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·17 June 2024

Homophobie im Fußball: Wenn Worte tief verletzen

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Terrence, du alter Ficker. Ich fick dich du kleene Schwuchtel“, hallt es aus einem Handyvideo, aufgenommen auf Mallorca, wo eine Handvoll FCK-Spieler die nervenaufreibende Saison ausklingen lässt. Was nach Sommer, Sonne und Urlaub klingt, zeigt einen alkoholisierten FCK-Spieler, der sich in einer Weise äußert, die ein handfestes Problem offenbart. Die Aussagen in diesem Video sind ein Beispiel dafür, wie sehr Begriffe, die in den Bereich der homophoben Sprache fallen, noch immer in unserer Gesellschaft verankert sind. Dabei geht es ausdrücklich nicht darum, einen bestimmten Spieler oder einen einzelnen Menschen an den Pranger zu stellen. Es geht darum, zu verstehen, dass Sprache das Potenzial besitzt, Betroffene zu diskriminieren, indem verletzende Äußerungen immer und immer wieder reproduziert und somit im gesellschaftlichen Bewusstsein geparkt werden. Die Aufnahme aus Mallorca verdeutlicht, dass das Wort „schwul“ noch immer unbewusst als Schimpfwort im Sprachgebrauch vieler Menschen verankert ist.

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Homosexualität ist längst kein Normalfall

Übertrieben, mag so mancher Fan denken. Lasst die Jungs doch ihren Spaß haben. Bei dem Alkoholpegel ist ein Mensch doch gar nicht mehr zurechnungsfähig. Und darf man heute denn gar nichts mehr sagen? Fußball soll verbinden und Menschen einen. Egal welcher Herkunft, Hautfarbe oder eben auch Sexualität. Der Fußball im Allgemeinen und der FCK im Besonderen bemühen sich, gegen Diskriminierung und Ausgrenzung Stellung zu beziehen und klare Kante zu zeigen. Erst kürzlich veröffentlichte der Verein anlässlich des „IDAHOBIT“, einem Tag gegen Homophobie, den Slogan „Lieb doch wen du willst“. Gleichzeitig wurde von Marcus Urban (ehemaliger deutscher Fußballer, bekannt durch die Veröffentlichung seiner Biografie „Versteckspieler“), der sich kurz vor seinem Durchbruch zum Profifußballer als schwul outete und seine Karriere beendete, ein bundesweiter Gruppen-Coming-Out-Day vorbereitet, der homosexuellen Fußballspielern oder Funktionären eine Plattform bieten sollte, auch öffentlich zu ihrer sexuellen Orientierung zu stehen. Warum? Damit sie so sein können, wie sie sind und sich nicht mehr verstecken müssen. Bis heute hat sich kein einziger noch aktiver Fußballprofi geoutet.

Der prominente Fall von Justin Fashanu

Bei Videos, in denen solche Aussagen gemacht werden, ist dies nicht verwunderlich. Was nützen Kampagnen, in denen vorgeschriebene Statements in die Kamera gesprochen werden, wenn gleichzeitig Homosexualität immer noch als Schwäche empfunden wird - und sei es nur im Unterbewusstsein durch Aussagen wie im besagten Video. Man stelle sich vor, ein solches Video würde von Spielern gesehen werden, die mit dem Gedanken spielen, sich zu outen, weil sie einfach normal leben wollen - oder die im Extremfall sogar direkt daneben stehen, wenn so etwas lachend in die Kamera gesagt wird.

Zudem fehlt es an erfolgreichen Vorbildern. Ex-Nationalspieler Thomas Hitzelsperger outete sich nach seiner Karriere. Der englische Spieler Justin Fashanu nahm all seinen Mut zusammen und bekannte sich bereits im Jahr 1990, als Homosexualität insbesondere in England noch als Krankheit galt und verpönt war. Die Folge war systematisches Mobbing, vor allem durch seinen damaligen Trainer bei Nottingham Forrest, Brian Clough. Dieser ließ Fashanu beschatten und verunglipfte den Stürmer vor versammelter Mannschaft als „verdammte Schwuchtel“. Auch die Öffentlichkeit ging nicht zimperlich mit ihm um. Nach Missbrauchsvorwürfen und einer anschließenden medialen Hetzjagd nahm sich Fashanu 1998 tragischerweise das Leben.

Solche Aussagen sind nicht zu tolerieren

Gerade deshalb ist es mehr als 25 Jahre später so eminent wichtig, auch im Kleinen darauf zu achten, Homophobie keinen Raum zu geben und das umzusetzen, was diverse Kampagnen bereits zum Thema gemacht haben: Liebe ist Liebe. Und das fängt schon bei der Sprache an. Äußerungen wie „Schwuchtel“ können Betroffene damals wie heute verletzen und einschüchtern. Wenn jeder ein Bewusstsein dafür entwickelt, so etwas zu vermeiden, wäre ein großer Schritt getan. Auch deshalb ist es wichtig, Äußerungen wie die des FCK-Spielers zu thematisieren und nicht totzuschweigen.

FCK-Kommunikationschef Stefan Roßkopf nimmt auf Anfrage von Treffpunkt Betze daher klar Stellung: „Wir haben natürlich mit dem Spieler über das Video gesprochen. Homophobe Beleidigungen und Aussagen sind nicht zu tolerieren. Auch nicht durch den Ort oder den Alkoholpegel.“

Es geht nicht um Verurteilung, sondern um den Dialog

Homosexualität ist im Fußball immer noch ein Tabu. Die Fußball-Kabine ist nach wie vor ein Ort, an dem ein Männlichkeitsbild vorherrscht, das es als Schwäche ansieht, wenn Männer Männer lieben. Auch Stefan Roßkopf macht in diesem Zusammenhang deutlich, dass noch viel zu tun ist: „Wir müssen uns aber auch eingestehen, dass wir uns hier in einem Prozess befinden. Viele Jahre lang waren homophobe Sprüche in der Gesellschaft und gerade auch im Sport an der Tagesordnung. Hier hat sich aus unserer Sicht schon einiges verbessert, aber es gibt auch noch viel Arbeit. Dafür ist es wichtig, Verfehlungen wie diese anzusprechen."

Nur so kann letztlich ein Bewusstsein dafür geschaffen werden, dass Äußerungen wie im genannten Video verletzend und nicht einmal lustig sind. Das gilt auch für die Fankurven, in denen sich zwar schon viel getan hat, homophobe Beleidigungen aber immer noch vorkommen oder in Fangesängen unreflektiert hinausposaunt werden. Auch hier gibt es noch viel zu tun. Im Vordergrund dieser Debatte und dieses Textes steht daher der Dialog. Niemand soll - im Falle des FCK-Spielers im wahrsten Sinne des Wortes - verteufelt werden. Niemand ist frei von Fehlern. Und wenn daraus ein Umdenken resultiert, hat eine solche Geschichte im Idealfall sogar etwas Positives.

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