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·26 December 2023

Hausherr: Die Erfahrung von gestern als Motivation für heute

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Lena Hausherr ist im Sommer 2022 zum BVB zurückgekehrt. Unsere Handballerin hat ihre Mitte gefunden. Sie ist geerdet und gern am Wasser. Am Phoenix-See entwickelt sich ein Gespräch über Familie und Freundschaft, Widrigkeiten und Wechsel-Wirkung, Stempel und Studium, Meditation und Motivation, Haushalt und Halt und Heimat.

Du hast Dir als Location für dieses Gespräch den Phoenix-See ausgesucht. Warum sind wir hier?„Weil ich den See sehr gerne mag. Für mich ist es der schönste Stadtteil von Dortmund. Hier fühle ich mich wohl, hier kann ich entspannen und gut runterkommen. Hier hat man alles; gute Restaurants, gute Cafés, meine Lieblingseisdielen. Hier kann ich spazieren gehen, in der Sonne sitzen. All das erinnert mich an Dortmund, an meine Heimat.“


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Heimat ist spannend. Was ist für Dich Heimat? „Dortmund. Und der BVB, mit dem ich groß geworden bin; sowohl mit Fußball als auch mit Handball. Ich bin in Dortmund geboren und schon mit fünf, sechs Jahren in die Halle Wellinghofen gegangen. Das ist also tatsächlich Heimat für mich – das und meine Familie; meine Eltern, meine große Schwester Sarah mit ihrem Freund Max und meine Zwillingsschwester Laura. Wir sind zweieiig – und ziemlich verschieden, nahezu 180 Grad gedreht, würde ich sagen.“

Okay, woran kann man das festmachen? „An unserer Persönlichkeit; eine schläft eher lange, was die andere gar nicht kann; eine hat kein Problem mit Unordnung, die andere mag es gerne ordentlich.“

Lass mich raten: Du bist „die andere“, die Ordnung Liebende.„Ja, schon. Meine Schwester mag auch mal Chaos.“

Dazu passt Deine Getränkewahl: Tee, nicht etwa Kaffee.„Ich trinke auch Kaffee, aber vor allem bin ich eine geborene Teetrinkerin. Ich trinke bestimmt vier, fünf Tassen am Tag; morgens, mittags, abends; warm und kalt. Tee tut gut, er beruhigt.“

Du scheinst generell ziemlich bei Dir zu sein. So hast Du schon in der Jugend große Erfolge feiern können, bist dann aber zunächst den Schritt nach Zwickau gegangen. Was ist das für Dich in der Retrospektive: Ein notwendiger Umweg? Ein Sprungbrett? Wie bewertest Du diese zwei Jahre fernab der Heimat? „Ich würde den Schritt nicht als Umweg bezeichnen, sondern einfach als notwendigen Schritt, der zu meiner Karriere gehört. Und Sprungbrett? Bin ich mir auch nicht sicher. Ich bin jedenfalls nicht von vornherein mit dem Gedanken nach Zwickau gegangen, dass ich dort nur zwei Jahre bleibe und dann auf jeden Fall zurück nach Dortmund oder in die weite Welt gehe. Der Ursprung war ein anderer: Ich habe gesagt, ich muss erstmal raus aus Dortmund, meinen eigenen Haushalt haben, ganz weg vom behüteten Elternhaus und der Familie. Und: Ich wollte nicht mehr ‚die Junge‘ sein, die aus der Jugend kommt. Wenn man so lange schon in der Jugend eines Vereins gespielt hat, dann hat man auch den Stempel ‚Jugendspielerin‘. Aus dieser Schublade wollte ich raus. Deshalb war es sinnvoll, nach Zwickau zu gehen. Es folgten ein Jahr zweite Liga mit hohen Spielanteilen, Aufstieg, Klassenerhalt. Der Rest hat sich entwickelt.“

