„Laut meiner Rechnung sehen wir die Neuauflage von Wembley ’13“: Die Expertenrunde zur Champions League | OneFootball

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·30 April 2024

„Laut meiner Rechnung sehen wir die Neuauflage von Wembley ’13“: Die Expertenrunde zur Champions League

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Nur noch vier Teams können sich den Traum vom Endspiel in der Champions League erfüllen. Der FC Bayern spielt im Halbfinale gegen Real Madrid, Borussia Dortmund bekommt es mit Paris Saint-Germain zu tun. Das Ziel heißt Wembley, in dieser Woche stehen die Hinspiele auf dem Programm.

Zeit also, um einige Themen, die die Königsklasse betreffen, genauer unter die Lupe zu nehmen. Dafür haben wir uns mit Arthur Perrot (RMC Sport), Fußballanalyst Benny Grund, Pablo Montano (AS & Cadena SER) und Filip Knopp (RealTOTAL), der das Spiel im Stadion verfolgen wird, unterhalten.


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Die Expertenrunde vor dem Halbfinale der Champions League

Das Viertelfinale in der Champions League war spannend, torreich und zeitweise auch sportlich absolut hochklassig. Am Ende schieden die beiden verbleibenden Teilnehmer aus der Premier League aus. Hat euch das überrascht und wo liegen eurer Meinung nach die Gründe? Ist es die sehr hohe Belastung mit wenigen Pausen oder haben die anderen Ligen und Teams vielleicht einfach mehr richtig gemacht?

Filip Knopp: „Bei Arsenal hat mich das Ausscheiden keineswegs überrascht. Ja, das ist eine Premier-League-Spitzenmannschaft, dieses Team ist solch große Partien im internationalen Geschäft aber nicht gewohnt, da fehlt es an Erfahrung, Abgeklärtheit und Killerinstinkt. Für mich war daher schon nach der zwischenzeitlichen Bayern-Wende im Hinspiel klar, wie dieses K.O.-Duell ausgeht. Das Ausscheiden von Manchester City kam für mich schon eher überraschend, da einiges gegen Real sprach: das Hinspiel zuhause, das obendrein nicht siegreich genutzt werden konnte. Das Rückspiel auswärts – dort, wo man vorher viele Tore kassiert und City seit September 2018 keine Niederlage erlitten hatte. Grund also: Einmal das nötige „Tagesglück“, andererseits muss man Real aber auch für diese wackere Defensiv-Leistung auf die Schulter klopfen. Nur so geht es auswärts gegen Pep Guardiola.“

Pablo Montano: „Ich war ein wenig überrascht, aber nicht völlig. Sowohl Manchester City als auch Arsenal gingen in guter Form in die Spiele, aber ihre Gegner waren nicht die einfachsten. Manchester City hatte es mit dem König des Wettbewerbs zu tun, und obwohl sie in der letzten Saison gewonnen hatten, war Real Madrid in diesem Jahr cleverer. Und gegen Real Madrid darf man in der Champions League niemals unterschätzen.“

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(Photo by Stu Forster/Getty Images)

Im Fall von Arsenal waren die Leistungen in der Premier League viel besser als die der Bayern in der Bundesliga, aber ihr Ausscheiden war nicht so überraschend, weil die Erfahrung in diesem Wettbewerb in diesen K.O.-Runden viel Gewicht hat und, wie Mikel Arteta selbst sagte, Arsenal seit 15 Jahren nicht mehr in dieser Situation war. Bayern München hingegen ist eine feste Größe in der Champions League und hat großartige Spieler, auch wenn es nicht ihre beste Saison war. In gewisser Weise ist das eine Enttäuschung für den englischen Fußball, da mehrere Mannschaften, auch in der Europa League, zu den Favoriten gehörten.

Arthur Perrot: „Ja, es war überraschend für mich, weil sie große Klubs sind und in den letzten Jahren die englischen Teams oft sehr weit gekommen sind. Ein Grund ist für mich wirklich der Spielplan, es ist wirklich hart für diese Klubs. Ich denke, dass wir mittlerweile in einer neuen Ära angekommen sein können. PSG zum Beispiel hatte drei harte Jahre, jetzt scheint sich das Projekt aber auszuzahlen. Hier wurden viele kleine Veränderungen vorgenommen und diese sorgen für mehr Stabilität und Erfolg.“

