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·3 February 2025

Zum 65. Geburtstag von Joachim Löw: Der lange Weg zum WM-Titel

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Seit dreieinhalb Jahren schon ist er nicht mehr Bundestrainer und nur selten im Rampenlicht, doch dieser Tage tauchte er wieder auf. Wer die großen Sportzeitschriften liest, weiß, wie es Joachim "Jogi" Löw geht. Auch eine ARD-Doku, die anlässlich seines heutigen 65. Geburtstags schon erschienen und noch immer in der Mediathek einzusehen ist, lässt keine Zweifel: Der Mann hängt immer noch am Fußball. "Es ist mein Leben, ich beschäftige mich immer wieder damit", hat er dem kicker gestanden.

Als Aktiver in der Halle mit alten Freiburger Weggefährten geht der einstige Rekordtorschütze des SC Freiburg weiter auf Torejagd. Auch der Trainer ist noch nicht Geschichte, trotz des Eintritts ins Rentenalter, jedenfalls nach früherer Regelung. Angebote habe es immer mal gegeben, unter anderem von Saudi-Arabien, aber dafür habe er nicht gebrannt. Er verspüre "nicht den Druck wie ein junger Trainer, für den es immer weitergehen muss. Mit spannenden Optionen werde ich mich aber beschäftigen."


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Auswahltrainer eines anderen Landes zu werden sei durchaus vorstellbar. Vielleicht also stößt Löw 2026 in den kleinen Kreis der Trainer, die bei vier WM-Endrunden verantwortlich waren, die WM 2006 als Assistent von Jürgen Klinsmann gar nicht gerechnet. Selbst wenn nicht, wäre es ein aufregendes und erfülltes Trainerleben, das wie fast alle Berg- und Talfahrten enthielt. Auf dem Gipfel, den er im Juli 2014 erklomm, aber standen die wenigsten.

Längst nicht mehr "der fremde Deutsche"

Joachim Löw ist einer von vier deutschen Weltmeistertrainern, das bleibt und überdeckt die weniger schönen Erinnerungen an sein Wirken am Ende seiner Tage im Dienste des DFB. Wie wurde er wahrgenommen? 2014 noch, im achten Jahr seiner Amtszeit, war er für den Spiegel nur "der fremde Deutsche". Ein Mann, den man nicht so recht greifen könne. Der so selten rauskommt aus dem Schwarzwald, der keine bunten Geschichten liefert, dessen Privatleben abgeschottet wird. Kein Volksheld wie Rudi Völler, keine über allen schwebende Lichtgestalt wie Franz Beckenbauer und auch kein Sonnyboy wie Jürgen Klinsmann. Keiner, dem man schon deshalb alles zu verzeihen bereit ist, weil er der Nation als Kicker Momente für die Ewigkeit geschenkt hatte.

Löw war für viele Fans gewissermaßen ein Bundestrainer ohne Vorleben. Gewiss: Er kam wie so viele in der DFB-Historie aus der Assistentenrolle 2006 auf den Chefsessel, aber die Stellvertreter waren zuvor fast alle ehemalige Weltklassefußballer gewesen. Berti Vogts, Rainer Bonhof, Ulli Stielike und Horst Hrubesch gewannen Titel; Helmut Schön, Jupp Derwall und der große Sepp Herberger waren zumindest Nationalspieler. Löws Karriere als Spieler, begonnen in Schönau, wurde dagegen in jungen Jahren als Stürmer des VfB Stuttgart von einem Beinbruch jäh gestoppt. Vier Einsätze in der U 21 des DFB und 52 Bundesligaspiele mit sieben Toren stehen zu Buche - und das Etikett "bester Torschütze des SC Freiburg", für den er in der 2. Bundesliga spielte.

Pokalsieger mit dem VfB

Als er 2004 zum DFB kam, bog er direkt aus der Sackgasse seines Lebens. Dabei hatte Löw einen bemerkenswerten Start als Cheftrainer, als er 1996 wenige Tage vor Saisonstart nach der Trennung von Rolf Fringer quasi über Nacht den VfB Stuttgart übernehmen durfte, den er mit begeisterndem Fußball auf Anhieb zum Pokalsieg trieb. Unter seiner Ägide zauberte das "magische Dreieck" Balakov/Elber/Bobic, das 1996/1997 einen Torrekord für den VfB aufstellte, der noch gilt. Im Jahr darauf erreichten die Schwaben das Europacupfinale der Pokalsieger. Gewonnen haben sie es nicht - Löw wurde entlassen.

