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Rund um den Brustring
·21 February 2025
Rund um den nächsten Gegner: Im Gespräch mit Hoffenheim-Experte Niko Beck
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Yahoo sportsRund um den Brustring
·21 February 2025
Im Quasi-Heimspiel beim Kellerkind aus Sinsheim möchte der VfB wieder in die Spur finden. Über die aktuelle Lage bei der TSG Hoffenheim sprachen wir mit Niko Beck, stellvertretender Ressortleiter Sport bei der Rhein-Neckar-Zeitung.
Rund um den Brustring: Hallo Niko und vielen Dank, dass Du Dir wieder Zeit für unsere Fragen nimmst. Mit dem 3:1 in Bremen hat Hoffenheim den Vorsprung auf den Relegationsplatz auf sieben Punkte ausgebaut. War das vielleicht schon die Vorentscheidung im Abstiegskampf und für den Klassenerhalt der TSG?
Niko: Ich lehne mich jetzt einfach mal aus dem Fenster und sage: Ja. Die TSG ist qualitativ so viel besser besetzt als die Konkurrenz im Tabellenkeller. Die Frage war daher eigentlich immer nur, ob ein Euroapokal-Kader — Probleme hin oder her — mit dem Druck im Abstiegskampf umgehen kann. Can they do it on a cold, rainy night in Stoke? Wissen wir nicht. Aber wir wissen, dass “Hoffe” es an einem kalten, regnerischen Nachmittag in Kiel konnte (schmunzelt). Und daher werden auch in den Wochen nach dem Duell mit dem VfB aus den Partien gegen Bochum, Heidenheim, St. Pauli und Augsburg genügend Zähler herausspringen.
Trainer Christian Ilzer beerbte im November Ex-VfB-Trainer Pellegrino Matarazzo, der noch beim Hinspiel auf der Bank gesessen hatte. Bislang gelangen ihm je drei Siege und drei Unentschieden, sechs Spiele verlor er, zudem schied Hoffenheim gegen Wolfsburg aus dem Pokal aus. In der Europa League gelang ein Sieg in vier Spielen. Wie fällt Deine Zwischenbilanz zu ihm aus?
Durchwachsen. Vom berühmten Trainerwechseleffekt konnte man mit Sicherheit nicht sprechen. Das “Projekt Ilzer” stand und steht irgendwo immer noch am Scheideweg. Wenn die Ergebnisse ausbleiben, werden natürlich alle Maßnahmen auch von der Kabine kritisch beäugt. Selbst, wenn es immer wieder Mut machende Leistungen und statistische Verbesserungen gab. Die bisweilen extravaganten Motivationstricks des neuen Trainerteams haben durchaus auch mal für Verwunderung gesorgt. Die Ausmusterung von Florian Grilltisch, einem der dienstältesten TSGler, vor seinem Last-Minute-Abschied Anfang Februar genauso. Ich bin gespannt, ob Ilzer nachhaltig die Kurve bekommt. Wünschen würde ich es dem Klub, der dringend wieder ein bisschen Kontinuität benötigt, sowie Ilzer persönlich. Denn der Österreicher pflegt auch zu den Medien einen total offenen und authentischen Umgang.
Gefühlt wechselte halb Sturm Graz mit Ilzer nach Hoffenheim, auch Sportgeschäftsführer Andreas Schicker kam vom österreichischen Meister in den Kraichgau. Zu Saisonbeginn rumorte es auch in Fankreisen angesichts der Personalpolitik, zuletzt äußerten sich Andrej Kramaric und Dennis Geiger öffentlich kritisch. Wie prekär ist die innenpolitische Lage in Hoffenheim?
Es brodelt. Mal mehr, mal weniger heftig. Aktuell scheinen sich die Wogen gerade wieder etwas geglättet zu haben. Die Aussagen von Kramaric und Geiger kamen sicher auch ein Stück weit aus der Emotion heraus. Vor allem Kramaric ist da nach dem 0:5 in München übers Ziel hinausgeschossen. Geigers Aussage wurde oftmals falsch in den gleichen Zusammenhang gesetzt. Er hat ja explizit betont, dass es die Neuen schwer haben, wenn sich eine Mannschaft immer wieder solche Auftritt leistet. Er hat weniger die Transferpolitik kritisiert, sondern vielmehr veranschaulicht, welche Möglichkeiten der Klub offenbar hat und wie schlecht das Team dafür am Ende dann doch dasteht. Dennoch sind derartige Äußerungen ungeschickt und haben auch den Verantwortlichen nicht wirklich geschmeckt. Diesbezüglich verweise ich das RNZ-Interview aus der vergangenen Woche mit Markus Schütz, dem Vorsitzenden der Geschäftsführung. Kleine Leseempfehlung. 😉
Zurück zum Sportlichen: Wie lässt Christian Ilzer seine Mannschaft spielen?
