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Max von Stuckrad-Barre·3 de marzo de 2023
Kampf gegen Depression: Warum dieser Zauberfuß jetzt schon Weltklasse ist

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Max von Stuckrad-Barre·3 de marzo de 2023
„Passiert den Besten“ ist ein auch im Fußball oft verwendeter Halbsatz, der seine Wirkung eigentlich immer verfehlt. Denn wem spendet es im Moment des eigenen Versagens wirklich Trost, dass auch Messi schonmal einen Elfer meilenweit über den Kasten geknallt hat?
Doch bei einem Thema, das erst in der jüngeren Vergangenheit im Profifußball präsenter wurde, könnte es tatsächlich helfen, dass das eben auch den Besten passiert: Der Depression. Schließlich kann wenig bei einem Menschen so zielsicher das Gefühl hervorrufen, allein zu sein, wie eine Depressionserkrankung.
Werder-Profi Niklas Schmidt sprach in dieser Woche bei ‚Radio Bremen‘ über seine eigene Depression und das gleich vorweg: Hier soll es nicht darum gehen, einen bisherigen Ergänzungsspieler von Werder Bremen mit 14 Bundesliga-Einsätzen zu „den Besten“ zu zählen, nur damit das Sprachbild funktioniert.
Ganz im Gegenteil zählte Niklas Schmidt in den letzten Jahren überhaupt nicht zu den Besten. Erfolglose Leihen und viel Zeit auf der Ersatzbank prägten den bisherigen Karriereverlauf des 25-Jährigen. Aber dass Schmidt nun mit einer den größten Respekt verdienenden Offenheit über seine Krankheit spricht, hat womöglich durchaus etwas mit „den Besten“ zu tun.
Fußball und ein offener Umgang mit psychischen Erkrankungen: Das ging lange nicht zusammen. Sebastian Deisler war vor gut 16 Jahren noch einer der wenigen Fußballer, der es schaffte, über seine Depression zu sprechen, für die Karriere war es da allerdings zu spät. Mit 27 Jahren konnte der eigentlich mit genug Talent für drei Karrieren gesegnete Bayern-Profi nicht mehr weitermachen.
Und abgesehen von Deisler und einigen wenigen anderen Beispielen fehlte der offene Umgang mit Depressionen im Fußball eben lange. Erst in den letzten Jahren (und besonders den letzten Monaten), als sich die Hemmschwelle offenkundig etwas verringerte und immer mehr Profis und Ex-Profis über ihre mentalen Probleme sprachen, wurde klar: Es passiert wirklich den Besten.
Oliver Kahn enthüllte erst kürzlich in einem mit seinem langjährigen Therapeuten aufgenommenen Podcast „Alles nur im Kopf“, dass er an seinem Fehler im WM-Finale 2002 beinahe zerbrochen wäre und nur mit professioneller Hilfe wieder aus der Depression gefunden habe. „Mir schauten zwei Milliarden Menschen beim Versagen zu“, so der heutige Vorstandsvorsitzende des FC Bayern.
Doch nicht nur Kahn, sondern auch ausgerechnet der Profiteur von seinem folgenschweren Fehler machte später Ähnliches durch. Ronaldo Luis Nazario de Lima sprach im Oktober gegenüber ‚watson.de‘ von einer zweijährigen Verletzungszeit während seiner aktiven Karriere, die Spuren hinterließ: „Ich litt an Depressionen und wusste nicht, wie ich mit dieser Situation umgehen soll.“
Dabei äußerte ‚Il Fenomeno‘ sich auch zum Umgang psychischen Problem im Profisport: „Wir haben schon so viele Athleten gesehen, die unter mentalen Problemen litten, da der Druck der Medien und Fans einfach zu groß war. Das ist ein Problem, über das wir jedes Mal ein bisschen mehr nachdenken sollten, wenn ein Sportler seine Erkrankung öffentlich macht.“
Nun ist es natürlich nicht sicher, wie groß der unmittelbare Einfluss prominenter Beispiele (auch Bayerns Benjamin Pavard sprach zuletzt über eine durchlittene depressive Phase) auf den konkreten Fall Niklas Schmidt ist. Doch es scheint, als entstehe auch in der Welt des Profifußballs so langsam ein Klima, in dem immer mehr Sportler sich an die Öffentlichkeit trauen.
Und das soll Schmidts mutigen Schritt in keiner Weise schmälern, sondern viel mehr als wichtigen Bestandteil der neuen Sicht auf das Thema Depression herausstellen. Denn mit seinem ‚Radio Bremen‘-Interview wollte der Werder-Spielmacher auch andere Betroffene ermutigen und stellte klar, „dass es keine Schande ist“ über psychische Erkrankungen zu sprechen.
Dabei verzichtete Schmidt nicht darauf, den Krankheitsverlauf in seiner ganzen Dramatik zu beschreiben: „Es war unglaublich schwer, ich war nie richtig frei im Kopf. Es fühlte sich an wie ein Vulkan, der ausbrechen will, aber nicht ausbrechen kann. Irgendwann ist es dann passiert.“ Sogar über ein Karriereende habe der SVW-Profi nachgedacht.
Dass Schmidt, dem auch Trainer Ole Werner „sehr geholfen“ habe, seine Karriere der Krankheit zum Trotz nicht beenden musste, könnte für seinen Klub jetzt auch sportlich zum Glücksfall werden. Denn hinter Ducksch und Füllkrug fehlte in den vergangen Wochen oft ein zusätzlicher Kreativspieler mit Torgefahr. Genau die stellte Schmidt am letzten Samstag gegen Bochum unter Beweis und erzielte den Treffer zu Werders 2:0.
Das Tor ist dabei nicht nur für den technisch hochveranlagten Niklas Schmidt, dem es mittlerweile „wesentlich besser als noch vor einem halben Jahr“ gehe, wichtig. Das Tor und der jetzt immer stärker werdende Schmidt zeigen auch, dass es bei einer Depression den Weg zurück auf den Platz gibt.
In einem Sport, in dem permanent Siegermentalität, Nehmerqualitäten und Kampfgeist gefordert werden, muss klar sein, dass Spitzenfußball und Depression sich nicht ausschließen. Dazu leistet Schmidt mit seinem Interview in Verbindung mit der Rückkehr in die Bremer Startelf einen großen Beitrag. Und selbst wenn er auf dem Platz vielleicht noch nicht ganz zu den Besten gehört, ist er daneben deshalb schon jetzt auf Weltklasse-Niveau.