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Was hast Du in diesen zwei Jahren auf dem Feld dazugelernt? Welches Rüstzeug hast Du für Deine weitere Karriere erlangen können? Ist es vor allem die Wettkampfhärte im Seniorenbereich? „Das auf jeden Fall. Ich hatte vorher beim BVB schon dritte Liga gespielt und in der ersten Mannschaft trainiert – aber natürlich sind Training und Spiel noch einmal etwas anderes. Es ist aber das Gesamtpaket: dass ich direkt viel gespielt habe und viel Verantwortung habe nehmen dürfen, ebenso dass ich von zuhause weg und komplett auf mich allein gestellt war. Das war auch nicht immer leicht.“

In welchen Momenten war es nicht leicht?„Es gab zwei übergeordnete Dinge: erstens Corona, ich bin ja zu Beginn der Pandemie weggegangen. In der ersten Zeit in Zwickau gab es also nichts außer Handball. Man konnte nicht mal mit den anderen Mädels raus oder ins Restaurant gehen. Dazu kam, dass keine Zuschauer in der Halle zugelassen waren – meine Eltern konnten also zu den Spielen auch nicht live vor Ort sein. Das Zweite war, dass ich sehr Heimweh zu Laura bekommen habe, das habe ich in Zwickau zum ersten Mal so erlebt. Die Verbindung zu einem Zwilling scheint doch etwas Besonderes zu sein. Die räumliche Trennung in dieser Zeit hat uns noch einmal näher zusammengebracht; Laura und mich, aber auch mich und meine große Schwester mit ihrem Freund.“

Vor dem Hintergrund der Zeit und Umstände unter Corona war der Schritt noch größer als die 360 km Luftlinie zwischen Dortmund und Zwickau. Was hat Dich in dieser Zeit aufrecht gehalten, abends um 22 Uhr allein in der Bude?„Grundsätzlich gehören Widrig- und Schwierigkeiten dazu, auch ohne Corona. Etwa, wenn man schlicht mal schlecht gespielt hat oder wenn man mal vom Trainer so richtig zusammengefaltet wird. In Zwickau hatte ich zum Glück eine wahnsinnig coole Mannschaft mit starkem Zusammenhalt. Ich bin zusammen mit Carlotta Fege, mit der ich schon in der BVB-Jugend zusammengespielt hatte, dorthin gewechselt, und habe zusätzlich drei, vier gute Freundinnen gefunden, eine wahrscheinlich fürs Leben. Wir haben uns also gegenseitig gestützt, haben zum Beispiel zweimal in der Woche Kochabende gemacht, Karten gespielt, Netflix geguckt. Ich war dort sehr gut aufgehoben.“

Wer oder was hebt Dich heute wieder auf, wenn es mal schlecht gelaufen ist?„Meine Familie. Sie sind bei nahezu jedem Heimspiel da, das gibt mir im Spiel selbst sehr viel Halt. Wenn ich sie auf der Tribüne sehe, auf den immer gleichen Plätzen, dann gibt mir das sehr viel, dann bin ich bei mir, dann bin ich stark. Da braucht es keine großen Gesten, da reicht ein Blick, und ein Lächeln in der Halbzeit. Wenn sie mal nicht da sein können, dann fehlt etwas.“

Und nach den Spielen?„Nach den Heimspielen bin ich in aller Regel noch zuhause bei meinen Eltern in Holzen. Wir essen zusammen zu Abend, und es geht ganz schnell um andere Themen als das Spiel oder Handball. Das hilft mir sehr, um runterzukommen. Denn gerade nach emotionalen Spielen fällt es mir oft schwer einzuschlafen, unabhängig davon, ob das Spiel gut oder schlecht lief. Das Spiel lasse ich dann lieber ein paar Tage später mit meinem Team Revue passieren.“

Weil Du es gerade ansprichst: Welche anderen Themen interessieren Dich?„Ich gehe gerne Windsurfen, das mache ich, seit ich sieben bin. Außerhalb des Sports bin ich interessiert an Gesundheitsoptimierung; alles, was zum Beispiel mit Atemtechnik zu tun hat, Meditation und gesunde Ernährung.“

