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Textilvergehen

·26 de septiembre de 2023

Haben wir Fans uns vielleicht schneller an die Bundesliga angepasst als Union selbst?

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Durchatmen-Dienstag. So würde ich das heute nennen. Es gibt kein Spiel unter der Woche. Der Kartencapo (Kalender oder Telegram-Kanal könnt ihr hier abonnieren) sagt mir, dass heute auch kein Vorverkauf startet. Und die Männermannschaft des 1. FC Union Berlin trainiert um 14 Uhr öffentlich. Das einzige Mal in dieser Woche. Wir können also wirklich einmal durchatmen und alles etwas sacken lassen.

Mich bringt das zu einem Thema, über das ich mir immer stärker Gedanken mache. Was ist, wenn wir bei den ganzen befürchteten Veränderungen bei Union nach dem Aufstieg in die Bundesliga in die falsche Richtung geschaut haben? Wir haben immer auf den Verein, die Mitarbeiter und den Sport geschaut. Und wovor hatten wir nicht alle Angst? Dass wir einfach ein beliebiger Bundesligist werden würden mit austauschbaren Spielern wie Marcel Halstenmann und Lukas Klosterberg. Mit Sponsoren, die sprichwörtlich an jeder Ecke kleben. Mit einem Stadion aus dem Hellmich-Baumarkt. Und mit Fans, denen am Schal noch das Preisschild klebt. Und dass wir am Ende wieder alleine unter uns sind, wenn es in die Zweite Liga geht und die Bundesliga-Sause vorbei ist.


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Nun können wir festhalten, dass wir erst einmal gar keine Vorstellungskraft davon hatten, wo es uns hintreibt. Wobei das vielleicht zu passiv klingt. Besser ist doch zu sagen: Wir hatten gar keine Ahnung, wo uns die Profi-Abteilung der Männer hintreiben wird. Gegen die Realität der Uefa-Wettbewerbe sind unsere Befürchtungen aus dem Aufstiegssommer vergleichsweise niedlich.

Union als Verein wird immer professioneller

Aber mal ernsthaft betrachtet: Der Verein hat sich in einem Tempo professionalisiert und entwickelt, dass ich mit der Entwicklung kaum Schritt halten kann. Auf einer Mitgliederversammlung wird noch über Ticketscanner diskutiert, die nur Papier abscannen können und jetzt haben wir alles in der App und können unsere Karten für die Spiele digital in der Bezugsgruppe weiterreichen. Ständig gibt es neue Sponsoren und Union ist im Prinzip tatsächlich sein eigener Sender geworden, der auf Social Media, Website und so weiter unterhält und informiert. Natürlich mit den inhaltlichen Beschränkungen, die so eine Konstellation mit sich bringt.

Kritische Entwicklungen gibt es auch im Verein, denn es wird immer schwieriger, sich transparent einen Überblick über den finanziellen Status zu machen, denn selbst die Zahlen auf der Mitgliederversammlungen werden immer weniger detailliert. Einige Ausgabenposten wurden gar nicht mehr berichtet wie Nachwuchs, Verwaltung, Spielbetrieb oder sonstige betriebliche Ausgaben (Abschreibungen, außergewöhnliche Ausgaben, Werbung, TV Beteiligung, Merchandising). Dafür wurden die Zahlen selbst um so größer. Und das negative Eigenkapital, das zu Union gehörte wie die Alte Anzeigetafel im Stadion, ist möglicherweise in diesem Sommer verschwunden.

Ich könnte auch darüber sprechen, dass mit der Satzungskommission eine Option entstanden ist, die uns als Fans und Mitgliedern noch richtig wehtun kann, sollten wir es mal mit einem Präsidium zu tun haben, mit dessen inhaltlichen und strategischen Zielen wir nicht übereinstimmen. Gleiches gilt für das Verhältnis von Präsidium und Aufsichtsrat oder die Wahl des Präsidiums laut Unionsatzung.

Aber im eigentlichen Union-Geist hat sich da nicht so viel geändert. Der Verein hat mehr Mittel und kann mehr umsetzen. Aber weil alles so schnell geht und mehr wird, dürften die Mitarbeiter trotzdem rotieren wie eh und je. Während ich also diesen Text am Durchatmen-Dienstag schreibe, wird die Veranstaltung im Olympiastadion in den letzten Zügen vorbereitet und die Mitgliederversammlung am 8. Oktober auch.

Sollten wir mehr auf uns Fans schauen?

Ich habe sehr weit ausgeholt, um den Blick dorthin zu richten, wo wir befürchteten, dass das Ungemach der Veränderung zu einem ganz normalen austauschbaren Bundesligisten seinen Anfang nehmen könnte. Aber vielleicht beginnt es dort gar nicht? Vielleicht müssen wir mal auf uns schauen? Auf uns Fans. Vielleicht sind wir es, die wir uns einfach in der Gesamtheit verändern?