Er sei zu nett, wurde ihm vom Vorstand vorgeworfen. Keiner für den ganz großen Wurf im Fußball-Geschäft. Mit 38 Jahren bereits stand dieser Trainer am Scheideweg. Ein Jahr bei Fenerbahçe Istanbul weitete seinen Horizont und er lernte, dass mancherorts nur Titel zählen. Weil er nur Dritter wurde, wurde er entlassen. Mit 40, als er mit dem Karlsruher SC aus der zweiten Liga abstieg, drohte das Karriereende. Dann erst machte er in Hennef die Fußball-Lehrer-Lizenz im fünfmonatigen "Schnellkurs für verdiente Ex-Profis". Kurs-Teilnehmer war unter anderem Jürgen Klinsmann. Löw machte sein Diplom mit 1,5.

In der Türkei durfte er seinen Weg fortsetzen, doch sein Engagement bei Adanaspor dauerte nur zwei Monate. Löw ließ sich nicht unterkriegen und wurde schon ein Jahr später Meister - in Österreich. Mit dem FC Tirol Innsbruck holte er 2002 den Titel, aber man trennte sich trotzdem. Am 24. März 2004 endete auch sein letztes Engagement als Vereinstrainer bei Austria Wien. Er war nun 44, hatte eine Biografie mit vielen Brüchen. Ein Mann, der viel versprach und doch so wenig halten durfte.

"Ich will nur kurz Hallo sagen"

Dieser Mann saß am Dienstag, 27. Juli 2004, im Stuttgarter Nobel-Restaurant "Medici". An einem Nachbartisch ließen sich der bekannte Sportanwalt Christoph Schickhardt und Oliver Bierhoff, der neue Manager der Nationalmannschaft, ihr Essen munden. Bierhoff sollte den deutschen Fußball nach der EM-Enttäuschung wieder auf Kurs bringen, gemeinsam mit dem neuen Bundestrainer Klinsmann. Nun berieten sie über den Vertrag mit dem DFB.

Es war ein schicksalhafter Moment. Löw kam einfach an den Tisch von Bierhoff und Schickhardt. Fußballer kennen sich, da grüßt man sich doch wenigstens: "Ich will nur kurz Hallo sagen". Diese sechs Worte stehen am Anfang der Karriere des Weltmeistertrainers Joachim Löw. Man hat sich offenbar gut verstanden in jenem kurzen Moment beim Nobel-Italiener. Bierhoff rief am nächsten Tag Klinsmann an, der noch auf der Suche nach einem Assistenten war. Klinsmann erinnerte sich sofort, dass Löw ihm auf dem Trainerlehrgang "die Vorteile der Viererkette so gut wie kein Zweiter erklären konnte". In Hennef saßen sie sogar nebeneinander.

Also rief Klinsmann ihn am Mittwoch, 28. Juli 2004, an. Folgender Dialog ist überliefert: Klinsmann: "Jogi, wo bist?" Löw: "Im Schwarzwald, mit dem Mountainbike." Klinsmann: "Hast du Interesse, mein Co-Trainer zu werden?" Löw: "Natürlich." Klinsmann: "Also dann treffen wir uns in Como. Da bin ich." Jogi: "Natürlich, wann?" Klinsmann: "Heute Abend um 20 Uhr." Sie konnten gar nicht schnell genug zusammen kommen. Das Duo einigte sich, und so fuhr Löw am 30. Juli, Klinsmanns 40. Geburtstag, um halb sieben in der Früh von Freiburg nach Frankfurt, um beim DFB einen Zwei-Jahres-Vertrag zu unterzeichnen.

Sommermärchen war erst der Anfang

Dann kamen das Sommermärchen und der gleichnamige Film von Sönke Wortmann, und die Zuschauer gewannen den Eindruck, dass hinter der neuen deutschen Fußballwelle auch der Taktikfuchs Löw steckte und nicht nur der Motivator Klinsmann. Platz drei bei der WM 2006 im eigenen Land war Klinsmann aber zu wenig, erschöpft zog er sich nach Kalifornien zurück. Nicht ohne Löw zu beknien, die Nachfolge anzutreten.

