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·18 May 2024

Julian Krahl: "Auch mal ein bisschen Arschloch sein"

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Torhüter Julian Krahl musste beim 1. FC Kaiserslautern lange auf seine Chance warten. Erst eine Rote Karte für seinen Torwartkollegen Andi Luthe gab ihm die Chance, sich zu beweisen. Und vielleicht war der holprige Saisonverlauf mit Trainerwechseln und Abstiegskampf genau das Richtige für den 24-Jährigen. Denn Krahl entwickelte sich vom introvertierten Torhüter zum echten Führungsspieler. Das beweist auch die Kicker-Jahresnotenliste, in der der Lautrer Schlussmann mit der Note von 2,91 den Rang 13 aller Zweitligaspieler belegt. Im Interview mit Treffpunkt Betze spricht Julian Krahl über den Druck im Abstiegskampf, seine persönliche Entwicklung und warum er mal als Linksverteidiger zum Einsatz kam.

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"Am Ende war es eine große Belastung"

Treffpunkt Betze: Hallo Julian, seit letztem Sonntag steht der Klassenerhalt endlich fest. Hast du das Spiel zwischen Braunschweig und Wiesbaden gemeinsam mit der Mannschaft verfolgt und wie groß würdest du die Last beschreiben, die nach dem Schlusspfiff von dir abgefallen ist?

Julian Krahl: Ja, wir haben das Spiel zusammen hier im Stadion geschaut. Es war eine riesige Erleichterung, das Spiel hat sich auch richtig in die Länge gezogen. Ich glaube mit der Nachspielzeit und dem ganzen Drumherum haben sie bis zur 97. Minute gespielt. Als dann der Schlusspfiff kam, waren wir alle sehr glücklich. Die ganze Saison war hart und lang und ist ja noch nicht vorbei, aber am Ende war es sehr schwierig und eine große Belastung, vor allem für den Kopf. Wir hatten definitiv etwas zu verlieren und deshalb sind wir jetzt umso glücklicher, dass wir die Klasse gehalten haben.

Treffpunkt Betze: Dieser Abstiegskampf war sicherlich eine der größten Drucksituationen in deiner noch jungen Karriere. Kannst du für dich schon klar benennen, welche Erkenntnisse du aus dieser Erfahrung ziehen kannst?

Julian Krahl: Ja definitiv, das war mit Abstand die härteste Zeit in meiner Karriere, obwohl es natürlich trotzdem ein besonderes Jahr für mich ist, weil es das erste Jahr ist, in dem ich wirklich regelmäßig auf diesem Niveau spielen kann. Ich denke, die Erkenntnisse werden vor allem in der freien Zeit kommen, wenn man mal abschalten kann und ein bisschen den Kopf frei bekommt. Dann kann man sich nochmal ein paar Gedanken machen und es fällt einem leichter zurückzublicken, weil man im Moment noch voll auf das Spiel am Sonntag und das Pokalfinale fokussiert ist.

Treffpunkt Betze: Lass uns einmal auf die aktuelle Saison schauen. Begünstigt durch eine Rotsperre von Andi Luthe und später auch durch sehr starke Leistungen hast du dich zur neuen Nummer 1 hochgearbeitet. Wie blickst du auf deine eigenen Leistungen in dieser Spielzeit zurück?

Julian Krahl: Ich denke, dass es im Großen und Ganzen in Ordnung war. Ich hatte auch eine Phase, wo ich etwas geschwächelt habe, unkonzentriert war und nicht so sauber gespielt habe, wie ich es mir gewünscht hätte. Dann hatte ich noch meine Pause wegen der Handverletzung, aber danach bin ich ganz gut zurückgekommen und konnte dem Team helfen. Insgesamt war es wie gesagt eine ganz besondere Saison für mich, weil es meine erste Saison als Nummer 1 hier war. Verbesserungspotenzial gibt es überall, das steht außer Frage und deshalb werde ich weiter hart an mir arbeiten. Jetzt bin ich erst einmal froh, dass ich hier spielen darf, dass wir den Klassenerhalt geschafft haben und dass am Ende alles gut gegangen ist.

"Bin in die Mannschaft reingewachsen"

Treffpunkt Betze: In diesen 29 Spielen, in denen du zum Einsatz gekommen bist, musstest du insgesamt 53 Mal hinter dich greifen. Gab es für dich als Teil der Abwehrreihe auch Momente oder Eindrücke des Scheiterns?

Julian Krahl: Ja, die gab es auf jeden Fall. Es gab immer wieder Phasen, zum Beispiel als wir diese Niederlagen-Serie hatten, wo es sehr, sehr schwierig war. Wir haben nicht an uns gezweifelt, aber wenn die Spiele so laufen und wir so viele Gegentore bekommen, dann fängt man natürlich an zu grübeln und zu überlegen, was man eventuell besser oder anders machen kann. Aber das hat uns als Mannschaft nicht auseinandergebracht und wir haben trotzdem weiter an uns geglaubt.

Treffpunkt Betze: Im Laufe der Saison wurde immer deutlicher, welche persönliche Entwicklung du als Torhüter durchlaufen hast. Man könnte beinahe sagen: “Vom jungen und introvertierten Torhüter hin zum selbstbewussten Führungsspieler, der die Mannschaft von hinten antreibt”. Würdest du dieser Zuschreibung zustimmen?