Wesentlich intensiver und risikofreudiger als sein Vorgänger. Schnell und vertikal spielen und, wie Ilzer eigentlich in jedem Interview mehrfach betont, “gemeinsam Energie auf den Platz bringen”, das sollen seine Schützlinge. Wenn eine Mannschaft aber derart verunsichert auftritt wie die TSG in vielen der inzwischen 17 Partien unter dem 47-Jährigen, sieht so etwas natürlich schnell chaotisch aus und klingt nach leeren Phrasen. Ich habe eben die statistischen Verbesserungen angesprochen. Die gibt es durchaus, etwa die Anzahl der intensiven Läufe, der überspielten Verteidiger oder der Boxeintritte. Aber, wir drehen uns natürlich auch ein bisschen im Kreis: Bislang resultiert das Ganze eben noch zu selten in Punkten.
Beim Blick auf die Zahlen fällt auf, dass Hoffenheim sehr viele Tore kassiert — gleichzeitig sind sie offensiv nicht so ungefährlich, wie man es von einem Tabellen-15. erwarten würde. Wo siehst Du aktuell die Stärken und Schwächen?
Die defensive Instabilität ist sicher das ganz große Thema in Zuzenhausen. War es ja auch schon vergangene Runde, als man mit 66 Gegentoren die viertmeisten der Liga gefangen hatte, obwohl man am Ende auf Rang sieben stand. Vielleicht kann man es etwas abstrakter formulieren: Die größte Schwäche ist manchmal auch die größte Stärke: Von dieser Mannschaft weiß man nie, was man bekommt. Auch der Gegner nicht (lacht).
Wie sehr schwächt der Ausfall von Spielern wie Oliver Baumann, Ozan Kabak oder Grischa Prömel aktuell die Mannschaft?
Gut, dass Du es ansprichst: Natürlich tun solche Ausfälle extrem weh. Nimm die Abgänge von Wout Weghorst und Maxi Beier sowie die Verletzung von Ihlas Bebou dazu: Da kann man schon von einer Achse sprechen, die weggebrochen ist. Die bittere Verletzung von Nationalkeeper Baumann, der ja auch Kapitän ist, war diesbezüglich die Spitze des Eisbergs. Natürlich hat sich der Klub im vergangenen Sommer ein Stück weit selbst in die Bredouille manövriert. Aber: Es kamen eben auch viele Dinge dazu, die man leider nicht selbst beeinflussen kann.
Im Winter kamen Gift Orban — an dem der VfB auch interessiert war und der gegen Bremen traf — aus Lyon und Leo Östigaard von Stade Rennes nach Hoffenheim. Wie bewertest Du die Transferphase?
Dazu wurden mit Erencan Yardimci, 23, und Bazoumana Touré, 18, zwei Perspektivspieler in den Kader geholt und mit Jakob Busk ein neuer Ersatzkeeper. Für eine Winterperiode war die TSG also überaus aktiv. Zumal ja auch nicht nur Jacob Bruun Larsen zum VfB, sondern besagter Grillitsch, aber auch Tim Drexler, Mergim Berisha und Attila Szalai den Klub, zumindest temporär, verlassen haben. Ich denke, damit kann man zufrieden sein. Die Abgänge waren immens wichtig, da Spieler mit einem gewissen Anspruch, die keine Perspektive haben, immer Gift fürs Binnenklima sind. Leo Östigaard hat schnell gezeigt, dass er dem Team helfen kann. Gift Orban hat noch nicht restlos überzeugt, aber schießt seine Tore.
In der vergangenen Saison machten die VfB-Fans das Spiel in Hoffenheim zu einem Heimspiel. Ist das am Sonntagabend wieder zu erwarten oder versucht man seitens des Vereins, da gegenzusteuern?
Das ist wieder zu erwarten, ja. Und der Verein würde gegensteuern, wenn er denn könnte. Wenn du ohne Gästefans 20.000 Tickets verkaufst, wie willst du in einem Stadion, in das aber 30.000 reinpassen, viele fremde Trikots auf den Rängen verhindern? Ich finde das übrigens ganz persönlich nur bedingt schlimm. Und ich glaube, auch die Profis spielen lieber bei einer tollen Atmosphäre und in einer vollen Hütte als vor weniger Gästefans. Zumal die Südkurve auch immer dann, wenn viel Support des Gegners mitreist, besonders gewillt ist, dagegenzuhalten. Die Jungs machen inzwischen nämlich auch immer richtig Alarm. Von daher: Ich freue mich auf Sonntag.
Zum Abschluss: Dein Tipp für Aufstellung und Ergebnis?
Auf die Aufstellung tippe ich bei derart vielen Verletzten und Kranken nicht mehr. Vielleicht könnte es passieren, dass Ilzer erstmals überhaupt zweimal in Folge die gleiche Viererkette spielen lässt bzw. spielen lassen kann. Das wäre sicher ein Schritt in die richtige Richtung. Ob’s für ein 2:2 reichen würde? 😉
Titelbild: © Daniel Kopatsch/Getty Images
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