Ist das etwas, was Du Dir auch für die Zeit nach der Handballkarriere vorstellen kannst?„Nee, das mache ich eher für mich selbst, weil ich gemerkt habe, dass es wichtig ist und mir guttut. Ich studiere an der Fernuni Hagen im vierten Semester Psychologie. Das ist eher das, was ich mir für später vorstelle.“

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Okay – dann kommt jetzt ein gehöriger Schuss Küchenpsychologie: Wenn Du Dich mit psychologischen Fragestellungen auseinandersetzt, dann bist Du bestimmt gut darin, sportliche Rückschläge zu durchdenken, einzuordnen, mit ihnen umzugehen, letztlich Stärke aus ihnen zu ziehen. Bei allem Erfolg seit Deiner Rückkehr im Sommer 2022 habt ihr immer wieder auch Rückschläge einstecken müssen, wie etwa die Kreuzbandrisse von Dana Bleckmann und Lena Degenhardt. Wie sortierst Du diese Widerstände durch die Brille der Psychologie ein? „Schwere Verletzungen wie die von Dana und Lena gehören leider zum Leistungssport dazu. Da kann sich keine Spielerin und keine Mannschaft von freisprechen. Grundsätzlich machen Widrigkeiten und Rückschläge die Angelegenheit auch spannend. Es wäre ja langweilig, wenn wir jedes Spiel mit 15 Toren Unterschied gewinnen würden. Erst bei einer gewissen Achterbahnfahrt spürt man sich doch selbst. Erst wenn es mal richtig schlecht gelaufen ist und danach wieder besser klappt, weiß ich doch, wofür ich das alles mache. Ich glaube, wenn alles perfekt laufen würde, dann würde es erst richtig schwierig werden. Manchmal ist man sich selber gar nicht bewusst, wie glücklich man sich schätzen kann, gerade nicht verletzt zu sein. Dieses Empfinden wird durch schwere Verletzungen anderer auch wieder hervorgeholt. Vielleicht sollte man von Zeit und Zeit einfach mal durchatmen und denken: Geil, ich bin fit, kann Handball spielen; ich kann das machen, was ich liebe.“

Heißt: Du kannst aus etwas Schlechtem immer auch viel Gutes ziehen, eigene Stärke zum Beispiel.„Total, Stärke und Motivation. Damit möchte ich nicht sagen, dass Verletzungen anderer gut sind, aber sie gehören nun mal mit dazu, also muss man einen Umgang damit finden.“

Wie geht ihr als Mannschaft mit diesen früh in der Saison erlittenen schweren Verletzungen um?„Es ist natürlich eine Schwächung. Es ist schwierig bis unmöglich, diese beiden Ausfälle auf derselben Position zu kompensieren; zumal beide sowohl von hinten stark werfen können als auch eine große Durchschlagskraft im Eins-gegen-eins haben. Aber vor diesem Hintergrund müssen wir halt noch enger zusammenrücken, was wir auch tun. Alles weitere wird man sehen.“

Wann bist Du in Bezug auf Handball zufrieden?„Oh, das ist eine schwierige Frage. Natürlich gibt es einen Unterschied zwischen mannschaftlich zufrieden und individuell zufrieden. Es wird immer gesagt, solange die Mannschaft gewinnt, ist alles gut – aber das heißt doch noch lange nicht, dass ich dann auch zufrieden bin. Eine Kombination aus mannschaftlichem Erfolg und persönlich schlechter Leistung bleibt für mich schwierig. Ich selbst möchte doch auch immer gut sein und vorankommen. Ich denke, das ist okay, dass man das mal so sagt, weil es in jedem Leistungssportler steckt. Alles andere ist doch geflunkert und nur eine schöne Antwort.“

Interview: Nils Hotze Fotos: Hendrik Deckers

Der Text stammt aus dem Mitgliedermagazin BORUSSIA. BVB-Mitglieder erhalten die BORUSSIA in jedem Monat kostenlos. Hier geht es zum Mitgliedsantrag.

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