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·27 de junio de 2025

Aktive Unterstützung des Regimes – FC St. Pauli veröffentlicht Gutachten zu Josef Ollig

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Vor einigen Monaten wurde das Lied „Das Herz von St. Pauli“ ausgesetzt. Nun zeigt ein Gutachten über den Liedtexter Josef Ollig seine Arbeit vor, während und nach der NS-Zeit.(Titelfoto: Stefan Groenveld)

Anfang Februar hat das FC St. Pauli-Museum einen Podcast veröffentlicht, in dem es unter anderem um die Entstehung des Liedes „Das Herz von St. Pauli“ ging. Dort stellte Celina Albertz dar, dass vor allem der Texter des Liedes, Josef Ollig, eine schwierige Vergangenheit hat. Auch der MillernTon griff das Thema auf, führte ein Interview mit Albertz.


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FC St. Pauli-Museum verfasste Gutachten über Josef Ollig

Mit den Folgen dieser Recherche hatte wohl niemand gerechnet: In den Tagen nach der Veröffentlichung wurde rund um den FC St. Pauli auf einem emotionalen Level diskutiert, welches nicht einmal der Fußball erschaffen kann. Der Verein entschied sich dafür, das Abspielen des Liedes vorerst auszusetzen und kündigte ein umfassendes Gutachten zu Josef Ollig an. Erst im Anschluss soll über die Zukunft des Liedes „Das Herz von St. Pauli“ am Millerntor entschieden werden.

Nun hat das FC St. Pauli-Museum in Person von Celina Albertz und Peter Römer ein 59 Seiten umfassendes Gutachten über den Journalisten und Liedtexter Josef Ollig im Hinblick auf seine Rolle und Handlungsoptionen in der Weimarer Republik, im Nationalsozialismus und nach 1945 verfasst. Dieses Gutachten haben wir uns genau angeschaut und stellen hier eine Zusammenfassung der Inhalte vor. Wir empfehlen aber, das Gutachten selbst zu lesen.

Vor 1933 aktiv für NSDAP-nahes Medium

Josef Ollig startete 1925 seine journalistische Karriere beim „Kölner Lokal-Anzeiger“. Vier Jahre später wechselte er zu den „Hamburger Nachrichten“, einem NSDAP-nahen Medium. Ollig erklärte den Wechsel damit, dass sich dadurch seine „Position verbessert“ habe. 1933 folgte der Abschied von den „Hamburger Nachrichten“. Ollig erklärte das mit dem wirtschaftlichen Niedergang der Zeitung. Zudem habe er „mangelnde Freude an der journalistischen Tätigkeit aufgrund veränderter Bedingungen“ empfunden.

Ollig wechselte als Schriftleiter zu den Rhenania-Ossag Mineralölwerken (heute Shell Deutschland). Dort gab es schon vor durch die NSDAP eingeführten Verordnungen ab Mitte der 1930er-Jahre „umfangreiche Zugeständnisse an die arbeitsideologischen Maximen der Nationalsozialisten“ (der Vorstandsvorsitzende des Unternehmens gehörte zu den Hauptfinanzierern der NSDAP). Das zeigt: Der Wechsel von Josef Ollig zu Shell war keineswegs eine „Flucht ins Unpolitische“.Bei den Rhenania-Ossag Mineralölwerken war Ollig unter anderem als „Hauptschriftleiter“ tätig, also als Chefredakteur der „Shell-Post“. Diese teilte und fokussierte sich unter Olligs Leitung auf NS-Propaganda, Informationen zum Werk selbst rückten klar in den Hintergrund.