Benny Grund: „Das Ausscheiden von Arsenal und Manchester City muss etwas differenziert betrachtet werden. Die Gunners spielten mit Trainer Arteta erstmals ein Viertelfinale in der Champions League und performen eigentlich seit 2 Jahren komplett über ihren Erwartungen. Die mentale Komponente konnte man der jungen Mannschaft vor allem im Rückspiel in München angemerkt. Wenn der Gegner die Räume eng macht, bekommt Arsenal Probleme mit ihren Tempowechseln. Dazu hatten die Spieler von Arteta in ihrem Spiel keine gute Risikoabwägung. Im Pressing waren sie eher mannorientiert, wodurch die Bayern es einfacher hatten von hinten aufzulösen und Arsenal in Kontersituationen gefährlich zu werden. Ein so großes Spiel gegen Bayern kam für Arsenal einfach zwei Jahre zu früh. Es hatte sich gegen Porto schon angebahnt.

Bei Manchester City sieht es da schon etwas anders aus. Der CL-Sieger des Vorjahres schoss im Rückspiel zwar drei Tore, hatte aber vor allem mit der Absicherung große Probleme. Real Madrid hatte immer wieder eine gute Strafraumverteidigung und konnte der gegnerischen Abwehr, aufgrund ihrer individuellen Klasse, in Umschaltmomenten gefährlich werden. Real Madrid aus der Champions League zu werfen ist und bleibt wahrscheinlich mit die schwierigste Aufgabe, die es im Weltfußball gibt. Kein Team schafft es so gut, dass Momentum auf seine Seite zu ziehen und daraus für sich Profit zu schlagen.“

Ballbesitz-Teams ausgeschieden: „Sehe darin keinen Trend“

Auffällig ist in diesem Jahr, dass einige Teams, die auf Ballbesitzelemente und viel Kontrolle setzen, bereits ausgeschieden sind. Das trifft in Teilen auf den FC Barcelona, auch auf Inter, vor allem aber auf Arsenal und Manchester City zu. Der FC Bayern hat Arsenal quasi mit einer stilistischen Anpassung vor Probleme gestellt. Lässt sich hier eurer Meinung nach so etwas wie ein Trend erkennen? Oder war eher die Tagesform/das Spielglück der entscheidende Faktor?

A.P.: „Es kann sicher etwas mit dem Stil der Teams zu tun haben. Ballbesitz ist natürlich immer wieder ein Thema, auch PSG spielt zum Beispiel nicht immer dominant, weiß aber, wie es gefährliche Situationen kreieren kann. Außerdem ist vieles von gutem Pressing abhängig, wenn du nicht so viel den Ball hast. Viele Teams können ein Spiel auch sehr gut ohne den Ball beeinflussen. Mit gutem Pressing und guter Arbeit gegen den Ball lässt sich vieles kaschieren, gerade auch gegen dominante Teams.“

B.G.: „Wenn man sich die Champions-League-Sieger der letzten Jahre anschaut, dann war es in seltensten Fällen ein Team, was sich rein über den Ballbesitz definiert. Vor allem spielt in K.O-Spielen hat die Erfahrung der einzelnen Spieler eine große Rolle gespielt. Druckphasen zu überleben und daraus für sich ein Vorteil zu schaffen, ist eine Kunst, die ganz wenige Teams für sich beherrschen. Vor allem im Positional-Play braucht es viel Geduld, um daraus Profit zu schlagen. In einem K.O-Wettbewerb hat man aber nur 180 Minuten plus eventuelle Nachspielzeit, um erfolgreich zu sein. Der Druck etwas aus dem Ballbesitz zu kreieren, sorgt meistens für Ungeduld im letzten Drittel, wodurch es für den Gegner einfacher wird in den Zonen zu verteidigen.“

F.K.: „Ich sehe darin keinen Trend. Für mich liegt es speziell am Matchplan und der Anpassung an den Gegner. Real hat grundsätzlich auch gerne Ball und Spielkontrolle. Wenn es der Zufall der Auslosung dann aber so will und man auf ein Team trifft, das diesen Ballbesitzfußball noch stärker zelebriert, muss man eher dem Gegner entsprechend agieren. Ein ballbesitzaffines Bayern hat das ja im Arsenal-Rückspiel auch so gemacht. Mit der Paarung PSG gegen Barcelona war es im Grunde ähnlich: Die Pariser waren sehr darauf bedacht, den Takt vorzugeben. Phasenweise kam Barcelona dann einfach nicht zu seinem Spiel. Man muss sagen: Ja, es sind ballbesitzorientierte Mannschaft raus – andere dafür aber weiter.“

