MillernTon
·1 August 2025
Positive Erinnerungen an Mainz

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·1 August 2025
In der ersten Hälfte der Sommervorbereitung präsentierte sich der FC St. Pauli erfolgreich mit veränderter Spielidee, die an ein anderes Team der Vorsaison erinnert.(Titelfoto: Alex Grimm/Getty Images/via OneFootball)
Die Sommervorbereitung des FC St. Pauli feierte kürzlich Bergfest: Der 28. Juli markierte genau die Mitte zwischen dem Trainingsstart am 03. Juli und dem Bundesliga-Auftakt gegen Borussia Dortmund am 23. August. Und auch wenn der FCSP die österreichischen Berge da bereits verlassen musste, so wird das Bergfest sicher eher eine positive Angelegenheit sein. „So wie es bisher gelaufen ist, habe ich wirklich ein sehr gutes Gefühl“, erklärte Alexander Blessin Mitte dieser Woche. Weil die vergangenen Wochen ziemlich gut gelaufen sind für den FC St. Pauli.
Dabei war zu Beginn alles andere als klar, in welche Richtung sich das entwickeln würde. Zugegeben, das ist es immer noch nicht. Denn ehe nicht einige Spiele in der Bundesliga gelaufen sind, lässt sich keine verlässliche Aussage zur Qualität von Kader und Spielidee eines Teams treffen. Doch die Anzeichen verdichten sich, dass es beim FCSP – obwohl kein einziger der neu verpflichteten Spieler Bundesligaerfahrung hat – einen kleinen Qualitätssprung gegeben haben könnte, auch weil einige Spieler einen Leistungssprung gemacht zu haben scheinen. Dieser Qualitätssprung eröffnet Trainer Alexander Blessin neue Möglichkeiten bei der Spielidee.
In den bisherigen Testspielen zeigte sich, dass vom FC St. Pauli in der kommenden Saison in Sachen Spielstil eine doch eher große Veränderung zu erwarten ist. Es wird viel intensiver und aggressiver gepresst. Zog sich das Team in der Vorsaison immer wieder in ein kompaktes Mittelfeldpressing zurück, so zeigte es nun in den Vorbereitungsspielen einen wesentlich aktiveren Pressing-Stil, setzte die Gegner viel früher unter Druck. Dazu schieben die Innenverteidiger noch aktiver und mutiger vor, sie verteidigen höher, wenn es sein muss, um den Druck aufrecht zu erhalten. Auch verschiebt das Team deutlicher auf die ballnahe Seite, um die Abstände noch enger zu halten und auch so den Druck aufrecht zu erhalten.
Die Testspiele haben gezeigt: Die Gegner ließen sich davon beeindrucken. Der FC St. Pauli bestimmte den Rhythmus der Spiele, forcierte viele frühe Ballgewinne oder unkontrollierte lange Bälle des Gegners und ist jeweils das bessere Team gewesen. Nun dürfen Testspiele aber auch nicht zu hoch eingeschätzt werden. Im Sommer 2024 gewann der FCSP ebenfalls gegen ein starkes Team aus Frankreich (1:0 gegen Lyon), konnte im letzten Test sogar deutlich gegen Europokalsieger Atalanta Bergamo gewinnen. Die Saison startete dann mit drei Niederlagen in Serie. Die Ergebnisse der Vorbereitungsspiele sagen also eher wenig aus, Blessin erklärte, dass er viel eher auf die Leistung als auf die Ergebnisse schaut und er da „viele gute Sachen“ gesehen habe, aber eben auch noch Bereiche, in denen sich das Team verbessern kann. Was angenehm auffällt: Der Spielstil des FC St. Pauli ist viel klarer zu erkennen als zum gleichen Zeitpunkt ein Jahr zuvor. Das spricht dafür, dass das Team, nicht wie in der Vorsaison, zum Saisonstart auch in vollem Umfang bereit ist und nicht noch weitere Vorbereitung benötigt.
Auch im Spiel mit dem Ball haben sich ein paar Dinge verändert: Am auffälligsten ist, dass es nun noch schneller nach vorne geht, der FCSP konsequenter die Tiefe sucht. Und wenn es doch ruhigere Phasen gibt, dann ist die hohe Positionierung der Schienenspieler und das dadurch bedingte Einrücken der offensiven Außenbahnspieler interessant. Der FC St. Pauli bildet dann zwar weiter eine Art offensive Dreierkette, allerdings nicht mehr mit den offensiven Außenbahnspielern (wie noch in der Vorsaison). Diese befinden sich oft eher in den offensiven Halbräumen, die Außenpositionen werden von den Außenverteidigern besetzt, es ist dann im Ballbesitz eine Art 3-2-5-Formation. Dass mit Arkadiusz Pyrka und Louis Oppie zwei Spieler für diese Positionen hinzugekommen sind, die ihre Stärken ganz klar im Offensivbereich haben, passt wirklich ganz hervorragend in dieses veränderte Konzept.