Ab 1933 aktiv für NSDAP-nahes Unternehmen

Ein Text von Josef Ollig in der Shell-Post (später umbenannt in „Der Ring“) erschien im November/Dezember 1939, er ist mit Olligs Kürzel „Og“ unterzeichnet. Es ist ein Kommentar zum Attentat von Georg Elser auf Adolf Hitler. Der erste Satz dieses Textes sollte reichen, um sich den restlichen Inhalt ausmalen zu können: „Eine Welle ungeheurer Empörung ist durch die deutschen Lande gegangen, einen Augenblick lang hat der Herzschlag des deutschen Volkes gestockt, als es die Kunde vernahm, daß sich gegen den Mann, der uns alles bedeutet, dem wir in Liebe und Vertrauen zugetan, dem wir unsere Größe und ein glückliches Reich verdanken, die Hände gedungener Meuchelmörder erhoben haben. (…)“

Ab 1941 Kriegsberichter in der Propagandakompanie

Anfang 1940 wurde Josef Ollig zur Wehrmacht eingezogen. Er wechselte dort zur Propagandakompanie, auf eigenes Bestreben hin, wie die Autor*innen des Gutachtens schlussfolgern. Ollig war aktiv beim Unternehmen Barbarossa – das ist der Deckname für den Überfall der Wehrmacht auf die Sowjetunion – und danach „Wortberichter bei der Luftwaffen-Kriegsberichter-Kompanie“. Aus dieser Zeit stammt auch der erste Kriegsbericht von Ollig, jener der bereits im Podcast zitiert wurde und der mit folgenden Sätzen über sowjetischen Soldaten beginnt: „Das ist kein Zug von Menschen. Sie gleichen Halbwilden, die mit tierhafter Gleichgültigkeit ihr Schicksal tragen und tief versunken sind im Abgrund einer Primitivität, die ob ihrer Armut an Geist und Gefühl erschüttert.“

In seinem Entnazifizierungsfragebogen gab Ollig 1946 an, er habe während seiner Tätigkeit in der Propagandakompanie hauptsächlich „unpolitische Kampfberichte“ und „Berichte über Waffengattungen“ geschrieben. Im Rahmen dieser Erklärung wurde auch deutlich, dass es sehr wohl für die Autoren in der Propagandakompanie Handlungsoptionen gab bei der Auswahl und Quantität der Themen und Texte.Ollig erklärte 1946 auch, dass er aufgrund „mangelnden Engagements als Kriegsberichter“ Anfang 1944 nach Berlin abkommandiert wurde. Diese Darstellung darf zumindest angezweifelt werden, wenn man einen Blick in die Bewertungen zu Ollig bekommt: Denn, so steht es im Gutachten, in „Olligs Militärakte und den Unterlagen des RMVP deutet nichts auf eine negative Beurteilung hin. Im Gegenteil.“ Vielmehr wurde Josef Ollig mehrfach ausgezeichnet und stieg im Rang stetig auf. Zudem gibt es Hinweise darauf, dass er auch nach der Abkommandierung (die laut Dokumentation vermutlich aufgrund von Umstrukturierungsmaßnahmen zustande kam) noch einmal an der Front tätig war, im Januar 1945 erschien noch ein Text von ihm.

Die Autor*innen zeigen mit Zitaten aus den Veröffentlichungen von Josef Ollig während seiner Tätigkeit als Kriegsberichterstatter deutlich auf, dass dieser nicht hauptsächlich „unpolitische Kampfberichte“ und „Berichte über Waffengattungen“ verfasste. So schrieb Ollig 1941:„Wir haben hinter uns eine Heimat, auf die wir bauen können. […] Wie schön und wie kostbar diese Heimat ist, das ist uns im Paradies der Sowjets Tag um Tag klar geworden. Und wir haben über uns einen Führer, in dessen Händen wir das Schicksal des Ganzen wohlgeborgen wissen. Dieser Winterfeldzug, so hart er werden mag und so groß die persönlichen Opfer sein mögen, die er von uns fordert, dieser Feldzug wird ein erneuter Beweis dafür sein, was bedingungslose Gefolgschaftstreue und eiserner Wille deutscher Soldaten vermögen.“Dieser Text sei, so die Autor*innen des Gutachtens, bemerkenswert, weil Bekenntnisse zum Führer damals wohl nicht Teil der Anweisungen aus dem Propaganda-Ministerium waren.

