MillernTon
·21 June 2025
Repressionen gegen Fußballfans – Es bleibt ein langer Weg

In partnership with
Yahoo sportsMillernTon
·21 June 2025
Der Saisonbericht 2024/25 des Dachverbandes der Fanhilfen ist da. Deutlich wird: Fußballfans sind weiterhin stark von Repressionen betroffen.Titelfoto: Stefan Groenveld
Am Mittwoch den 18.06 präsentierte der Dachverband der Fanhilfen den neuen Saisonbericht 2024/25. Darin werden 24 Fälle dokumentiert zu „überzogenen und unverhältnismäßigen Polizeieinsätzen gegen Fußballfans“. Es ist anzumerken, dass die Dunkelziffer an Vorfällen deutlich höher ist. Während in der Saison 23/24 ein Zusammenhang zur Herrenfußball-EM in Deutschland bestand, zeigte sich auch in der vergangenen Saison keine Verbesserung.
Im Ausblick des Saisonberichtes hält der Dachverband fest: „Zu beobachten ist hierbei ein Trend zu immer absurderen und realitätsfernen Einsätzen, die ganz offensichtlich nach dem Prinzip ‚viel hilft viel‘ geplant werden. Auch wenn in dieser Saison im Gegensatz zur vergangenen Spielzeit großangelegte Angriffe der Polizei in den Fankurven glücklicherweise ausblieben, gehen die Einsatzkräfte weiterhin mit teilweise großer Brutalität gegen Fans vor oder hindern sie oftmals bereits daran, trotz gültiger Eintrittskarten überhaupt das Stadion betreten zu dürfen“. Auch die Fans vom FC St. Pauli waren vergangene Saison von überzogenen Polizeieinsätzen betroffen. Schauen wir uns doch mal ein paar Beispiele von Vorfällen aus dem Bericht an.
Innerhalb der 24 Fälle im Bericht ist besonders auffällig, dass viele Fans aufgrund von Kontrollen sowie ausgesprochenen Platzverweisen und Betretungsverboten in dieser Saison nicht einmal das Stadion erreichten oder geschlossen wieder abreisten. So wie im ersten Vorfall des Berichts: Ca. 500 Schalke-Fans wurden vor dem Spiel am Bahnhof Magdeburg aufgrund von Hinweisen einer „Drittortsauseinandersetzung“ „von der Polizei aufgehalten, ihre Personalien festgestellt, videografiert und mit einem Betretungsverbot belegt“. Die Fanhilfe Magdeburgs kritisierte die Maßnahme als unverhältnismäßig und auch der Aufsichtsratsvorsitzende des 1. FC Magdeburg sprach sich für die Schalker Fans aus.
Auch Fans des HSV erreichten auf dem Weg nach Düsseldorf nicht mehr das Stadion, nachdem ein anderer Reisender der Regionalbahn zwei Personen verletzte und mit einem Feuerlöscher sprühte. Der Zug wurde gestoppt und von allen HSV-Fans, die sich in dieser Bahn befanden, wurde durch die Polizei Lichtbilder erstellt und die Personalien kontrolliert. Die Polizei begründete diese Maßnahme für die Identifikation von potenziellen Zeug*innen. Die HSV-Fans kehrten im Anschluss wieder nach Hamburg um.
Vor dem Spiel gegen den 1. FC Köln wurden 500 Düsseldorfer Fans für eine erkennungsdienstliche Maßnahme aufgrund eines „Anfangsverdachts zur möglichen Begehung von Straftaten“ für mehrere Stunden festgesetzt. Dabei gab es kaum Möglichkeit zur Versorgung, Toilettengänge und das Wechseln von Hygiene-Artikeln weiblicher Fans waren nur unter Aufsicht der Polizei möglich. Zusätzlich verhielte sich die Polizei gegenüber den Fans provokativ. Die Düsseldorfer traten nach der Maßnahme die Heimreise an.
Ein besonders fragwürdiger Fall beschreibt die Zusammenarbeit der DEHOGA (Deutscher Hotel- und Gaststättenverband) mit der Polizei. Vor dem Spiel Hannover 96 gegen Schalke 04, sollte die DEHOGA personenbezogene Daten von Gästen in Hotels in Hannover und Umgebung an die Polizei weiterleiten. Der Bericht beschreibt: „Die Fanhilfe Hannover kritisierte diese Praxis als diskriminierend und datenschutzwidrig. Gerade, weil die Polizei die Daten ohne konkreten Verdacht abgefragt habe und nicht einmal feststünde, ob die Personen überhaupt im Fußballkontext angereist seien.“ Die Fanhilfe Hannover erfuhr außerdem, dass die DEHOGA bereits mehrfach zur Weitergabe von Daten aufgefordert worden sei.
