Neuendorf: "Das ist der Weg, den wir gehen wollen" | OneFootball

Neuendorf: "Das ist der Weg, den wir gehen wollen" | OneFootball

In partnership with

Yahoo sports
Icon: DFB-Frauen

DFB-Frauen

·24 July 2025

Neuendorf: "Das ist der Weg, den wir gehen wollen"

Article image: Neuendorf: "Das ist der Weg, den wir gehen wollen"

Für die deutsche Frauen-Nationalmannschaft ist das EM-Turnier in der Schweiz nach der Halbfinalniederlage gegen Spanien beendet. Einen Tag nach dem Spiel äußerten sich DFB-Präsident Bernd Neuendorf, Kapitänin Giulia Gwinn und Sportdirektorin Nia Künzer über das sportliche Abschneiden, das Rekordturnier, die eigene EURO-Bewerbung und die Zukunftsplanungen der DFB-Frauen.

Bernd Neuendorf über...

... das EM-Aus: Heute ist es eine Enttäuschung, aber wenn man auf dieses Turnier zurückblickt, kann man sehr stolz auf das Erreichte sein. Gestern ist das Turnier fürs uns zu Ende gegangen, aber vielleicht hat eine ganz neue Ära im Frauenfußball begonnen. Großer Dank gebührt auch dem Trainerteam, das den Mut hatte, den Kader so zusammenzustellen.


OneFootball Videos


... die Hürden des Turniers: Wir haben viele Rückschläge bei diesem Turnier erlebt: der Ausfall von Giulia Gwinn, die Roten Karten, die Verletzung von Sarai Lindner, Sjoeke Nüsken, die gestern nicht spielen konnte. Immer wieder musste das Team umformiert werden und die Aufstellungen neu zusammengesetzt werden. All diese Widerstände wurden überwunden und sie haben trotzdem ein sehr überzeugendes Spiel mit großer Leidenschaft geliefert. Da gebührt der Mannschaft ein großer Dank.

... die Zeit nach der EM: Die Spielerinnen gehen jetzt in den Urlaub und dann zu ihren Mannschaften zurück. Die nächste Maßnahme findet vor dem Final Four der Nations League statt. Ich glaube, die Fans werden sich alle auf die Rückkehr dieser Nationalmannschaft freuen.

... Maßnahmen zur Förderung des deutschen Frauenfußballs: Wir haben schon vor drei Jahren unsere Frauenfußballprojekte aufgesetzt. FF27 ist das Stichwort, bei dem wir gute Zahlen präsentieren können. Die Mitgliederzahlen im Frauen- und Mädchenfußball wachsen bei uns. Das sind positive Signale. Wir müssen mehr bei Trainerinnen und Trainern im Frauenfußball tun, um die Basis besser entwickeln zu können. Wir müssen sicherlich eine Professionalisierung der Bundesliga herbeiführen. Das sind Themen, um die wir uns gerade kümmern, bei denen wir auch zeitnah zu Ergebnissen kommen wollen. Aber da sind wir richtig gut unterwegs. Die Entwicklung zeigt in die richtige Richtung und es werden entsprechende Maßnahmen kommen.

... den Bundestrainer: Wir sind hundertprozentig überzeugt von Christian Wück und seinem Weg. Er hat eine Transformation mit dieser Mannschaft eingeleitet, die gelungen ist. Das muss man ehrlich sagen, das war mutig. Er hat schon bei der U 17 bewiesen, dass ihm junge Spieler das Vertrauen, das er ihnen gibt, zurückzahlen. So läuft es bei der Frauen-Nationalmannschaft auch. Und das ist genau der Weg, den wir gehen wollen. Wir haben volles Vertrauen in das ganze Trainerteam.

... die mediale Aufmerksamkeit der EM: Es wurden nicht nur die Deutschland-Spiele gezeigt, auch das löst etwas aus. Man sieht an den Zahlen, dass der Zuspruch da ist. Nicht nur im Stadion, sondern auch im ganzen Land. Mehr als 600.000 Zuschauerinnen und Zuschauer waren bisher bei diesem Turnier. Es werden mit dem Finale vielleicht knapp 700.000 werden, die das Turnier in den Stadien verfolgt haben. Dieser Zuschauerzuspruch und die hohen Einschaltquoten sind für uns eine zusätzliche Motivation für unsere EM-Bewerbung 2029. Wir glauben, dass wir die Zahl der Zuschauerinnen und Zuschauer auf jeden Fall noch toppen können. Deswegen geht der Fokus jetzt Richtung Winter. Dann wird die Entscheidung über die Vergabe der EM 2029 getroffen.