Alexander Blessin arbeitet mit seinem Team aktuell daran, den Spielstil des FC St. Pauli zu verfeinern – die Testspiele haben gezeigt, dass das erfolgreich sein kann. // (Stuart Franklin/Getty Images/via OneFootball)
Diese hohe Positionierung bei Ballbesitz sorgt für mehr Präsenz im letzten Drittel und damit sicher auch für mehr Offensivgefahr. Genau das hat Alexander Blessin aber auch noch als eine große Baustelle für die zweite Hälfte der Vorbereitung ausgemacht. Es gehe nun darum „Tiefgang, Ausspielen von Torchancen im letzten Drittel, Flanken, das richtige Einlaufen, Box-Besetzung“ zu verfeinern und generell müsse man akribisch daran arbeiten, „unsere Chancen besser zu nutzen.“Zusammen mit dem aggressiveren Pressing dürfte der FC St. Pauli in der kommenden Saison viel mehr Offensivgefahr ausstrahlen. Aber das ist natürlich nicht ohne Risiko. Die Testspiele haben gezeigt, dass der FC St. Pauli nun etwas verwundbarer bei langen Bällen ist. Auch hier müssen Abläufe noch angepasst werden.
Dieser veränderte Ansatz kann klappen, in den Testspielen klappte es sogar teilweise hervorragend.Aber in der Bundesliga warten auf den FC St. Pauli andere Gegner als ein Zweitligist (KSC) sowie ein Europapokalteilnehmer aus Dänemark und ein Champions League-Anwärter aus Frankreich, die mit einer B-Elf antreten.Auch Coventry City, der kommende Testspielgegner, wird in dieser Hinsicht nur bedingt als Gradmesser taugen. Denn während man diese Clubs mit intensivem Pressing noch überraschen kann, während man sie damit noch völlig entnerven kann, dürfte das gegen Bundesligisten etwas anders aussehen. Denn die Bundesliga ist eine Pressing-Liga, so sehr wie sonst wohl keine andere Liga auf der Welt. Das bedeutet: Die dort beheimateten Teams sind hohen Gegnerdruck und aggressives Anlaufen gewohnt – und haben daher Lösungen gegen solche Herangehensweisen parat.
Aber auch gegen den FC St. Pauli? Das wird sich erst im Saisonverlauf zeigen. Die vergangene Saison hat gezeigt, dass es Teams weiterhin gelingen kann, sehr erfolgreich zu sein, wenn Konzepte radikal umgesetzt werden. Denn hohes und intensives Pressing, besonders mit vorschiebenden Sechsern, in einer Formation mit einer Dreierkette und Doppelsechs, zudem extrem weit vorschiebende Außenverteidiger und konsequente Besetzung der Halbräume und strikt vertikales Spiel nach Ballgewinnen – das ist nicht nur die Beschreibung des Spielstils des FC St. Pauli in der Sommervorbereitung auf die Saison 25/26. Es war auch der Stil des 1. FSV Mainz 05 der Vorsaison (die übrigens die drittbeste Defensive der Liga stellten).
Auch wenn der Vergleich aufgrund der unterschiedlichen individuellen Qualitäten in beiden Kadern natürlich etwas hinkt: Die Mainzer haben es mit einem vergleichsweise mittelmäßigem Kader bis in den Europapokal geschafft und damit gezeigt, was ein Team mit einer klaren Identität erreichen kann. Ähnliches, mit einem eher schwachem Kader die Klasse halten, ist in der Vorsaison auch dem FC St. Pauli gelungen. Einfach direkt abgeschaut hat sich der FCSP die Mainzer Spielidee sicher nicht, dafür waren auch in der Vorsaison schon zu viele Elemente davon im FCSP-Spiel zu erkennen. Trotzdem dürften die Mainzer, die unter der Leitung von Bo Henriksen extrem viel Energie versprühen, für den FC St. Pauli ein positives Beispiel sein, was mit der radikalen Umsetzung des eigenen Vorhabens zu schaffen ist.
Also ist das Erreichen des Europapokals das Ziel der kommenden Saison? Mindestens, sowieso. Im Ernst: Es ist sehr schön zu sehen, dass der FC St. Pauli in Sachen Transfers und Spielidee offenbar ganz klare Vorstellungen umsetzt. Das ist aber auch notwendig, um überhaupt eine Chance auf den Klassenerhalt zu haben. Die Prognose, ob dieses Ziel auch erreicht wird, ist aktuell nicht seriös abzugeben. Aber man kann sich sicher sein, dass es bei den Spielen mit FCSP-Beteiligung nun (noch) intensiver zur Sachen gehen wird – und es werden auch mehr Treffer fallen, vermutlich auf beiden Seiten.
// Tim
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