Außerdem ist auffällig, dass die Polizei weiterhin an einem aggressiven Auftreten festhält. Beispielhaft aus der vergangenen Saison ist dabei der Einsatz beim Auswärtsspiel des FC St. Pauli bei RaBa Leipzig im Februar dieses Jahres. Denn bei Ankunft am Bahnhof in Leipzig wurden die Fans unter anderem von einer BFE (Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit) empfangen. Dabei kam es durch die Polizei zu körperlichen Übergriffen auf Fans sowie zu Drohungen und Beleidigungen. Außerdem wurden die Fans durch gesperrte Ausgänge verengt aus dem Bahnhof geleitet. All dies setzte sich auch am Stadion fort sowie auf dem Rückweg, bei dem auch Personen gewaltsam aus der Masse gezogen wurden. Die Braun-Weiße-Hilfe kritisierte diese Maßnahmen scharf. Im April diesen Jahres wurden parlamentarische Anfragen durch die Linke und Bündnis 90 die Grünen im Sächsischen Landtag gestellt. Die Braun-Weiße-Hilfe stellte nach Antworten des Sächsischen Staatsministerium des Inneren fest: Dieser Einsatz war unverhältnismäßig. Die Fraktion Die Linke stellte vor kurzem eine weitere Anfrage im Bundestag.
Ein weiteres Beispiel aggressivem Polizeiverhaltens vollzog sich vor dem Spiel zwischen FC Saarbrücken und 1860 München, bei dem ein Fan durch einen Tritt eines Polizisten von der Treppe am Saarbrückener Hauptbahnhof fiel. Außerdem kam es vermehrt zum Einsatz von Reizgas, zum Beispiel im Nachgang des Spiels FC Carl Zeiss Jena gegen BSG Chemie Leipzig sowie Rot-Weiß-Essen gegen 1860 München. Gästefans von 1860 blieben dem Spiel nach Kontrollen im Intimbereich fern, nach Rangeleien am Bahnhof kam es zum Einsatz von Reizgas und Schlagstöcken.
Die genannten Beispiele stellen nur einen Bruchteil der Vorfälle aus dem Bericht dar. Klar wird trotzdem: Fußballfans sind weiterhin stark von Repressionen betroffen und finden sich immer wieder in Situationen ausgesetzt, in denen sie kriminalisiert und ihre Rechte nicht beachtet werden. Die Aussichten für eine Verbesserung dieser Verhältnisse erscheinen dunkel, angesichts einer eventuellen Einführung einer Chatkontrolle, den erhöhten Einsatz von Drohnen bei Fußballspielen oder der potenziellen Nutzung von KI. So stellt sich die Frage, wie kann man einer solchen Entwicklung entgegenwirken?
Die Forderungen des Dachverbandes der Fanhilfen wurden bereits Anfang des Jahres gestellt: Der Dachverband spricht sich gegen die Einführung einer Chatkontrolle aus und fordert die Bundesregierung dazu auf, diese auf EU-Ebene weiterhin abzulehnen. Auch befürwortet der Dachverband die Einführung einer unabhängigen Beschwerdestelle für polizeiliches Fehlverhalten sowie der Abschaffung der Datei „Gewalttäter Sport“. Außerdem wird eine Kennzeichnungspflicht der Bundespolizei gefordert.
In der Pressekonferenz wurde deutlich gemacht: Interesse seitens DFB und DFL, Lösungen für die Problematik zu finden, sei kaum vorhanden, obwohl von Seiten der Fanhilfen darauf aufmerksam gemacht wird. So gebe es einen regelmäßigen Austausch mit den Sicherheitsbeauftragten der Vereine an denen unter anderem Befragungen der Fans (z.B. das Fan-Feedback der BWH) herangetragen werden. Die Sicherheitsbeauftragten stehen in direktem Kontakt z.B. mit der Polizei. Eine direkte Ansprechperson zur Problematik gebe es bei der DFL und beim DFB nicht, die Strukturen dort seien unersichtlich. Für DFB und DFL sei der Fokus ein anderer, nämlich die Vermarktung des Fußballs, nicht die Rechte der Fans, so der Dachverband. Und trotz eines Sicherheitsgipfels in München Ende letzten Jahres, wird bemängelt: Es werde immer nur über die Fans, aber nicht mit den Fans gesprochen.
Auf der Pressekonferenz machte der Dachverband noch auf die Problematik der Polizeikosten aufmerksam und die Debatte, ob die Ausrichter verantwortlich für die Bezahlung dieser sein sollen. Der Dachverband machte deutlich: das Finanzieren der Polizeikosten durch den Ausrichter würde eine Privatisierung der Polizeikosten bedeuten. Das werde strikt abgelehnt und es wird bereits nach Lösungen gesucht, wie die Kosten fair finanziert werden können, sollte es dazu kommen. Denn klar ist, die Finanzierung würde auf die Fans zurückfallen, denn Vereine könnten als Reaktion darauf zum Bespiel höhere Ticketpreise verlangen. Für den Dachverband gilt, dass die Länder an der Finanzierung der Polizeikosten beteiligt sein müssen, denn der Einsatz der Polizei sei keine Privatsache.
Zum Schluss müssen wir den Fanhilfen, beim FC St. Pauli natürlich insbesondere der Braun-Weißen-Hilfe einen großen Dank aussprechen. Denn sie leisten wirklich wichtige Arbeit. Ohne die Fanhilfen, würden wir nicht über diese Problematik sprechen. Außerdem ist die Arbeit der Fanhilfen komplett ehrenamtlich. Danke für eure Arbeit und euer Engagement! Hier findet ihr den Spendenlink der BWH. Support your local Fanhilfe!//Nina
Alle Beiträge beim MillernTon sind gratis. Wir freuen uns aber sehr, wenn Du uns unterstützt.
// Teile diesen Beitrag mit Deinem Social Media Account (Datenübertragung erfolgt erst nach Klick)
Live