Ab 1946 Ressortleiter bei „Die Welt“

Josef Ollig fing nach Kriegsende bereits im Januar 1946 an als Ressortleiter bei der „Welt“ zu arbeiten. Die „Welt“ bestand damals zu einem Großteil aus Personen, die zwischen 1933 und 1945 der NS-Propaganda gedient haben. Zweimal musste Ollig einen Entnazifizierungsfragebogen ausfüllen, den die Besatzung unter britischer Führung verlangte, weil er bei der „Welt“ in leitender Position tätig war. In der Folge musste er sich vor einem Fachausschuss erklären, der Personen auch mit Berufsverboten belegen konnte.Vom Fachausschuss wurde Josef Ollig mit seinem Text zu Georg Elsers Attentat auf Hitler konfrontiert und im folgenden Absatz zitieren wir komplett aus dem Gutachten des FC St. Pauli-Museums:

Britische Besatzer halten Ollig für ungeeignet

„Der Ausschussvorsitzende Manthey konfrontierte Ollig mit dem Text zu Georg Elsers Attentat auf Hitler, der 1939 in der Werkzeitschrift der Rhenania-Ossag Mineralölwerke erschienen war. Ollig bestritt zunächst, den Text verfasst zu haben. Nachdem Manthey nachweisen konnte, dass es sich bei der Abkürzung „Og.“ zweifelsfrei um Olligs Kürzel handelte, erklärte dieser, sich nicht daran erinnern zu können, den Beitrag geschrieben zu haben. Später räumte er ein, den Text bearbeitet zu haben, und gab an, vermutlich „aus Nachlässigkeit“ sein Kürzel darunter gesetzt zu haben.Der Fachausschuss sprach sich infolge der Anhörung dafür aus, Josef Ollig aus seiner leitenden Position zu entfernen und eine weiterführende Untersuchung einzuleiten. In seiner schriftlichen Empfehlung an den britischen Funktionsoffizier schrieb Manthey:

„The Functional Panel declares this editor who is suffering from a rather funny weakness of memory unworthy to hold a public position as an authoritative journalist. Besides his attached statements are not quite in accordance with facts and we recommend a thorough investigation to clarify in as far as Ollig, when first vetted, kept his political products secret.The panel declares Ollig for not only definitely insupportable but as well as in consideration of his subtle attitude as editor without the capability of memory to be a danger to be retained in an exposed position of the Press in the democratic rebuilding of Germany.“ Schriftliche Empfehlung des britischen Funktionsoffiziers Manthey zu Josef Ollig.

Für eine sofortige Entlassung wurde die Position von Josef Ollig aber wohl als nicht wichtig genug erachtet. Es sollte aber eine genauere Überprüfung stattfinden. Doch „ob die Untersuchung jemals durchgeführt wurde, ist unklar“, es gibt in Olligs Entnazifizierungsakte keinen Vermerk dazu. Zur Info: Ende der 40er-Jahre wurde die Praxis mit der Prüfung in den Fachausschüssen komplett aufgehoben. Wohl auch deshalb, weil es massive Probleme gab, geeignete Personen zu finden.Auch die Schwemme an Journalisten mit NS-Vergangenheit führte dazu, wie die Autor*innen ausführlich beschreiben, dass die journalistische Landschaft und damit Berichterstattung im Deutschland der Nachkriegsjahre versuchte, „die nationalsozialistische Vergangenheit möglichst umfassend und so schnell wie möglich hinter sich zu lassen.“ Das geschah unter anderem mit einer „Atmosphäre des Schweigens“ und es sei vor diesem Hintergrund „kaum überraschend, dass im Rahmen dieser Untersuchung keine Veröffentlichungen von Josef Ollig identifiziert werden konnten, in denen er sich kritisch mit seiner eigenen Rolle im Nationalsozialismus auseinandersetzt.“