... Erkenntnisse der EM für die eigene Bewerbung: Erstmal möchte ich mich bei der Schweiz bedanken, der Schweizer Fußball-Verband hat das richtig toll gemacht. Das haben wir auch schon persönlich übermittelt. Es war wirklich ein sehr herzliches Turnier. Wir haben uns sehr wohl gefühlt, die Spielerinnen und die ganzen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Aus den Turnieren lernt man immer. Wir werden das im Nachgang sicherlich noch mal analysieren. Aber zunächst einmal muss das Ziel sein, Anfang Dezember die zu Chance bekommen, das Turnier auszurichten.

Giulia Gwinn über...

... ihr Fazit nach dem Halbfinale: Man hat gesehen, wie ein Team wachsen kann, vor allem auch über sich hinauswachsen kann. Ich war leider Außenstehende und konnte das nur beobachten. Momentan ist natürlich sehr viel Frust dabei, weil wir das 0:0 nicht über die Zeit bringen konnten, um dann im Elfmeterschießen womöglich auch den letzten Schritt ins Finale zu machen. Ich bin auf jeden Fall sehr stolz auf die Mannschaft und ich glaube, dass wir wieder nachhaltig etwas bewegen können.

... die Minuten nach dem Schlusspfiff: Wir haben in der Kabine noch mal Zeit für uns gehabt, in der jeder ein bisschen für sich war, aber in der wir uns vor allem gemeinsam auch noch mal stärken konnten. Gar nicht so sehr mit Worten, sondern eher mit Umarmungen, mit Füreinander-da-sein. Wir durften zu unseren Family and Friends, was viel Kraft gibt.

... ihre Gefühle am Tag nach dem Aus: Momentan überwiegen noch der Frust und die Trauer, weil der Traum einfach so groß war, diesen letzten Schritt in Richtung Finale zu machen. Ich glaube, die Mannschaft hätte das mehr als verdient gehabt nach dem, was wir in den letzten Spielen geleistet haben. Es ist schwierig, so schnell den Schalter umzulegen, das braucht ein bisschen Zeit. Jetzt müssen wir alle mal abzuschalten, die Akkus wieder aufladen und alles mal Revue passieren lassen. Ich hoffe, dass die Mädels das spüren, was sie bewirken konnten und dass der nächste Schritt für den Frauenfußball gemacht wurde.

... ihr verletzungsbedingtes Turnieraus: Ich habe mir sehr viel vorgenommen für das Turnier - persönlich, aber vor allem für das Team. Ich wollte natürlich auf dem Platz helfen. Dass dann das Turnier quasi schon vorbei ist, ohne dass man wirklich einen aktiven Beitrag leisten kann, tut unfassbar weh. Ich habe versucht, das irgendwie umzumünzen und der Mannschaft trotzdem etwas zu geben. Aber als Sportlerin will man natürlich immer mittendrin sein, gerade in den vielen schwierigen Momenten, die wir hatten.

... die Perspektive des Teams: Es ist eine super junge Mannschaft. Was vor allem hängen bleibt, ist das, was wir zu leisten im Stande sind. Darauf kann man sehr, sehr stolz sein, das macht Lust auf die Zukunft. Dass da nicht alles perfekt ineinander greift, dass vielleicht auch in der Gruppenphase Momente dabei sind, in denen eben diese gewisse Erfahrung noch nicht auf dem Platz zu spüren ist, ist völlig normal. Das ist ein Prozess. Aber ich glaube, wir haben eine unfassbar gute Grundlage für die nächsten Jahre. Gerade das Spiel gegen Frankreich war besonders hervorzuheben, das war schon sehr eindrucksvoll. Aber auch abseits des Platzes: So eine Truppe habe ich noch nie erlebt. Was da für eine Energie herrscht, ist schon herausragend. Wir haben ein perfektes Fundament geschaffen, um darauf aufzubauen.

