte man doch gefühlt die Hertha als Big-City-Club und Nummer eins in Berlin verdrängt, muss man jetzt aufpassen dem weiß-blauen Stadtrivalen in Sachen schlechtes Beispiel nicht zu folgen. Ein Kommentar.

Ist das Fußball-Märchen um Union Berlin bereits ausgeträumt? Stellt das Erreichen der Champions League in der letzten Saison die Spitze des Erfolgs dar und befindet sich der Kult-Club aus Köpenick nun auf dem Weg Richtung Talsohle? Hat man sich verzockt und dabei ein Stück weit seine Identität aufgegeben? Wollte man zu viel auf einmal und das auch noch zu früh? Wäre Urs Fischer heute noch Trainer, wenn man dem Union-Weg treu geblieben wäre oder war es richtig die Gunst der Stunde zu nutzen, um nach neuen Sternen zu greifen?


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Fragen über Fragen bei den Roten und der neue Mann an der Linie, Nenad Bjelica, soll zumindest ergebnistechnisch schnellstmöglich Antworten liefern.

Big-City-Club? Union hat sich den Kopf verdrehen lassen

Manchmal ist es im Fußball erschreckend, wie schnell sich das Blatt wenden kann und wie schmal der Grat zwischen Märchen und Horrorfilm liegt. Das muss Union Berlin gerade am eigenen Leib erfahren.

Das Märchen begann mit dem Aufstieg in die Bundesliga und schien seitdem einfach nicht enden zu wollen. Feierlich gekrönt mit dem Einzug in die Königsklasse und dem zeitgleichen Abstieg des Stadtrivalen Hertha BSC in der vergangenen Saison. Union wurde in Windeseile zu dem Big-City-Club erkoren, der Hertha in den letzten Jahren gerne gewesen wäre. Man überholte die 'Alte Dame' sogar bei den Mitgliederzahlen. Die geheime Formel für den Erfolg schien vor allem zu sein, bei sich zu bleiben und den Union-Weg geradlinig und bodenständig zu beschreiten.

Besonders spielerisch sagte man den Unionern des Öfteren nach, dass die Anlagen eher einfach gestrickt seien und dennoch so schwierig zu bespielen. Grund dafür war wohl, dass die Mannschaft als verschworener Haufen total darin aufging, was der Trainer forderte. Jeder wusste was zu tun war und die Rädchen griffen nahezu reibungslos ineinander. Diese minimalistischen Automatismen führten die Köpenicker bis hin zum Schauplatz der Größten in Europa. Sie führten zu Duellen mit Real Madrid und der SSC Neapel.

Man wollte sich als Taktik-Fanatiker und Freund des schönen Spiels den Union-Fußball eigentlich gar nicht ansehen und dennoch hüpfte das Herz als Fußball-Romantiker über die tolle Geschichte rund um einen Verein, dessen Fans dafür gesorgt haben, dass man über ein mehr als kultiges Stadion verfügt und sportlichen am Leben blieb.

Currywurst war irgendwann nicht mehr gut genug

Der Einzug in die Champions League war sensationell und es hatte enorm viel Charme, dass Union im Wettbewerb der großen Leckerbissen die einfache und ehrliche Currywurst sein könnte. Doch mit dieser Rolle schien man im Vorlauf der Saison ab einem gewissen Zeitpunkt wohl nicht mehr zufrieden zu sein. Bereits im letzten Winter begann das erste Glitzern bei Union anzufangen, als plötzlich der große Name Isco im Berliner Ortsteil Köpenick aufschlug und schon die ersten Fan-Trikots den Namen des Spaniers zierten. Der Deal platzte, wohl hauptsächlich an finanziellen Ungereimtheiten, doch von da an betrachtete man Union irgendwie mit anderen Augen. Plötzlich hatte man den Eindruck, man wolle bei den Berlinern kein Curry mehr auf der Wurst, sondern Goldstaub.