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P.M.: „Zweiteres, denke ich. Wenn wir von Arsenal sprechen, hätten die Gunners im Hinspiel schon deutlich mehr erreichen können. Im Emirates waren sie lange weit überlegen, führten 1:0 und hatten eine sehr klare Chance, das zweite Tor zu erzielen. Dann ließ man es zu, dass die Bayern den Rückstand aufholen konnten. Manchester City war Real Madrid im Rückspiel haushoch überlegen. Sie hatten viele Chancen, Real Madrid zu schlagen, aber Andriy Lunin und die Innenverteidiger haben eine unglaubliche Leistung gezeigt. Auch das gehört zum Fußball, aber Manchester City war mit seiner Spielweise und Leistung der Qualifikation näher als Real Madrid. Im Elfmeterschießen sind es dann die Details (Bernardo Silvas Elfmeter in die Mitte), die das Spiel entscheiden.“

Real Madrid? „Man muss sie immer fürchten“

Paris Saint-Germain hat es in den letzten Jahren häufig versucht, aber nie geschafft, die Champions League für sich zu entscheiden. Was gibt Anlass zur Hoffnung aus Sicht von PSG, dass es in dieser Saison anders läuft? Welche Entwicklungen sprechen für die Mannschaft?

A.P.: „PSG hat das neue Projekt mit Luis Enrique vorangetrieben. Der ganze Staff hat sich verändert und wurde angepasst, auch die medizinische Abteilung. Die Spieler werden geschützt, es herrscht mehr Ruhe und der Kader ist auch in der Breite besser geworden. Auf und neben dem Platz werden gute Entscheidungen getroffen. Es ist ein neues Team, der letzte Transfersommer rund um Ugarte, Dembele und Kolo Muani war sehr wichtig für diesen Klub. Deutlich spürbar ist auch, dass die Atmosphäre im Team sehr gut ist.“

Etwas überraschend stehen, erstmals seit vier Jahren, wieder zwei Bundesligisten im Halbfinale der Champions League, denn beide agieren auf nationaler Ebene nicht am eigenen Optimum. Wo liegen deiner Meinung nach die Gründe für diesen Erfolg, was machen beide – auch fußballerisch – international besser als in der Liga?

B.G.:Thomas Tuchel ist nicht umsonst „Mr. Matchplan“. Er hat in der Vergangenheit bewiesen, dass er in großen Spielen die richtigen Hebel findet, um mit seiner Mannschaft erfolgreich zu sein. Er war sich gegen Arsenal in beiden Spielen nicht zu schade, dass sein Team eher reagiert und dadurch den Gegner zu Fehlern zwingt. In einem Heimspiel tief zu verteidigen, wäre in den letzten Jahren bei Bayern fast unmöglich gewesen. Viele Trainer in der Vergangenheit fühlten sich dazu bewogen, dass Bayern das aktive Team sein muss, was sehr konträr zu dem aktuellen Kader geht, vor allem in K.O.-Spielen.

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(Photo by Alexander Hassenstein/Getty Images)

Die Dortmunder haben unter Trainer Edin Terzic eine beeindruckende Entwicklung in dem diesjährigen Wettbewerb genommen. Das Rückspiel gegen Atletico war taktisch wahrscheinlich die beste Leistung der Saison. Im eigenen Stadion hat der BVB immer wieder die richtigen Ideen gefunden, um das Stadion und die Fans mitzureißen. Anders als in der Liga fällt es dort nicht so schwer ins Gewicht, inwiefern es eine Entwicklung des Fußballs gibt. Das Team wirkte in fast allen Spielen gut vorbereitet und hat es individuell geschafft über die eigene Leistungsgrenze hinausgewachsen. Spieler wie z.B Schlotterbeck performen unter dem Radar seit Monaten konstant gut. Sportdirektor Kehl hat im Winter mit Maatsen und Sancho entscheidende Transfers getätigt, die dem Team enorm geholfen haben. Terzic hatte in seiner Amtszeit immer wieder gute individualtaktische Ideen, die dir in der Champions League einen entscheidenden Vorteil geben können. So spielte Marcel Sabitzer gegen Atletico eine viel offensivere Rolle als in der Hinrunde der Bundesliga.“

Natürlich ist es wieder einmal Real Madrid, das als letzter spanischer Vertreter um den Titel kämpft. Manchester City, der Titelverteidiger, wurde ausgeschaltet. Warum ist dieses Team in den großen Spielen nahezu jederzeit fähig, dem Gegner wehzutun und lässt sich von nichts aus der Ruhe bringen?