Und dabei will ich gar nicht die Diskussion über neue Fans aufmachen. Mir sind alle willkommen, die den großartigsten Verein Deutschlands unterstützen. Und ich freue mich, wenn ich durch die Fußgängerzone in Essen laufe. Weil mir dort nämlich mittlerweile Menschen entgegenkommen, die ganz offen Unionsachen tragen. Das ist fantastisch.

Was ich mit Veränderung meine, ist vor allem die Perspektive, die manchmal eingenommen wird. Da geht dann nicht mehr um Union als übergeordnetes großes Ganzes und die Frage: „Was können wir für Union tun?“ Sondern es geht in meiner Wahrnehmung teilweise sehr häufig um das „Ich“. Das äußert sich in einer Anspruchshaltung gegenüber dem Verein, bei der ich mich manchmal etwas erschrecke. Wenn zum Beispiel Leute sich nicht stornierbar Reisen buchen und dann wundern, dass sie keine Tickets bekommen, und dann Verein und Kartenvergabe schuld sein sollen.

Die Kartenvergabe als Nagelprobe

Überhaupt Tickets. Ich habe mittlerweile das Gefühl, dass wir hier den Union-Egoismus am deutlichsten sehen können. Denn es gibt viel Kritik an der Ticketvergabe. Aus meiner Sicht kann man nahezu jeden Vorschlag, den man am Tresen hört oder irgendwo liest, mit dieser Frage auf den Union-Egoismus hin prüfen: „Sorgt deine absolut neutrale und gerechte Regel dafür, dass du immer Tickets bekommen würdest?“ Meistens kommt da ein „Ja“ heraus. Über das Kernproblem, das darin besteht, dass das Stadion (noch) nicht ausgebaut ist, wird nicht so leidenschaftlich diskutiert.

Aber mein Gefühl geht über das sensible Thema Kartenvergabe hinaus. Es betrifft auch die öfter angetroffene Anspruchshaltung, bei Stehplätzen so etwas wie einen Stammplatz zu haben. Erst recht, wenn man lediglich eine halbe Stunde vor Anpfiff kommt. Vielleicht sollte das Zeughaus mal Handtücher mit der Aufschrift „Stammplatz“ oder „Das ist mein Wellenbrecher“ verkaufen. Oder wäre das zu viel Ironie?

Die Szene als Union-Animateure?

Oder wenn eingefordert wird, dass die Szene für Stimmung zu sorgen habe. Als ob nicht die Stimmung davon abhängig wäre, wie jede einzelne Person mitmacht. Und als ob die Ultras die Animateure des Vereins seien. Die am besten noch günstig großartigen Merch unter die Leute bringen sollten.

Ich sehe hier tatsächlich die Gefahr, dass Union mehr aus einer Ich-Perspektive betrachtet wird. Zum Beispiel so: „Ich habe nicht das volle Union-Stadionerlebnis gehabt, weil die Szene nicht als Gruppe die Koordination des Supports im Gästeblock in Madrid übernommen hat.“ Dabei wird dann ausgeblendet, was die Kultur der Ultras ausmacht. Oder auch, wie leicht/schwer sie sich die Entscheidung gemacht haben, das Stadion zu verlassen.

Dasselbe beobachte ich auch, wenn sich darüber beschwert wird, die Gegengerade würde mal wieder keine Stimmung machen. Dabei wird dann vergessen, dass zu einer fantastischen Stimmung auch ein Spiel gehört, das elektrisiert. Wenn die Mannschaft Schwierigkeiten hat, zusammen zu einer Einheit zu finden wie am Sonnabend in der ersten Halbzeit gegen Hoffenheim, dann ist es auch schwierig, auf den Rängen zu einer Einheit zu werden. Und manchmal liegt es auch einfach daran, dass man auf der Gegengerade nicht mehr versteht, was auf der Waldseite ins Mikro oder in die Megafone gerufen wird.

Um es kurz zu machen: Ich wünsche mir, dass wir mehr an uns Unionfans als Gesamtheit denken und nicht daran, was uns natürlicherweise näher ist, nämlich das eigene Wohl. Dazu gehört auch, mehr miteinander zu reden, als öffentlich übereinander zu schreiben. Und nicht alles, was manchmal den Anschein hat, ist auch in Wirklichkeit so. Da hilft es, einmal die Perspektive anderer einzunehmen.

Das schreiben die Berliner Medien

Auch die Berliner Medien atmen einmal tief durch. Nur der Kurier ist seit dem Weggang von Bunki unentspannt. Denn einerseits sind die Texte insgesamt sehr viel oberflächlicher geworden, dafür viel mehr auf Krawall gebürstet. Nun ja, sie werden sich schon etwas dabei denken. Aber für mein tägliches Union-Medienfrühstück ist das eigentlich keine Zutat, die ich auf dem Tisch brauche. Denn da kann ich auch irgendein Abschreibemedium lesen.