Am 11. Juli 2006 einigten sich im Hotel "Schlossgarten"  DFB-Präsident Dr. Theo Zwanziger, Generalsekretär Wolfgang Niersbach und Manager Bierhoff mit Löw. Der neue Bundestrainer, Nummer zehn der DFB-Historie, erstritt, dass die Fußballphilosophie unter Klinsmann fortgeführt wurde. Dass Deutschland bis in die unterste U-Auswahl im 4-4-2-System spielen und dass es auch künftig vor allem stürmen werde, wurde quasi Vertragsbestandteil. Löw musste nun harte Entscheidungen treffen und Karrieren beenden. Die von Michael Ballack, Torsten Frings oder Kevin Kuranyi beispielsweise. Nicht immer ging es geräuschlos vonstatten, mit Ballack lieferte er sich öffentliche Scharmützel, und die Nation fragte sich, ob der "Capitano" keinen würdigeren Abschied verdient hätte. Doch Löw wusste, dass Ballacks große Zeit vorbei war.

Was Freunde als Geradlinigkeit bezeichnen, nennen Gegner Sturheit. Viel diskutiert war die Maßnahme, Kapitän Philipp Lahm bei der WM 2014 ins Mittelfeld zu stellen. Als er ihn nach Shkodran Mustafis Verletzung auf den angestammten Verteidigerposten schob, witzelte die Bild-Zeitung: "Und Jogi bewegt sich doch!" Nüchtern betrachtet lässt sich sagen: Joachim Löw hielt 15 Jahre seinen Kurs, und das mit äußerster Konsequenz. Wer sein Vertrauen besaß, der behielt es - wie Lukas Podolski, Sami Khedira und Manuel Neuer, allesamt Weltmeister. Aber die für viele logische Konsequenz seines Wirkens ließ auf sich warten.

Vertrauen und Geduld zahlen sich aus

Die Branche raunte: Dieser Mann garantiert Halbfinals, aber keine Titel. Nicht 2008, als man das EM-Finale in Wien gegen Spanien verlor, nicht 2010, als man als begeisternder Dritter mit Beifall von der WM in Südafrika heimkehrte und auch nicht bei der EM 2012 in Polen und der Ukraine. Eine unglückliche Aufstellung im Halbfinale gegen Italien (1:2) löste eine Lawine aus. "Kann man noch an Jogi glauben?", fragte die Bild am Sonntag und ließ die Leser abstimmen. 59 Prozent sagten noch "Ja". Der neue Präsident Niersbach auch: "Jogi, du hast einen tollen Job gemacht. Wir sind unheimlich froh, dich als Bundestrainer zu haben."

Was er nicht sagte, sagten andere: Die WM in Brasilien würde seine letzte Chance werden. Sonst wäre die Zeit reif für einen anderen, um die scheinbar nicht mehr versiegende Flut von Hochbegabten, die der deutsche Fußball in jenen Jahren produzierte, zum ersehnten Titel zu führen. Konnte Löw das? Die Zweifel verschwanden nie ganz. Es half nichts, dass er die beste Statistik aller Bundestrainer hatte, dass sich kein Land souveräner für die WM 2014 qualifizierte und dass Deutschland endlich wieder die Großen schlug. Siege in Frankreich, Holland und England, gegen Brasilien und Argentinien. Die Heimat nörgelte lieber über ein 4:4 gegen Schweden nach 4:0-Führung im Oktober 2012.

Schluss mit Rumpelfußball

Der deutsche Fußball bekam in Löws Ära ein anderes Image. Keiner sprach mehr von Panzern und von Rumpelfußball, Löw hob das von Klinsmann begonnene Werk auf eine neue Ebene. Dafür war das Land der Manndecker, Vorstopper und Ausputzer, die in den Achtzigern und Neunzigern in alle Welt exportiert wurden, plötzlich nicht mehr ganz dicht. Fußballerisch. Nach dem Triumph von Rio, nach epischen Siegen über Brasilien (7:1) und Argentinien (1:0) und dem ersten europäischen WM-Titel in Südamerika, schwiegen die Kritiker. Löw war danach leer und dachte an Rücktritt, dann besann er sich und wollte "eine Ära prägen wie Spanien zwischen 2008 und 2012". Er wollte Europameister werden 2016 in Frankreich. Als Weltmeister war man Favorit. Die Deustchen traten dominant auf, der Ball zirkulierte wie beim Handball durch die Reihen, nur an der Effizienz haperte es etwas. Aber schlagen konnte sie keiner.