P.M.: „Es ist eine besondere Mannschaft, eine andere Mannschaft als beispielsweise in der Liga. Sie werden nicht jede Saison die Champions League gewinnen, aber man muss sie immer fürchten. Real Madrid hat Respekt vor den Gegnern, nimmt sie nicht auf die leichte Schulter, hält die Konzentration hoch. Vor allem die Erfahrungen der letzten Jahre sorgen für diesen speziellen Glauben, den diese Mannschaft verkörpert.“

F.K.:Real Madrid ist Glanz und Gloria, der Gipfel der Fußballwelt und in erster Linie verleiht einem eben der Henkelpokal weltweit Ruhm. Der Mythos entstand durch die fünf Europapokalsiege in den 1950er Jahren, wurde in den Folgejahrzehnten fortgesetzt. Wer für Real spielt, weiß speziell in internationalen Partien, dass sie für das Wappen, die Historie des größten Klubs antreten, selbst zu Ikonen werden können. Sie wollen auch Helden werden, die Legende vergrößern. Es ergibt also absolut Sinn, alles zu geben. Das Dasein als Real-Profi gibt ihnen ein Selbstvertrauen und Selbstverständnis, das sie oft unschlagbar macht. Dass man immer bis zum Schluss kämpfen und an ein positives Ergebnis glauben muss, gehört zur Klub-DNA.

Die Historie beweist es mit unzähligen Aufholjagden. Carlo Ancelotti sagt immer, seine Schützlinge seien nicht nur reine Berufsfußballer, sondern auch große Madridistas. Identifikation, Sieger-Gen, Aufopferung, Zusammenhalt, Talent, Coolness: All das ist vor allem dann da, wenn es darauf ankommt. Die Rädchen greifen ineinander, dabei ist dann auch ein Menschenfänger wie Ancelotti als Anführer ideal. In einem familiären Mannschaftsklima können sich jüngere Akteure zudem von Profis leiten lassen, die nichts geringeres als Legenden sind, die alles erlebt und gewonnen haben, die wissen, wie es geht.“

Champions League: Erneut ein deutsches Endspiel?

Abschließend, eure Prognose: Welche beiden Teams ziehen in das Endspiel ein, wer gewinnt es und warum?

A.P.: „Ich denke, dass PSG und Real Madrid das Endspiel erreichen werden. Das sind für mich die beiden besten Teams und die Geschichte rund um Kylian Mbappé gegen sein wahrscheinlich kommendes Team wäre damit natürlich perfekt. Im Finale entscheiden dann Kleinigkeiten.“

P.M.: „Die Logik legt nahe, dass das Finale zwischen Real Madrid und Paris Saint-Germain stattfindet, aber in der Champions League kann man immer mit allem rechnen. Dennoch ist meiner Meinung nach Real Madrid der Favorit auf den Gewinn der Champions League. In den letzten beiden Spielzeiten ging der Sieger aus den Begegnungen zwischen Real Madrid (Meister 2022) und Manchester City (Meister 2023) hervor. In diesem Jahr trafen sie erneut aufeinander, Real setzte sich durch.“

B.G.: „Mein Bauchgefühl sagt mir, dass der BVB gegen Paris ins Finale einziehen wird. Unter Luis Enrique gibt es dort zwar wieder flüssigeren Ballbesitzfußball, aber die Defensive bleibt auf dem höchsten Niveau sehr anfällig. Eigentlich hätten sie schon gegen Barca ausscheiden müssen. Beim Spiel Bayern München gegen Real Madrid wird die Tagesform entscheiden. Ich glaube daran, dass Tuchel auch in diesem Spiel die richtigen Schlüsse ziehen wird und Real Madrid über zwei Spiele ärgert. Laut meiner Rechnung sehen wir also die Neuauflage von 2013 im Wembley. Ein deutsches Finale, in dem sich Thomas Tuchel mit seinem zweiten Champions League Sieg aus München verabschieden wird.“

F.K.: „Real und PSG, weil es gerade irgendwo jeweils naheliegt, die deutschen Teams das Hinspiel jeweils zuhause haben und ich denke, dass sie dort nicht derart vorlegen können, dass es letzten Endes reicht. Im Endspiel, das gegen Bald-Real-Star Kylian Mbappé einen noch größeren Reiz hätte, macht es dann Real wieder – natürlich. Weil Real dafür zu erfahren ist und in der Regel schließlich keine Finals spielt, sondern gewinnt. Abgesehen davon hat Real auch einfach den besseren Kader.“

(Photo by MICHAELA STACHE/AFP via Getty Images)

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