... die deutschen Fans: Ich habe versucht, so viele Eindrücke wie möglich zu teilen, wie wir in Deutschland unterstützt wurden. Man hat auch viel über Social Media mitbekommen. Was für uns natürlich besonders schön war, waren die vielen deutschen Fans hier vor Ort. Wenn man ein paar Jahre zurückschaut, ist das nicht selbstverständlich für den Frauenfußball. Es wurden Rekorde gebrochen, wenn man unsere Einschaltquoten anschaut. Das sind alles Dinge, die sind unfassbar schön. Die sehen wir nicht als selbstverständlich an. Wir hoffen, dass wir den Fans etwas zurückgeben konnten mit unserem Fußball.

Nia Künzer über...

... das EM-Aus: Wir haben eine besondere Zeit zusammen verbracht und auch Besonderes geleistet. In der stillen Minute kommt das auch bei allen Spielerinnen raus. Das bleibt für immer und verbindet diese Gruppe auf eine lange Zeit.

... den Matchplan: Wir haben seit dem Spiel gegen Schweden mehr Stabilität gesucht. Sicherlich haben wir gerade in der ersten Halbzeit gesehen, welch hohe Qualität Spanien hat. Es war klar, dass wir auch ein bisschen leiden werden müssen und dass wir vielleicht nicht so viel Ballbesitz haben werden. Wir haben aber gezeigt, insbesondere in der zweiten Halbzeit, dass wir Nadelstiche setzen können.

... die Abwehrleistung trotz Unerfahrenheit: Welche Leistungen diese jungen Spielerinnen mit sehr wenig Länderspielerfahrung hier abgeliefert haben, zeigt, wie richtig wir das gemacht haben, so mutig zu nominieren. Aber es ist auch eine große Bestätigung für den Kader als Ganzes. Wir haben nicht nur eine Situation gehabt, in der wir jemanden ins kalte Wasser geschmissen haben. Das Vertrauen haben die Spielerinnen uns zurückgezahlt. Es ist einfach schön zu sehen, dass dieser Kader, von dem wir überzeugt waren, zeigen konnte, was in ihm steckt. Ich habe richtig Lust, den Weg weiterzugehen.

... neue Entdeckungen in der Mannschaft: Ich bin von diesem Team, von diesen Spielerinnen einfach begeistert. Wir haben so gute Typen in diesem Team. Franziska Kett und Carlotta Wamser haben richtig abgeliefert. Von denen war vielleicht nicht jeder überzeugt bei der Nominierung, wir waren es. Auch Giovanna Hoffmann, wir haben einfach Wahnsinns-Typen. Linda Dallmann, die sehr wichtig für die Atmosphäre im Team war. Sjoeke Nüsken und Janina Minge, die in die Leaderrolle gerutscht sind. Es ist wirklich schwierig, hier Spielerinnen hervorzuheben, weil es einfach ein Team gewesen ist. Ein Team, das aufeinander geachtet hat, ein sehr gutes Gespür hatte, das bei sich geblieben ist. Auch in schwierigen Phasen, durch die wir hier im Turnier gegangen sind. Intern durch Verletzungen, Ausfälle oder Sperren, aber sicherlich auch durch externe Einflüsse, die das Team sehr gut ausbalanciert hat.

... eine Lücke zur Weltspitze: Wir haben tolle Talente. Carlotta Wamser und Franziska Kett sind die besten Beispiele dafür, dass es auch bei den jungen Spielerinnen Qualität gibt. Jetzt gilt es, gemeinsam mit den Vereinen, Talente zu finden und zu fördern.

... ihre besonderen EM-Momente: Seit wir zusammengekommen sind, hat jeder alles dafür getan, dass wir ein gemeinsames Ziel erreichen. Das hat nicht nur mit dem sportlichen Ziel zu tun. Es gab die Situation nach Schweden, in der es sicherlich nicht ganz einfach war, für alle Ruhe zu bewahren. Das zeichnet dieses Team, dieses Trainer*innen-Team, aber auch die Spielerinnen aus, dass sie ganz bei sich geblieben sind. Sie wussten, dass sie sich aufeinander verlassen können und Verantwortung übernehmen müssen. Aber auch, dass sie die Überzeugung und den Glauben daran hatten, jedes Spiel gewinnen zu können. Giulia Gwinn war hier, obwohl sie die letzten Spiele nicht bestreiten konnte. Aber sie ist die Kapitänin. Wir wissen, wie wichtig sie für das Team ist. Sie ist immer bereit, Verantwortung zu übernehmen, egal wo sie gerade ist. Dieses Team hat einfach gezeigt, dass nicht nur Giulia wichtig ist, sondern jede von den 23.

View publisher imprint