  • Wie Unions zweite Reihe die erste Garde unter Druck setzt (Morgenpost+)
  • Die Fischer-Frage in Köpenick: Wie kriegt der Coach die Kurve? (Kurier)
  • Liebes-Mutprobe für Union-Star Bonucci (Bild)
  • Der 1. FC Union Berlin und die Frage nach der Krise (RBB)

Warum Robin Gosens zu Union gewechselt ist

Woran ich mich noch nicht so gewöhnt habe, ist die Regelmäßigkeit, mit der Union auf dem Cover der 11Freunde zu sehen ist. Dieses Mal mit Robin Gosens, der über mehrere Seiten interviewt wird (online als Bezahlartikel). Ich fand, dass sich das ganz gut weglas. Vor allem haben wir darin einen Einblick in diesen zähen Sommertransfer aus Spielerperspektive bekommen. Dass es am Ende klappte war wohl ein Zusammenspiel des hartnäckigen Nachfragens von Oliver Ruhnert und dem gleichzeitigen Aufzeigen der sportlichen Nicht-Perspektive bei Inter.

Ich muss ganz ehrlich sagen, dass es mir gefallen hat, mit welchem Respekt Gosens über seine Stationen in Italien spricht. Kein aufgesetzter Pathos, aber auch kein Ignorieren. Da liegen wirklich Welten zwischen Robin Gosens und meinetwegen Julian Ryerson. Ich brauche keine Wappenküsser, nur vielleicht Spieler, die sich neben dem Sport auch damit auseinandersetzen, in welchem Umfeld sie ihrem Beruf nachgehen. Wäre das alltäglich würden Wechsel nach Leipzig, Hoffenheim, Wolfsburg oder Leverkusen auch im Profisportbereich eher als anrüchig wahrgenommen werden.

Keine Ahnung, ob wir das hier schon einmal thematisiert haben: Der Wechsel von Robin Gosens zu Union hat neben dem rein sportlichen Wert auch noch eine zusätzliche Perspektive. Denn er sagt auch: „Ich bin jetzt nicht nur einer von vielen Spielern, sondern bin auch geholt worden, um voranzugehen und vielleicht mal den Kopf hinzuhalten, wenn es nicht so gut läuft. Die Herausforderung besteht also darin, zum ersten Mal in meiner Karriere ein Leader zu sein.“

Podcasts zu Union

Wir haben bereits am Sonntagabend unsere Episode zum Spiel gegen Hoffenheim aufgenommen und diskutieren ein paar Szenen des Spiels, aber sprechen auch darüber, wo Union gerade steht und warum es das erste Mal seit sehr langer Zeit in der Bundesliga auch so etwas wie Ergebnisdruck für das Team von Urs Fischer gibt.

Von mir bereits nach Madrid heiß ersehnt, ist jetzt auch die neue Episode von Taktik&Suff erschienen. Da ich aber heute morgen den State of the Union schreibe, konnte ich sie noch nicht hören. Ich bin gespannt.

Und sonst so?

Der RBB gratuliert der Fuwo zu 100 Jahren und die Zeitung will den Weg ins Digitale nun gehen. Am Wochenende haben die Redakteure jedenfalls noch Sheraldo Becker ausgezeichnet.

Die Sportschau schreibt über einen neuen Clubverband in Europa, der die mächtige ECA angreifen will. So richtig klar ist mir nicht, welche Ziele dieser neue Verband hat und ob das nicht einfach dasselbe wie die ECA mit anderen Clubs wird. Mir wäre wichtig, dass man bei den europäischen Wettbewerben erkennt, dass Europa nicht nur aus 5 bis 6 Ligen besteht und sich nicht nur von Damokles-Schwert Super League treiben lässt.

Unseren jährlichen Zülch gib uns wieder

Wer hier länger mitliest, kennt Henning Zülch und seine oberflächlichen Analysen mit veralteten Zahlen bereits. Im Manager Magazin kann er wieder schreiben, auf welch tönernen Füßen der Erfolg Unions steht. Diesmal dabei: eine selbst entwickelte Metrik und der Vorwurf, Union hätte im Bundesliga-Vergleich noch nicht das obere Drittel bei Sponsoring und Umsatz erreicht. Wir sind alle unfassbar überrascht davon … Nicht. Am Ende wird noch darauf herumgehackt, dass Union noch ein eingetragener Verein sei.

Ganz ehrlich: Das ist einfach Murks, weil hier einfach Kriterien an Sportvereine angelegt werden wie an normale Wirtschaftsunternehmen, ohne dass berücksichtigt wird, dass sportlicher Erfolg (Grundbedingung für wirtschaftlichen Erfolg) nicht alleine aufgrund von diesen Kriterien zustande kommt. Dazu kommt, dass Zülch einfach immer im Nachhinein beschreibt, wie aus seiner Sicht Erfolg zustande gekommen ist. Aber für die Beschreibung danach alleine benötige ich kein Diplom. Interessanter ist doch die Prognose. Und da hat er Union bisher immer für schlechtes Management kritisiert und zu Beginn von Corona als einen der Clubs benannt, deren Zahlungsfähigkeit gefährdet sei.

Der nächste State of the Union erscheint am Freitag.

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