Im Viertelfinale wurde sogar der Bann gegen Italien gebrochen, im Elfmeterschießen gelang der erste Sieg bei einem Turnier gegen den Angstgegner aller Epochen. Selbst das war ihm nun gelungen. Den Bundestrainer mit den meisten Spielen und Siegen und mit der besten WM-Qualifikation (zehn Siege vor 2018) schien nichts stoppen zu können. Dann kam das Halbfinale gegen die Franzosen. Wieder zirkulierte der Ball, wieder waren sie überlegen, aber dann machte einer derjenigen, dem Löw immer die Treue hielt, ein unmotiviertes Handspiel: Bastian Schweinsteiger. Elfmeter, Tor, der Anfang Ende - 0:2. Auch beim dritten EM-Turnier unter Löw platzte der Titeltraum. Die Nation trauerte, aber sie nahm es hin. Niemand forderte wie noch 2012 seinen Rücktritt, nun war er Weltmeister, nun hatte er Kredit.

Nach WM 2018: "Rücktritt wäre der richtige Schritt gewesen"

Das Prinzip des Ballbesitzfußballs regierte weiter, der große Umbruch blieb aus. Gefordert wurde er umso vehementer nach der verkorksten WM 2018 in Russland, in die Löw noch mit neun Weltmeistern ging und bei der er wieder einen Rekord aufstellte - einen, den keiner wollte. Erstmals schied Deutschland in der Vorrunde aus. Nun kamen sie wieder, die Rücktrittsforderungen, aber Reinhard Grindel, Löws dritter Präsident in seiner Amtszeit, hatte den Vertrag schon vor der WM bis 2022 verlängert. Dazu stand er auch nach Russland: "Das Vertrauen in Jogi Löw ist ungebrochen. Wir glauben, dass er die Zukunft gut gestalten kann. Deswegen würden wir uns sicherlich immer wieder so verhalten, wie wir es getan haben." Es war ein Fehler, wie wir heute wissen und behaupten dürfen, da Löw es selbst zugibt: "Nach der WM 2018 wäre der Rücktritt der richtige Schritt gewesen. Ich hätte den Weg freimachen sollen für jemanden, der mit neuen Ideen kommt."

Aber so wollte er nicht aufhören, einmal noch ging er den Traum von der Europameisterschaft an. Auf dem Weg dorthin gab es ein 0:6 in der Nations League in Spanien. Es war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Im Corona-Winter 2020/2021 entschied Löw, aus seinem Vertrag auszusteigen und nach der EM 2021 aufzuhören. Ein würdiger Abschied war ihm nicht vergönnt, im Achtelfinale von Wembley setzte es ein 0:2 gegen die Engländer.

Mit 196 Länderspielen, davon 122 gewonnenen, und nur 34 Niederlagen ging er in die DFB-Geschichte ein. Mehr als die Zahlen hat sich den deutschen Fußballfans die Erinnerung an berauschende Spiele und zahlreiche Gänsehautmomente bei den großen Turnieren eingeprägt, ob im Stadion, vor dem Bildschirm oder beim Public Viewing. In seiner Zeit war die Nationalmannschaft wieder der deutschen liebstes Kind, nicht nur, aber auch im Sommer 2014.

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In Leipzig, genauer gesagt im "Restaurant zum Mariengarten", wurde am 28. Januar 1900 der Deutsche Fußball-Bund gegründet. Seinerzeit gehörten dem Verband überschaubare 90 Vereine an, aber das änderte sich rasch. Heute gibt es mehr als 24.000 Klubs mit mehr als 7,7 Millionen Mitgliedern. Dazwischen hat der DFB eine bewegte und bewegende Geschichte hingelegt, mit vielen Titeln, Tränen und Triumphen. 125 Jahre DFB bedeuten auch 125 Jahre Fußballliebe - für uns Anlass genug, auf dfb.de/fussballliebe zu sagen: "Ti amo, Fußball!" Auf dieser DFB.de-Subsite wollen wir auch mit den Fans und Fußballinteressierten in den Austausch kommen. Hier sammeln wir eure Themen - und machen sie zu unseren Themen.

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