Nach 1945 als Liedtexter tätig

Neben seiner Tätigkeit als Journalist textete Josef Ollig auch Musik. Laut der Recherche gibt es keine Hinweise darauf, dass Ollig bereits vor 1945 als Liedtexter tätig war. Ollig arbeitete aber sehr wohl mit Personen zusammen, die während der NS-Zeit erfolgreich in der Branche tätig waren und die sich teilweise auch danach bewusst nicht davon distanzierten. So erklärte der Star-Komponist des NS-Kinos, Norbert Schultze (genannt „Bomben-Schultze“), für dessen Lieder Ollig 1953 teilweise textete: „Ich kann es nicht bedauern, daß ich all diese Lieder geschrieben habe. Es war die Zeit, die das verlangte, nicht ich. Andere haben geschossen. Ich habe diese Lieder komponiert.“

Zusammen mit Komponist Michael Jary, der während der NS-Zeit große Erfolge feierte, später aber von den Alliierten als „unbedenklich“ eingestuft wurde, schuf Josef Ollig dann Mitte der 1950er-Jahre „Das Herz von St. Pauli“. Das Lied beinhaltete in der ursprünglichen Version noch eine andere Strophe: „Einmal im Leben hat jeder gespürt / dass nur der Heimat die Liebe gehört / Fern von St. Pauli in Nord und in Süd / singt dir der Seewind das Lied“. Erst für die Filmversion wurde die Strophe: „Die Elbe, der Michel, der Kurs ist immer gut / St. Pauli, die Freiheit, das liegt uns so im Blut. / Und hat das Lebensschiff ein Leck, in Hamburg bleiben wir an Deck / In Hamburg, ja da bleiben wir an Deck“ von Ollig erschaffen.

Fazit: Handlungsoptionen nicht zur Abgrenzung vom NS-Regime genutzt

Das Gutachten schließt mit der Feststellung, dass Josef Ollig und andere Journalisten während der NS-Zeit durchaus „Handlungsoptionen“ gehabt haben, um zum Beispiel eine kritische Distanz zum NS-Regime zu bewahren. Diese habe Ollig aber nicht wahrgenommen, wie das Gutachten bewertet: „Während andere Mitglieder der Propagandakompanien durch neutrale Sprache und verhältnismäßig objektive Schilderungen durchaus eine gewisse Distanz zum Regime zu wahren versuchten, verfasste Ollig über nahezu den gesamten Kriegsverlauf hinweg stark ideologisch gefärbte Texte, die rassistische Feindbildkonstruktionen und andere zentrale Botschaften der NS-Propaganda transportierten.“ Das Fazit lautet entsprechend: Zwar sei nur schwer zu beurteilen, ob Ollig „die nationalsozialistische Ideologie teilte oder primär aus Opportunismus handelte“, doch es stehe fest, dass er vor 1933 für eine Zeitung tätig war, die offen die NSDAP unterstützte (auch hier hätte er andere Handlungsoptionen gehabt) und zwischen 1933 und 1945 „aktiv zur Unterstützung und Aufrechterhaltung des nationalsozialistischen Regimes“ beigetragen habe. Bis zu seinem Tod im Jahr 1982 habe sich Josef Ollig dieser Verantwortung, die er als Kriegsberichterstatter trug, nicht öffentlich gestellt.

Der FC St. Pauli und seine Fans werden über dieses Gutachten und den Umgang damit nun ausführlich diskutieren. Am 02. Juli findet dazu eine Veranstaltung im Ballsaal des Millerntor-Stadions statt (auch eine Online-Teilnahme ist möglich). Ob dort bereits entschieden wird, wie und ob es mit dem Lied „Das Herz von St. Pauli“ weitergeht, ist unklar. Sicher ist aber, dass das Gutachten des FCSP-Museums das Bild von Josef Ollig geschärft hat. Dieses Gutachten dürfte nicht dazu beitragen, die Bedenken zu zerstreuen. Im Gegenteil: Das Abspielen des Liedes am Millerntor dürfte für viele noch schwieriger geworden sein.

// Tim

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