Julian Krahl: Ich würde sagen, das ist etwas, was unterbewusst passiert. Man denkt nicht wirklich darüber nach, das kommt einfach durch die Erfahrung. Ich bin einfach ganz anders in die Mannschaft reingewachsen, als ich dann jede Woche mit den Jungs auf dem Platz stand. Das ist dann ein ganz anderes Gefühl und ich glaube, das gehört auch einfach dazu, dass man als Torwart eine gewisse Verantwortung auf dem Platz übernimmt und auch mal ein bisschen Arschloch sein muss, um den Jungs zu helfen. Es freut mich, dass das so gesehen wird, aber wie gesagt, das ist nichts, was ich persönlich explizit beeinflusse.

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Treffpunkt Betze: Welche Rolle spielt dabei die Zusammenarbeit mit Torwarttrainer Andy Clauß?

Julian Krahl: Er spielt auf jeden Fall eine bedeutende Rolle. Für mich persönlich ist es sehr wichtig, dass ich einen Torwarttrainer habe, mit dem ich auch auf menschlicher Ebene gut harmoniere, denn wenn das nicht der Fall ist, wird es sportlich sehr schwierig. Mit ihm habe ich einen tollen Torwarttrainer, wir verstehen uns super und bereiten uns gut auf die kommenden Spiele vor. Er bleibt aber auch immer kritisch, was sehr wichtig ist. Ich bin sehr froh, dass ich ihn habe.

Treffpunkt Betze: Der FCK hat ja bekanntlich eine große Torhüter-Tradition, die auch stark von Gerry Ehrmann geprägt wurde. Hat das bei deinem Wechsel zum FCK im Sommer 2022 eine Rolle gespielt?

Julian Krahl: Ich würde nicht sagen, dass es eine Rolle gespielt hat. Es war eher eine Art kleiner Bonus. Ich habe mich damals sehr über das Angebot vom FCK gefreut, weil der FCK ein großer Traditionsverein ist und gerade wieder in die 2. Liga aufgestiegen war. Dennoch war es natürlich etwas Besonderes, wenn auch nicht ausschlaggebend, dass bei diesem Verein schon so viele Leute im Tor standen, die große Erfolge feiern konnten.

"Nochmal eine gute Leistung abliefern"

Treffpunkt Betze: In deiner Karriere hat es eine recht kuriose Situation gegeben. In deiner Zeit beim 1. FC Köln wurdest du bei einem Testspiel unter Markus Gisdol als Linksverteidiger eingesetzt. Was hatte es damit auf sich?

Julian Krahl: (grinst) Das weiß ich gar nicht mehr so genau. Es war auf jeden Fall ein Testspiel mitten in der Saison. Ich glaube, Ron-Robert Zieler hat im Tor gespielt, und dann hat mich der Trainer gegen Ende der zweiten Halbzeit gefragt, ob ich Lust hätte, mal als Linksverteidiger zu spielen. Ich habe dann geantwortet, dass ich auf jeden Fall Lust habe, habe eine Viertelstunde gespielt, hatte eine Torchance und habe das Ding über den Zaun geschlagen. Aber es war auf jeden Fall eine lustige Geschichte.

Treffpunkt Betze: Am Sonntag steht mit dem Heimspiel gegen Braunschweig noch ein letztes Pflichtspiel an, bevor es mit voller Konzentration in die Vorbereitung auf das große Pokalfinale geht. Was für ein Spiel erwartest du auf dem Betze?

Julian Krahl: Ich glaube, das ist sehr schwer einzuschätzen. Für uns ist klar, dass das Spiel für die Fans sehr wichtig ist, das Stadion ist ausverkauft, das ist unglaublich für ein Spiel, wo es in Anführungszeichen um nichts mehr geht. Ich denke, es ist wichtig, dass wir für die Fans eine gute Leistung bringen, weil sie dieses Jahr so viel mitmachen mussten, sie haben uns immer unterstützt und waren immer da. Deswegen ist es für mich persönlich, aber auch für die ganze Mannschaft wichtig, dass wir zu Hause auf dem Betze noch einmal eine gute Leistung und ein gutes Ergebnis abliefern. Ich weiß nicht, wie Braunschweig hier auflaufen wird, ob sie rotieren oder mit der ersten Mannschaft spielen, in welcher Verfassung sie sein werden, da sie ja auch schon den Klassenerhalt geschafft haben. Aber das spielt keine Rolle, ich gehe davon aus, dass sie 100% auf den Platz bringen und es ein sehr enges und hartes Spiel wird.

Treffpunkt Betze: Samstag, 25. Mai, Flutlicht, DFB-Pokalfinale, ausverkauftes Olympiastadion, Bayer Leverkusen gegen den 1. FC Kaiserslautern. Was zu Beginn der Saison niemand für möglich gehalten hätte, wird in wenigen Tagen Realität. Was löst der Gedanke an dieses Spiel in dir aus?

Julian Krahl: Das ist schwer zu beschreiben. Erst einmal versuchen wir, wie gesagt, uns jetzt voll auf Sonntag zu konzentrieren. Was das Pokalfinale angeht, sage ich mal so: Die Stimmung im Stadion haben wir ja schon erlebt, als wir im Pokal gegen Hertha gespielt haben und das Ding voll war. Aber ich denke, dass die Stimmung noch einen Ticken beeindruckender sein wird, weil noch mehr Lautern-Fans da sein werden. Man spürt auf jeden Fall die Vorfreude. Wir wissen, dass wir der krasse Außenseiter sind, aber im Pokal gab es schon viele verrückte Spiele. Wir freuen uns, dass wir mit dem Finale dem Verein etwas zurückgeben können, denn die Fans hatten es mit dem Fast-Abstieg in die Regionalliga oder auch dieser schwierigen Saison nicht immer leicht. Trotzdem stehen sie immer hinter dem Verein und vielleicht ist es ja eine kleine Erinnerung an alte Zeiten, die die Fans daran erinnert, wie es einmal war und hoffentlich in Zukunft wieder öfter sein kann.

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