Bestätigt wurden diese anfänglichen Eindrücke dann tatsächlich im vergangenen Sommer, nachdem klar wahr, dass die Champions-League-Hymne unter dem Union-Wappen erklingen würde. Neben dem Transfer von Chelseas Sturmhoffnung David Datro Fofana, dem deutschen Nationalspieler Robin Gosens sowie Kevin Volland, ließ Union mit dem Transfer von Italien-Legende Leonardo Bonucci dann komplett die Transfer-Bombe platzen und erschien mit aufgehübschtem Gewand in der neuen Saison. Aus der Berliner Currywurst war plötzlich ein schmuckes Drei-Sterne-Gericht gezaubert. Statt Holzpiekser nun plötzlich Pinzette. Die sonst so bodenständigen Unioner legten sich damit selbst einen königlichen Umhang für die Champions League um. Doch genau über diesen schienen sie im bisherigen Saisonverlauf dann zu stolpern.

Die neuen Schuhe sind zu groß

Während die Mannschaft jahrelang die Bodenständigkeit des Vereins mittrug und in nahezu jeder Personalie verkörperte gewinnt man mittlerweile ein wenig den Eindruck, dass die Kabine geteilt ist. Geteilt zwischen Spielern die weiterhin die Bodenständigkeit Unions verkörpern und ein paar wenigen die davon abweichende Vorstellungen in sich tragen. Die neuen Schuhe die man sich zugelegt hat scheinen leider etwas zu groß. Der Verein in Person von Oliver Ruhnert muss sich die Frage stellen lassen, ob er den Union-Weg (zu früh) verlassen hat und warum er unbedingt in dieser Kürze eine Aufhübschung anvisierte.

Auch die Gerüchte um die Fischer-Nachfolge deuteten ein Fortschreiten dieses neuen Weges an, als plötzlich der Name Raúl durch die Räume geisterte. Nach dem ebenfalls bodenständigen und vor seinem Union-Engagement eher unbekannten Urs Fischer, spiegelte der Name Raul eben diese Bodenständigkeit erneut nicht wieder. Als Außenstehender empfand ich auch Raul eher als feine Paella und nicht als Currywurst. Im Nachhinein bin ich tatsächlich froh, dass es mit Nenad Bjelica nun doch wieder eine eher unbekannte Lösung gibt, die keinen Namen von Weltformat trägt. Rudert Ruhnert jetzt zurück und schlägt den alten Weg ein? Es wäre wünschenswert.

Der Verein hätte Urs Fischer deutlicher den Rücken stärken müssen

Der Name Bjelica ist in meinen Augen die Rückkehr zu mehr Vernunft. Diese Verpflichtung ist deutlich mehr Union-like als ein Raul, Bonucci oder andere Namen. Nicht falsch verstehen: Auch Robin Gosens und Kevin Volland sehe ich als Fußall-Arbeiter, die sich mit dem Verein identifizieren und nach klangvolleren Stationen bei Inter Mailand und AS Monaco wie Arsch auf Eimer passen könnten. Vom Prinziip her echte Union Spieler, nur eben in der Deluxe-Version. Diese beiden Spieler stehen Union, wie ich finde, wahnsinnig gut zu Gesicht und sie an Land gezogen zu haben verdient großes Lob. Gosens dabei vielleicht sogar noch mehr als Volland. Ein Plan im Sinne der Vereins-Werte ist hier zumindest erkennbar.

Fraglich hingegen die Personalien um Fofana und besonders Bonucci. Über Fofana hielten sich bereits vor dem Union-Wechsel Gerüchte aufrecht, dass er nicht der fleißigste Arbeiter wäre und der verweigerte Handschlag mit Urs Fischer im Champions League-Spiel gegen den SSC Neapel hatte letztlich deutlich mehr Wirkung als es auf den ersten Blick schien. Kaum vorstellbar war in den vergangenen Jahren eine derartig respektlose Aktion gegen den Trainer. Urs Fischer, Vater des sportlichen Erfolges, den Handschlag zu verweigern - undenkbar! Ein solch respektloses Verhalten dürfte nicht nur gezeigt haben, dass es nun Spieler im Kader Unions gibt, die sich selbst größer als Trainer und Verein sehen.

Es dürfte darüber hinaus einen Keil zwischen die Spieler im Kader getrieben haben. Einen Keil zwischen diejenigen die die bodenständigen Werte scheinbar nicht mittragen und diejenigen die die letzten Jahre mit eben diesen Werten aufgeblüht sind, mit dem Trainer die erreichten Erfolge feierten und an seiner Seite selbst zu größeren Namen und teils sogar Nationalspielern wurden. Spieler die sogar von vielen schon abgeschrieben waren. Gerade diese Spieler dürften die Respektlosigkeit überhaupt nicht gutheißen, schon gar nicht wenn es sich dabei um einen talentierten Neuzugang ohne bisherigen Impact handelt. Die Strahlkraft dieser Aktion wirkte auch bei den Verantwortlichen. Ob Oliver Ruhnert das wahrhaben wollte oder nicht aber auch an ihm dürfte zumindest ein gewisses Gschmäckle dieser Aktion hängen geblieben sein, zumindest unterbewusst. Diese Respektlosigkeit Fofanas, in dieser prekären Situation des Vereins, war für mich unverzeihbar und man hätte als Verein mit einer wesentlich härteren Strafe als der siebentägigen Suspendierung ein klareres Zeichen pro Fischer senden können, vielleicht sogar müssen. Dies wurde vom Verein verpasst. Zulasten Fischers wie sich wenig später zeigte. Ich lehne mich wohl nicht zu weit aus dem Fenster, wenn ich behaupte, dass sich Fischer auch selbst vom Verein ein deutlicheres Zeichen des Rückhalts gewünscht hätte.

Nochmal anders als die Personalie Fofana wiegt für mich die Situation um Leonardo Bonucci. Die vermeintlichen Diskrepanzen zwischen Fischer und Bonucci sind meiner Meinung nach hausgemachte Probleme die man sich mit ein wenig vorausschauenderen Analysen im Vorfeld schon hätte sparen können. Allein die Tatsache, dass ein Bonucci beim kleinen Union Berlin auf der Bank sitzt, wühlt in der öffentlichen Wahrnehmung, unabhängig davon, ob berechtigt oder nicht. Egal ob es diese Spannungen nun tatsächlich gab oder nicht: Dieser große Name polarisiert eben und ist im Weltfußball nun mal gewichtiger als der Name des Unions. Dass man sich dieser Art Diskussionen aussetzt fand und finde ich nach wie vor naiv. Der Transfer, so schön er für die Bundesliga und Union klang, schmeckte mir schon von Beginn an nicht wirklich. Einfach weil es für mich nicht zusammenpasste und mehr Probleme als Chancen andeutete.

Union muss im Sinne des Vereins harte Entscheidungen treffen

Um ehrlich zu sein, sollte sich Union womöglich ernsthaft überlegen sich bereits im Winter von mindestens diesen beiden Spielern zu trennen um wieder zu sich zu finden und die öffentlichen Störgeräusche zu minimieren. Alleine schon zum Schutz von Neu-Trainer Bjelica. Er hat im Gegensatz zu Fischer keinerlei Kredit bei Fans und Mannschaft, hat nichts vorzuweisen, dass ihn gegenüber beispielsweise Bonucci in eine gestärkte Position bringen könnte. Auch der scheinbar extrem von sich selbst überzeugte Fofana dürfte erstmal gegoogelt haben, wer da sein neuer Chef wird. Ich halte es für essenziell, dass Union nun alles dafür in die Wege leiten muss, dem neuen Mann an der Linie den Rücken freizuhalten. Man ist in der jüngeren Vergangenheit am besten gefahren, wenn der Trainer sich nicht in derartigen Disputen wiederfinden musste.

Bjelica ist indessen dazu verdammt, aus dem Stand Erfolg zu haben und Punkte zu liefern, andernfalls droht Union wie der Hertha eine gewisse Unbeständigkeit auf dem Trainerstuhl und wohin die führt, kann man an den vielen (teils größeren) Vereinen der 2. Bundesliga und tiefer ablesen. Union muss die Trennung von Urs Fischer als mahnenden Fingerzeig verstehen und zurückkehren zu dem, was den Verein dorthin gebracht hat, wo er heute ist. Ein gutes Beispiel hierfür ist zum Beispiel der SC Freiburg, der sich bislang immer treu blieb und eher das zu stärken versucht was ihn stark macht, statt sich in schmuckerem Gewand neu zu erfinden. Nach Fischer muss das Motto bei Union nun also lauten: Schuster bleib bei deinen Leisten!

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